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Im Jahr 2003 von der Künstlerin Mona Hatoum geschaffen. Als Palästinenserin wurde sie 1952 im Libanon geboren und lebt seit 1975 in London. Hamburg zeigt nun erstmals Mona Hatoums Werk in Deutschland, etwa 60 Installationen und auf Video dokumentierte Performances. In einer Diskussion mit Edward Said über Heimat und Exil sah Hatoum »die ganze Welt als ein fremdes Land«, auch die Heimat sei ein Exil. 1986 veranstaltete sie für die Expo in Vancouver eine Performance. Die Expo stand unter dem Motto »Die ganze Welt ist ein großes Dorf«. In einem Keller fand sie alte Schilder mit Ländernamen. Die baute sie hinein in ein Gewirr von Stacheldraht, das sie barfüßig zu übersteigen versuchte. Immer, wenn sich ihr Rock verfing und sie den Draht berührte, erschütterte ein lautes Geräusch den ganzen Konferenzraum. An der Grenze ein Fußabtreter. In großen Lettern begrüßt er: »Welcome«. Nicht Kokos, sondern spitze Stahlstifte sind das Material. »Negotiating Table« (Der Verhandlungstisch) ist 1983 entstanden. Im dunklen Raum, nur von einer Glühbirne beleuchtet, ein Tisch und leere Stühle. Auf dem Tisch liegt die Künstlerin, reglos, eingehüllt in blutbesudelte Kunststoffhaut. Ihr Kopf in Verbände gewickelt. Nichts bewegt sich. Im Raum tönen Nachrichten über den Krieg im Libanon, Reden von westlichen Politikern über Frieden werden aufgetischt. Die Zuschauer stehen ratlos herum, weichen bis an die Wand zurück, zur Untätigkeit verurteilt. Vier Gouachen variieren das Thema. Auf den Stühlen drei Männer, die den Menschen auf dem Tisch, dem Verhandlungstisch, verzehren. Sie zerteilen, zerstückeln den Körper, verleiben ihn sich ein. Figuren wie von George Grosz gemalt, jeder reißt sich ein Stück heraus. Ähnlich in dem Video, das übersetzt heißt: »Variationen über Uneinigkeit und Aufteilungen«, auf großer Leinwand zu sehen. Hier schneidet sich die Künstlerin, in schwarzem Overall mit Strumpfmaske, in einem zeitungsverklebten Raum Fleischstücke aus dem eigenen Körper – so scheint es –, zerteilt diese und serviert sie auf Tellern den Zuschauern. Oder wirft sie weg. Der Körper, der Organismus – eine Landschaft, ein Land. Für Mona Hatoum ist es eine Obsession, das darzustellen, auch in ihren Installationen. Auf dem Boden ausgebreitet ein Puzzle aus gleichmäßig großen hautfarbenen Seifenstücken. »Nablus-Seife«, aus Olivenöl und Pottasche hergestellt. Mit winzigen roten Glasperlen hat sie ein Muster, eine Landschaft hineingedrückt. Die Installation, 1996 in Jerusalem entwickelt und auch ausgestellt, nannte sie »Present Tense«, was viele Bedeutungen in sich birgt. Die feinen Linien zeigen ein völlig zerstückeltes Gebiet, was nach dem Osloer Abkommen 1993 für Palästina vorgesehen war. Present tense: gegenwärtige Spannung, spannungsgeladenes Geschenk. Die Video-Installationen »Deep Throut« und »Corps Etranger« lassen den Körper als Landschaft in ganz anderer Art erfahren: auf einer Fahrt durch das Körperinnere. Wer sich ahnungslos an den weißgedeckten Tisch setzt und auf den Teller schaut, sieht als Speise das Fleisch des Körpers. Ein Video zieht ihn hinein in die Schlünde des Unbekannten. Oder das Geheimste wird öffentlich zur Schau gestellt, so wie im »Jardin public« die Schamhaare auf einem Stuhl. Die Künstlerin verwebt die einzelnen zarten Haare, das hauchfeine Gewebe gleicht aber einem Gefängnisgitter. Die große Installation »Light Sentence« besteht ganz aus Gittern. Auf den ersten Blick minimalistisch. Metall-Käfige, für Menschen zu klein. Eine Glühbirne, die sich von der Decke zum Boden bewegt, läßt riesige Schatten entstehen, die Assoziationen zu Kerkern aufdrängen. Was hat ein eisernes Kinderbett mit einem Folterinstrument zu tun? Es ist bespannt mit messerscharfen Drähten anstelle der Matratze. Ein Rollstuhl, ganz aus Metall, auch er verletzt, nicht den Behinderten, sondern den, der ihn schiebt. Die unsichtbaren Verletzungen, nach außen projiziert, machen unangreifbar, werden zu einer Waffe. Die Griffe sind wie Dolche geformt. Soldaten formieren sich zum Unendlichkeitszeichen, Spielzeugkämpfer, die sich gegenseitig das Gewehr in die Hüfte stoßen. Für die Kuppel der Hamburger Kunsthalle wurde eine Video-Installation geschaffen. Straßen, Häuser, der Hauptbahnhof, Autos, Menschen und alle Geräusche, Stimmen – nach innen projiziert, alles unter Beobachtung. Keine Utopie mehr heute: Realität. Alles unter Strom führt die Installation «Homebound« vom Jahr 2000 vor. Alle Küchenmöbel und Geräte, Eisenbetten, Kleiderständer, ein Vogelbauer, selbst Kinderspielzeuge sind angeschlossen an kupferne Drähte, stehen unter Spannung. Ein Summen und Knistern macht das auch akustisch deutlich. Der Besucher ist von diesem Folterraum, der sonst ganz normal wirkt, durch stromführende Drähte getrennt. Mona Hatoum verwandelt selbst ganz gewöhnliche Küchengeräte zu drohenden Ungeheuern. Überlebensgroße Reiben werden zu Menschenhobeln. Auf dem Katalog ist außen die Struktur einer Reibefläche abgebildet – das repräsentiert den Inhalt.
Die Ausstellung ist noch bis Ende Mai in der Hamburger Kunsthalle, danach vom 17. Juni bis 29. August im Kunstmuseum Bonn zu sehen. Katalog im Hatje Cantz Verlag, 144 Seiten, 19 Euro.
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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