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Während auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst kein Bundeswehrstand zu sehen war, stellte die Leipziger Messeleitung im März den größten Stand auf der Messe erneut der Bundeswehr für ihre Agitation und Propaganda zur Verfügung, und zwar bewußt in unmittelbarer Nachbarschaft von Jugendbuch- und Comic-Verlagen. 2003 konnten die Proteste von Messebesuchern, Buchhändlern, Verlegern und Schriftstellern gegen den militärischen Mißbrauch der Buchmesse noch friedlich ablaufen. Doch in diesem Jahr hatte die Messeleitung vorgesorgt. Zum Einsatz kamen die Paramilitärs des Bundesgrenzschutzes sowie zivil verkleidete Feldjäger. Die Feldjäger des Standorts Leipzig verfügen über einen besonderen Ehrenstandpunkt. Der Satiriker Wiglaf Droste hatte 1999 anläßlich des rüden Vorgehens von Feldjägern gegen Frauen, die durch Nacktheit das Gelöbnistheater der Bundeswehr in Berlin störten, eine Begriffsbestimmung versucht. »Feldjäger«, so definierte er damals, »erkennt man an ihrem Waschbrettkopf. Man fragt sich, was passiert sein muß, daß einer, der doch wahrscheinlich als Mensch geboren wurde, so etwas werden kann: ein Kettenhund.« Der Kommandeur des Leipziger Feldjägerbataillons fühlte sich durch diese Beschreibung beleidigt und zeigte Droste an (der zu einer Geldstrafe mit »Bewährung« verurteilt wurde). Auch das große Dudenwörterbuch der deutschen Sprache definiert »Kettenhund« als »Angehöriger der Feldgendarmerie«. Es fügt dem Begriff das Attribut »abwertend« hinzu, aber noch gibt es kein Gesetz in diesem Land, das die Abwertung von Feldjägern, die sie redlich verdient haben, verbietet – und der Leipziger schon gar nicht. Die Feldjäger oder die Feldgendarmerie war eine der brutalsten Truppen der Wehrmacht, nicht nur gegen den sogenannten Feind, vor allem auch gegen die eigenen Soldaten. Wer etwas abseits der Truppe von den Kettenhunden – daher der Name – erwischt wurde, stand schnell an der Wand. Für die Feldjäger der Bundeswehr sind die Feldjäger der Wehrmacht Vorbild. »Wir bewahren die Tradition der Feldjäger und schreiben die Tradition der Feldjägertruppe in der Bundeswehr fort«, gelobt die Kameradschaft der Feldjäger in Sonthofen. Auf der 1934 von den Nazis errichteten »Ordensburg« Sonthofen, deren Turm noch immer hoch über die Stadt ragt, haben die Feldjäger heute eine ihrer Zentralen. Bis 1945 diente diese Ordensburg als »Adolf-Hitler-Schule« der Produktion ideologisch einwandfreien Kanonenfutters, dann zog die Bundeswehr ein. Die Feldjäger haben dort auch ihren – so nennen sie das – »Ehrenhain« für Wehrmachts- und Bundeswehr-Feldjägereinheiten gleichermaßen. Der »Geburtstag« der Feldjäger wird alljährlich am 14. November mit Reden und Fahnenabordnungen auf der Naziordensburg begangen. Zuletzt, 2003, machte Oberst Erdmann bei seiner Ansprache deutlich: Feldjäger seien leistungsfähig, innovativ und trügen so zu Lösungen neu auftretender Situationen bei. »Feldjäger – das ist nicht nur ein Name, sondern auch Programm!« Feldjäger, so betonte er, seien ein fester Bestandteil aller Bundeswehreinsätze, auch im Ausland. Er stellte auch fest, daß die beruflichen Chancen in der Feldjägertruppe noch nie so gut waren wie derzeit: »Das Netz der Feldjägerdienstkommandos im Inland ist anerkannt und wird auch weiter bestehen.« Den als Spezialisten im Ausland eingesetzten Feldjägern kündigte Oberstleutnant i.G. Grigoleit für dieses Jahr neue Ausrüstung, neue Vorschriften und neue Konzepte an. Die Beziehungen zwischen den Feldjägern in Leipzig und Sonthofen sind besonders eng. Gerade erst, zum 20. April, dem Geburtstag des Führers, lud der Feldjäger-Ortsverband Sonthofen seine Mitglieder und Freunde zur Besichtigung des Völkerschlachtdenkmals ein. Am Vorabend war ein »gemütliches Beisammensein beim Ortsverband Leipzig in der Kaserne« angesagt. Doch einen Einsatz der Kettenhunde auf einer Buchmesse hatte es bis Ende März dieses Jahres noch nicht gegeben. Daß Feldjäger gegen Bücherfreunde, Schriftsteller und Verleger losgelassen wurden, fand – ebenso wie die Tatbestand, daß der Geschäftsführer des Berliner Verlages 8. Mai, Dietmar Koschmieder, als ein Sprecher des Protests gegen den Bundeswehr-Stand an Händen und Füßen gefesselt, zu Boden gerissen und verletzt wurde (s. Ossietzky 7/04) – hauptsächlich im Ausland Beachtung. Die PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag hat inzwischen in einem Antrag von der Staatsregierung eine »lückenlose Aufklärung« des Feldjägereinsatzes auf der Buchmesse gefordert. Die Regierung soll klarstellen: über welche Erkenntnisse zu Anlaß und Gründen der Anwesenheit von Feldjägern der Bundeswehr am Stand der Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse sie verfügt; auf wessen Veranlassung und auf welcher Rechtsgrundlage zum einen Polizeibeamte und zum anderen Feldjäger der Bundeswehr zum Einsatz gekommen sind; auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Maße besagten Feldjägern der Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse Zwangsbefugnisse gegenüber Zivilisten zustehen bzw. zustanden; ob es die Staatsregierung für gerechtfertigt und hinnehmbar ansieht, daß auf einer im Freistaat Sachsen und allzumal an traditionsreicher Stätte in Leipzig stattfindenden Buchmesse das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterdrückt wird, in dessen Wahrnahme ca. 200 Verleger, Autoren und Messebesucher vor den Stand der Bundeswehr zogen, um einen Appell gegen deren große Präsenz vorzutragen, nach Disposition der Geschäftsführung der Leipziger Messe GmbH bzw. der Messeleitung unter derart massivem Einsatz staatlicher Gewalt, und welche Schlußfolgerung die Staatsregierung als Vertreterin des Freistaates Sachsen in dessen Eigenschaft als Mitgesellschafter der Leipziger Messe GmbH hieraus zieht. Eine Antwort der Staatsregierung lag bis Redaktionsschluß nicht vor. Bleibt die Frage: Will die Leipziger Messeleitung im nächsten Jahr ihre beispiellose Verachtung der Literatur fortsetzen, oder wird sie ihre Hunde an die Kette legen?
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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