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Wie konnte Brecht als Unerwünschter überhaupt Einlaß finden und die Österreicherin Helene Weigel mit ihm und so viele andere Künstler aus der Emigration? Mir wird klar, daß – im Gegensatz zu dem, was ich bisher zu wissen glaubte – die SED im Ulbricht-Staat nicht viel zu sagen hatte. Auf dem langen Plakat lese ich nämlich, daß die SED, nachdem der Unerwünschte einmal da war, »Brechts Theaterprojekt nicht mehr verhindern konnte«. Um so wütender versuchte sie offenbar, Brecht zu schaden: Sie beauftragte nämlich ihren Genossen Wilhelm Girnus, mit Brecht politisch zu arbeiten und »ihm Hilfe zu leisten«, wie es in dem Beschluß des Politbüros wörtlich hieß. Jeder gebildete Antisozialist versteht, daß das, was so hieß, das Gegenteil bedeutete. Nach vier Jahren im Haus des Deutschen Theaters bekam der Unerwünschte für sein Ensemble das »Haus seiner Wünsche«, wie ich beim Weiterlesen lerne. Und sogleich lerne ich auch, daß das eine Infamie war. Schuld daran war jener Wilhelm Girnus (»linientreu«, »zynisch«), denn der »befürwortet ausdrücklich die Übergabe des Theaters am Schiffbauerdamm an Brecht«, dem man »nicht irgendeine Quetsche, sondern ein richtiges Theater geben« müsse. Wie unerwünscht der Unerwünschte war, geht aus Girnus’ Begründung hervor: In einem richtigen Theater werde Brecht nämlich »gezwungen, ein Publikum zu gewinnen«. Da haben wir ihn, den Zwang, dem der Ulbricht-Staat seine Bürger, vor allem die Künstler und namentlich Brecht aussetzte: Nicht nur Ensemble und gewünschtes Haus erhielt der Ärmste, auch noch Publikum sollte er gewinnen. Aber nein: Jeder gebildete Antisozialist weiß, daß das Gegenteil gemeint war: Dem Theatermann sollte »systematisch das Publikum entzogen« werden, weiß der Autor des Plakattextes. Girnus habe Ulbricht zu diesem Zweck »entsprechende Kritiken« in der Parteizeitung versprochen. Tatsächlich habe die Parteizeitung dann Brechts erste Inszenierung im Theater am Schiffbauerdamm – noch perfider – nicht kritisiert, und das Berliner Ensemble habe diese Inszenierung 175mal aufgeführt, gleich im nächsten Jahr auch in Paris. Kurz: »Man gestattete Brecht eine Arbeit, aber mit eingeschränkter Wirkung.« Statt »Verweigerung des Theaters und Abschiebung in die Bundesrepublik, was zweifellos naheliegend gewesen wäre«, habe die SED ihm das Theater am Schiffbauerdamm als »Danaergeschenk« überlassen. Denn das weiß jeder klassisch Gebildete: Mit einem Danaergeschenk, einem trojanischen Pferd, überlistet man den Beschenkten. So »wollte man den unbequemen Künstler in die Knie zwingen«, so »sollte er zugrunde gerichtet werden«. Und was ist die Moral der schrecklichen Geschichte? Das Plakat verschweigt sie nicht: Jemandem wie Brecht ein Theater mit allen technischen Möglichkeiten zu geben und ihm so zu helfen, wie die SED es tat, »erscheint zwar kulturvoller, als wenn man – wie heute – kurzerhand Mittel für Theater gänzlich streicht, aber es endet gleichermaßen tragisch«. Gleichermaßen? Dann hätte sich der berüchtigte Unrechtsstaat den ganzen Aufwand, Brecht das Theater am Schiffbauerdamm zu überlassen, nicht ohne es vorher sorgfältig renoviert zu haben, genauso gut sparen können. Finanzpolitisch wäre das zweifellos vernünftiger gewesen. Aber nicht kulturpolitisch. Denn was die SED damals mit ihrer »Strategie« bezweckte, war – so läßt mich das Plakat schließlich wissen – Brechts »Verschrottung«. Ganz klar. Indem man ihm Gelegenheit gab, beispielsweise seine Inszenierung des »Kaukasischen Kreidekreises« 175mal zu zeigen, verschrottete man Brecht. Jeder gebildete Antisozialist wird das irgendwie begreifen. Tragisch! Aber doch auch lehrreich: Bewahren wir nach solcher Erfahrung alle Dramatiker vor der Verschrottung! Schließen wir die Theater! Hängen wir dieses Plakat – mit dem Text von Werner Hecht, der einst in der DDR als Dramaturg, zeitweilig als leitender Dramaturg am Berliner Ensemble arbeiten, zum Leiter des Brecht-Archivs, dem Kulturminister direkt unterstellt, aufsteigen und als großer Brecht-Verschrotter gar Professor werden durfte – überall aus, wo heute noch gespielt wird! Schluß damit!
Erschienen in Ossietzky 10/2004 |
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