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Mit dem NATO-Luftkrieg gegen Restjugoslawien haben sich die EU-Ausdehner 1999 einen Unruheherd geschaffen, mit dessen Deckelung sie noch lange zu tun haben werden. Generell gilt: Alle diese Länder sind seit Gorbatschows Verkauf der DDR an Helmut Kohl Tummelplatz westlicher Banken und Konzerne, an der Spitze VW, militärisches Glacis der NATO und der zu Interventionen rüstenden EU, Migrantensuchfeld vor der Festung Europa und politische Manövriermasse in der sich abzeichnenden dauerhaften Konkurrenzsituation zwischen den USA und der EU. Die Spaltung in »neues« und »altes« Europa aus Anlaß des Irak-Krieges erlaubte einigen Ländern, aus diesem Konflikt ein wenig Labsal fürs patriotische Gemüt zu ziehen und etwas Sand ins Getriebe der EU-Mühle zu werfen. Die tatsächlichen Machtverhältnisse sind inzwischen klargestellt: Der Besatzereinsatz im Schlepptau der USA vollzieht sich zwischen Lächerlichkeit und wachsender Unpopularität, je mehr der Widerstand im Irak zunimmt. Die Folterfotos dürften ein übriges tun. Das Gerangel um die EU-Verfassung scheint noch im Juni mit einer kompletten Niederlage der bisherigen Opponenten Deutschlands und Frankreichs zu enden. Mit dem 1. Mai erreicht die Grenzziehung West- und Mitteleuropas gegenüber Osteuropa den Stand von 1939. Damit ist die in Jalta 1945 von Churchill, Roosevelt und Stalin geschaffene Nachkriegsordnung beseitigt. Militärisch näher an die russischen Zentren zu rücken, war das erklärte Ziel. Gerechtfertigt wird es mit möglichen Krisen und politischen Katastrophen im kollabierenden Rußland oder Belarus, Ukraine und Moldawien, die mit dem 1. Mai endgültig den Status eines Hinterhofs erhalten haben. In den Beitrittsländern ist politische, ökonomische und soziale Stabilität zu möglichst niedrigen Kosten das wichtigste Ziel. In diesem Punkt aber sind die Meinungen der Auguren geteilt. Während der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, den Osteuropäern ein Wirtschaftswunder und der Alt-EU den Niedergang prophezeit, regiert anderswo Skepsis. Die Financial Times Deutschland zählte in ihrer Ausgabe zum 1. Mai auf: Trotz niedriger Lohnkosten erleben Polen, Tschechien und Ungarn permanent kleinere Krisen, die EU-Quote im Export erreicht in diesen Ländern schon seit Ende der 90er Jahre 70 und mehr Prozent, gemessen an der jeweiligen inländischen Wirtschaftsleistung machen die Exporte in den drei Ländern 80 bis 90 Prozent aus. Mit anderen Worten: Anders als beim Beitritt Spaniens und Portugals ist da nicht mehr viel zu steigern. Die großen Privatisierungen sind vorbei und damit auch der Höhepunkt der Investitionen. Die FTD schreibt: »Vergangenes Jahr brachen die Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa sogar um rund 50 Prozent ein. Aus Deutschland kam netto kaum noch Geld.« Trotz des angeblich massenhaften Abwanderns deutscher Firmen nach Osteuropa wird Polens Arbeitslosenquote in diesem Jahr 20 Prozent erreichen, das ostdeutsche Niveau, vier Punkte mehr als 2000. Zweistellige Raten haben auch die baltischen Staaten und die Slowakei, in deren östlichem Teil die hundertprozentige Arbeitslosigkeit unter den dort ansässigen Roma gerade mit drastischer Kürzung der Sozialhilfe beantwortet wurde. Diese Länder exportieren beispielsweise nach Asien nicht viel, dafür werden sie in Fernost in der Billigproduktion unterboten und importieren zunehmend. Stabile Entwicklung sieht anders aus. Vor diesem Hintergrund war es verständlich, daß am 1. Mai niemand an die erste EU-Osterweiterung am 3. Oktober 1990 erinnerte, als die DDR »beitrat«. Mehr als ein Niedriglohngebiet ohne Perspektive und ein Absatzmarkt mit äußerst begrenzter Kaufkraft ist daraus nicht geworden. Die mittlere Generation ist massenhaft abgewandert. Die »Vereinigung« war ein Anschluß wie auch das, was sich am 1. Mai vollzog. Es ist eine krisenanfällige Region, die sich die EU einverleibt hat – zu einem Zeitpunkt, da der Nimbus von Wohlstand und Sicherheit, den die alte EU hatte, bröckelt. Neben den anstehenden sozialen Umbrüchen wie der Verdrängung von über zwei Millionen polnischen Bauern aus ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit dürfte entscheidend sein: Die kulturellen und sprachlichen Hürden zwischen neuen und alten EU-Ländern sind höher als bei früheren EU-Erweiterungen. 60 Prozent der Westdeutschen, besagte kürzlich eine Umfrage, waren noch nie in der Ex-DDR oder interessieren sich gar nicht für sie. Die Kenntnis osteuropäischer Sprachen in Westeuropa geht gegen Null. Die sogenannte europäische Integration wird weitgehend unter Mißachtung von Mentalitäten und Meinungen vollzogen. Nach dem Scheitern der Vereinigung beider Teile Zyperns titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: »EU bekommt nur ein halbes Zypern«. Das war Klartext: Es geht um Landnahme, um ein imperiales Projekt. Der Brocken könnte aber im Hals steckenbleiben. Arnold Schölzel ist Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt.
Erschienen in Ossietzky 10/2004 |
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