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Miegel hämmerte der stern-Leserschaft folgendes ein: »Hunderte von Millionen Erwerbstätige sind heute weltweit mindestens so gut wie wir – das aber zum halben Preis.« Er nannte auch die Schuldigen: »Als die Gewerkschaften in den 60er Jahren sich zwischen Kapital und Mitbestimmung zu entscheiden hatten, entschieden sie sich für die Mitbestimmung – ein fataler Mißgriff.« Abhilfe wußte er auch: Die Löhne müssen runter, minderqualifizierte Arbeitslose sollen als »Tankwarte, Garderobenfrauen, Kantinenkellner« arbeiten, und die normalen Einkommensbezieher »müssen wieder bereit sein, wie früher einfache Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen und angemessen zu bezahlen«. Von ihrem halbierten Einkommen? Nicht nur stern-LeserInnen beglückt Professor Miegel mit neoliberalen Losungen, auch die LeserInnen von Welt, Zeit, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, RheinischerMerkur, taz, Bild und FAZ dürfen seinen Sirenengesängen lauschen. Leser des criticón, der Jungen Freiheit und des Ostpreußenblattes sowieso. ARD-tagesschau und WDR interviewen ihn, auch in Talkshows tritt er gerne auf – solange er dort nicht auf die Opfer seiner Parolen trifft. So sagte er seine Teilnahme am »Nachtcafé« des SWR kurzfristig ab, als er von Arbeitslosen erfuhr, die dort ebenfalls zu Gast sein würden. Seine Begründung lautete, daß man »diesen Personenkreis möglichst unter sich diskutieren lassen sollte«. Die DDR ist gewiß nicht an allem schuld, was unsere Zeit an Zumutungen bereithält; Miegels Karriere jedoch geht auf ihr Konto. Hätte sie den Weimarer Musikstudenten 1958 nicht mit Studienverbot belegt – die Gründe verlieren sich im Dunkel der Geschichte –, er wäre nie in den Westen gegangen, um Recht, Soziologie und Philosophie zu studieren. Er wäre 1970, als andere, vielleicht Klügere, gegen den Staat protestierten, nicht im Chemiekonzern Henkel & Cie. als Syndikusanwalt zum Assistenten Konrad Henkels aufgestiegen, gerade ein Jahr nach seinem zweiten juristischen Staatsexamen. Er hätte nie den Henkel-Mitgeschäftsführer Kurt Biedenkopf kennengelernt, der 1973 auf Helmut Kohls Geheiß Generalsekretär der CDU wurde. Miegel folgte ihm in die Politik und war von 1975 bis 1977 Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Hauptabteilung Politik, Information und Dokumentation der CDU-Bundesgeschäftsstelle. 1977 gründete er gemeinsam mit Biedenkopf das private Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn e.V., dessen Geschäftsführer er bis heute geblieben ist. Dieses IWG soll uns allen Gutes tun. »Insbesondere hat es wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgaben einer freiheitlichen, den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft verpflichteten Politik vorzubereiten und zu begleiten«, so jedenfalls sein satzungsgemäßer Auftrag. Zu diesem Zweck richtet es Vortrags-, Seminar- und Diskussionsveranstaltungen aus, führt Auftragsforschungen durch und will seine Erkenntnisse »einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich […] machen«. Obwohl im IWG nur drei wissenschaftliche Mitarbeiter tätig sind, ist deren Medienwirkung enorm: Laut Thomas Brockmeier von Medien Tenor erreicht das Institut »mehr als 40 Prozent seiner Präsenz in den Wochenmedien und im TV«, was für vergleichbare Einrichtungen einen Traumwert darstellt. Noch erstaunlicher wirkt die Feststellung, die IWG-Macher erreichten »mehr als 50 Prozent ihrer Gesamtpräsenz allein durch Features/Meinungsartikel sowie Interviews und Gastbeiträge«. Das alles geht auf die Leistung Miegels zurück, der sich heute im besten Pensionsalter befindet. Seit über einem Jahr ist Miegel Sprecher des »Bürgerkonvents«. Der will laut Eigenwerbung »ein Land, in dem die Menschen gerne leben, arbeiten und ihre Ersparnisse anlegen; in dem Leistung sich lohnt; das seine besten Traditionen pflegt; das eine Zukunft in Freiheit und Wohlstand hat; auf das wir auch morgen noch stolz sein können«. Der »Bürgerkonvent« fordert also die Bürgerrechte auf Nationalstolz, Ellbogenmentalität sowie Selbst- und Fremdausbeutung. Den Geschäftsführer der Einrichtung gibt Gerd Langguth, Ex-Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, inzwischen Professor für politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Der Jahresetat von sechs Millionen Euro für Werbeclips und Flugblätter kam durch Mitgliedsbeiträge und Spenden zusammen. Wer die Spender sind, soll die Öffentlichkeit nicht wissen. Laut Welt stehen Personen wie Hans-Olaf Henkel, Roland Berger, Otto Graf Lambsdorff, Peter Glotz, Rupert Scholz und Eberhard von Kuenheim, der früheren Vorstandschef von BMW, hinter den Kulissen des »Bürgerkonvents«. Dennoch behauptet er von sich, er sei »überparteilich, unabhängig und gemeinnützig […] Insbesondere hat er eine freiheitliche, den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft verpflichtete Politik vorzubereiten und zu begleiten«, was seltsam bekannt klingt. Der Sozialstaat soll weg! Diese vier Wörter enthalten Miegels Lebenswerk. Seit Jahren wiederholt er sie in sämtlichen Variationen, die ihm die deutsche Sprache zu diesem Zweck leider zur Verfügung stellt. Wer ab sofort keine Presseerzeugnisse mehr konsumiert und auf den Rundfunk gänzlich verzichtet, wer einen großen Bogen um Litfaßsäulen macht und sich an Plakatwänden die Hände vor die Augen hält, sollte auch noch Buchhandlungen und Büchereien meiden – sonst fällt ihn Miegels Weltbild doch noch an, in Büchern wie »Das Ende des Individualismus« oder »Die deformierte Gesellschaft«. Letzteres Werk wurde vom renommierten Buchkritiker Edmund Stoiber (CSU ) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als »Ein starkes Stück Analyse« rezensiert. Diesem Stoiber hatte jener Miegel einmal ein neoliberales Gutachten zur »Verbesserung der Beschäftigungslage« geschrieben. Der Sprecher des »Bürgerkonvents« gehört nach Darstellung des Berliner Politikwissenschaftlers Rudolf Speth »zum Kern des zentralen Netzwerks der CDU«. Wenn er bloß nicht ständig behauptete, unabhängig und überparteilich zu sein, dieser Trommler des Kapitals! Er gibt den Takt für den Marsch in eine Zukunft vor, die längst überwunden schien. Als er im Jahr 2000 den von einem Bauunternehmer gestifteten Schader-Preis erhielt, hieß es in der Laudatio: »Meinhard Miegel ist nicht konservativ. Er will nicht bewahren, sondern reformieren. Und zwar so gründlich, daß vom Alten wenig bleibt. Er ist radikaler Kritiker des überkommenen Sozialstaats und zeigt liberale, mitunter nationalliberale Neigungen.« Das sollte ein Lob sein.
Erschienen in Ossietzky 10/2004 |
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