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Das 216 Seiten lange Material war von der Abteilung II des Amtes für Nachrichtenwesen der Bundeswehr erarbeitet worden und enthielt unter anderem »Verhaltensregeln, um Verhaltenssicherheit in einer durch Repression und Kampfhandlungen strapazierten, zudem kulturell sehr verschiedenen Region zu erreichen«. Angefügt war auch – gewissermaßen als zusätzliche Dienstleistung für den Soldatenkunden – eine »Übersicht mit den serbischen und kroatischen Schriftzeichen und Aussprachehinweisen..., um wenigstens Namen und Ortsangaben lesen und ggf. aussprechen zu können«. Die »Verhaltensregeln« waren verhältnismäßig knapp formuliert. »Denken Sie immer daran«, so hieß es unter anderem, »daß Sie sich in einem Krisengebiet befinden. Von Ihrer Wachsamkeit hängen Ihre Unversehrtheit, das Leben und die Gesundheit Ihrer Kameraden und die Funktions- und Einsatzfähigkeit des anvertrauten Geräts ab. Melden Sie deshalb Beobachtungen und Hinweise, aber auch plötzliche Veränderungen des für Sie gewohnten Bildes, z. B. auch bei Routinefahrten, über Ihnen verdächtig erscheinende Vorkommnisse – auch im Zweifelsfall – sofort an Ihre Dienstvorgesetzten oder beim Personal militärische Sicherheit.« Die Entwicklung in den zurückliegenden fünf Jahren der Besetzung Kosovos läßt darauf schließen, daß sich die Truppe insgesamt stramm an diese Verhaltensregeln gehalten hat. Schlechter allerdings steht es um die ebenfalls in dem »Leitfaden« enthaltenen »Prinzipien des deutschen Einsatzes im Kosovo«, die auf der UN-Resolution 1244/99 beruhen. Zu ihnen gehören das »unverzügliche und verifizierbare Ende von Gewalt und Unterdrückung im Kosovo« ebenso wie die »Schaffung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes für alle Bürger des Kosovo sowie die Ermöglichung einer sicheren und freien Rückkehr aller Vertriebenen und Flüchtlinge in ihre Heimat«. Die ethnische Vertreibung von 250 000 Serben, Roma und anderen Nichtalbanern und die Zerstörung ihrer kulturellen Einrichtungen, Kirchen und Klöster in den vergangenen fünf Jahren zeugen jedenfalls nicht gerade von Prinzipientreue. Wie scharf die deutschen KFOR-Einheiten zwischen Einsatzprinzipien und Verhaltensregeln zu unterscheiden wissen, zeigte sich kürzlich während der antiserbischen Pogrome albanischer Separatisten, in deren Ergebnis 30 orthodoxe Kirchen und Klöster – viele davon wertvollstes mittelalterliches Kulturgut – sowie 350 serbische Häuser niedergebrannt, 28 Menschen umgebracht und nochmals 6000 Serben vertrieben wurden (s. »Die NATO läßt Kirchen schänden« von Hartwig Hohnsbein in Ossietzky 7/04). Allem Anschein nach haben sich die deutschen Einheiten streng an ihre »Verhaltensregeln« gehalten und sich mehr um ihre eigene Sicherheit als um die ihrer Schutzbefohlenen gekümmert und in dieser Notlage die »Prinzipien« Prinzipien sein lassen. In denjenigen deutschen Medien, die regelmäßig, so erst jüngst beim Besuch von Vorwärtsverteidigungsminister Struck im südserbischen Frontgebiet, über den selbstlosen und heldenhaften Einsatz der schwerbewaffneten deutschen Friedensbewahrer in Kosovo berichten, war über diese Prinzipienlosigkeit so gut wie nichts zu lesen. Die Informationslücke kann jedoch geschlossen werden. Um als deutscher Patriot – neuerdings ist das Wort wieder häufig im Gebrauch – nicht in den Verdacht der »Wehrkraftzersetzung« oder »Nestbeschmutzung« zu geraten, lasse ich dazu die dem deutschen Schutz Befohlenen zu Wort kommen: In Prizren, dem Zentrum der deutschen Besatzungszone, warf die die dortige orthodoxe Diözese dem KFOR-Kommandierenden, dem deutschen General Holger Kammerhof, vor, die Soldaten in dem Augenblick abgezogen zu haben, als der Pogrom begann. »Aufgrund seiner Haltung«, so klagten die Geistlichen in einer Erklärung, »zeigten die Angehörigen der deutschen KFOR außerordentliche Unfähigkeit und Mangel an Professionalität bei der Erfüllung ihres Auftrages, indem sie die völlige Vernichtung von acht Kirchen in Prizren zuließen. Trotz aller Warnungen, daß die Gewaltausbrüche vorbereitet werden, bestand Kammerhof hartnäckig auf Verringerung der KFOR-Kräfte und Auflösung der Kontrollpunkte.« Wenige Tage später stellte die Diözese fest: »Es ist noch nie geschehen, daß alle Kirchen in Prizren zerstört wurden, nicht einmal in den schlimmsten Zeiten der türkischen Herrschaft. Was die Albaner in der Zeit von Nazi-Deutschland nicht geschafft haben, das haben sie unter den deutschen Truppen der sogenannten Friedensmission getan. Deren Vertreter ließen es zu, daß das gesamte verbliebene christlich-othodoxe Erbe in einer Nacht verschwand.« Der Iguman (Abt) des Klosters Visoki Decani, Teodosije, schilderte das unterschiedliche Vorgehen der KFOR-Kommandanten: »In der italienischen Zone sind alle Klöster beschützt wie auch die Brüder und Schwestern, die darin leben. In der deutschen Zone sind dagegen alle Klöster verlassen, zerstört. So sieht die heutige Wirklichkeit in diesem Gebiet aus.« In Belgrad stellte der Kunstwissenschaftler Mileta Prodanovic fest, die Höhe des Schadens in materieller und historischer Hinsicht sei nicht zu schätzen. Er sagte: »Ich habe die Situation verfolgt, besonders die deutsche KFOR, die in Prizren stationiert ist. Sie zeichnete sich darin aus, daß es auf diesem Territorium zu den größten Zerstörungen gekommen ist.« Wie die Zerstörungen aussahen, schilderte der Rundfunk-Journalist Zivojin Rakocevic nach einem Aufenthalt in Prizren. Nach seinen Worten gibt es keinen Teil der Stadt, in dem Serben wohnten, der nicht zerstört ist: »Die Mutter-Got-tes-Kirche ist zerstört, verschwunden sind die berühmtesten Ikonen der Jungfrau Maria, der Beschützerin Prizrens, und des Heiligen Simeon. Der Glockenturm ist verbrannt, ebenso der Bischofssitz und der Hof des Bistums. Der Ortsteil in Prizren, wo die Serben lebten, ist völlig niedergebrannt, einfach die Ruine einer Stadt. Schrecklich ist das Bild im Kloster der Heiligen Erzengel. Dort ist einfach nichts übriggeblieben. Der Klosterkomplex ist völlig zerstört...« Ja, wir können stolz sein auf unsere Armee für auswärtige Angelegenheiten und ihre tüchtigen Kommandeure in Kosovo. Daß sie die Hilferufe der serbischen Minderheit überhört haben, liegt vielleicht auch ein wenig an dem eingangs erwähnten »Leitfaden für Bundeswehrkontigente im Kosovo«. Darin ist auch ein »Kurzsprachführer« für die Kontakte mit den Einheimischen enthalten – für Albanisch, nicht jedoch für Serbisch. Warum auch? Was die Serben in Kosovo sagen, ist sowieso unwichtig. Wenigstens hier soll Serbien sterbien. Übrigens: Der serbischen Regierung wird noch immer das durch die UN-Resolution 1244 eingeräumte Recht verweigert, »Militär-und Polizeipersonal« in dem zu Serbien gehörenden autonomen Gebiet Kosovo zu stationieren.
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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