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Libyen hat aufgegeben und ist dabei, seine nuklearen Installationen zu demontieren. Und wie ist es mit Israel? In den vergangenen Tagen wurde klar, daß die Amerikaner bei der Schaffung »nuklearer Optionen« Israels Partner sind. Es klärte sich mit Hilfe von Mordechai Vanunu. 18 Jahre hatte er im Gefängnis gesessen, elf davon in Einzelhaft – eine Behandlung, die er nach der Entlassung als »grausam und barbarisch« beschrieb. Als er entlassen wurde, hörte das Sicherheitsestablishment nicht auf, ihn zu schikanieren. Ihm wurden strenge Beschränkungen auferlegt. So ist ihm verboten, das Land zu verlassen, er darf sich nur in einer Stadt aufhalten, darf nicht in die Nähe von Botschaften oder Konsulaten gehen, darf nicht mit Ausländern reden, darf kein Handy benützen und nicht im Internet surfen. All diese Beschränkungen beruhen auf Notstandsbestimmungen aus der britischen Kolonialzeit, die von den Führern der jüdischen Gemeinschaft damals als »schlimmer als die Nazigesetze« verurteilt worden waren. Die Sicherheitsdienste erklären bei jeder Gelegenheit, dies sei keine Rache für die Blamage, die Vanunu ihnen zugefügt habe. Es sei auch keine weitere Verfolgung, sondern im Wesentlichen eine Sicherheitsmaßnahme. Er dürfe das Land nicht verlassen oder mit Ausländern sprechen, weil er im Besitz von Geheimnissen sei, die die vitale Sicherheit des Staates gefährdeten. Welche Geheimnisse kann aber ein Techniker nach 18 Jahren Gefängnis noch haben, wenn sich während dieser Zeit die Technologie mit Riesenschritten weiterentwickelt hat? Nach und nach wird deutlich, wovor sich das Sicherheitsestablishment wirklich fürchtet: Vanunu ist in der Lage, die enge Partnerschaft mit den USA bei der Entwicklung der nuklearen Rüstungsindustrie aufzudecken. Das beunruhigt Washington so sehr, daß der Verantwortliche für »Waffenkontrolle« im Außenministerium, Unterstaatssekretär John Bolton (der sich jeder Kontrolle von Waffen der USA und ihrer Satellitenstaaten widersetzt), höchst persönlich nach Israel kam. Vanunu scheint der riesigen Supermacht schweren Schaden zufügen zu können. Aber die Amerikaner wollen nicht so wie die Dame im dunklen Kinosaal erscheinen. In der kurzen Ansprache, die Vanunu direkt nach seiner Entlassung vor den Medien halten konnte, machte er eine seltsame Bemerkung: Die junge Frau, die vor 18 Jahren als Köder für seine Entführung diente, war keine Mossad-Agentin, wie allgemein vermutet wurde, sondern eine Agentin des FBI oder des CIA. Warum war es für ihn so wichtig, dies zu enthüllen? Vom ersten Augenblick an umgab etwas Seltsames die ganze Vanunu-Affäre. Mein erster Gedanke war, daß er ein Mossad-Agent sei. Alles deutete darauf hin. Denn wie konnte man die Tatsache erklären, daß es einem einfachen Techniker gelungen war, einen Fotoapparat in die geheimste, meistgeschützte Einrichtung Israels zu schmuggeln und, ohne anscheinend daran gehindert zu werden, Aufnahmen zu machen – ausgerechnet er, der als Student der Be'er Sheva Universität bekannt war, zur extremen Linken gehörte und seine freie Zeit mit arabischen Studienkollegen verbrachte? Wie konnte man ihm erlauben, mit Hunderten von Photos das Land zu verlassen? Wie konnte er zu einer britischen Zeitung gelangen und britischen Wissenschaftlern Material übergeben, das sie davon überzeugte, daß Israel 200 Atombomben hatte? Ist das nicht absurd? Aber es ist logisch für den, der vermutet, daß Vanunu von Anfang an im Auftrag des Mossad handelte. Seine Enthüllungen gegenüber der britischen Zeitung verursachten der israelischen Regierung nicht nur keinen Schaden, im Gegenteil, sie stärkten Israels Drohpotential ohne Zutun der Regierung, die weiterhin in der Lage war, alles abzuleugnen. Was folgte, verstärkte nur diese Vermutung. Während er in London war und wußte, daß ein halbes Dutzend Geheimdienste jede seiner Bewegungen beob-achtete, begann er eine Affäre mit einer fremden Frau, wurde dazu verführt, mit ihr nach Rom zu kommen, wo er gekidnappt und nach Israel transportiert wurde. Kann eine vernünftige Person in solch eine primitive Falle geraten? Nein, das alles schien nichts anderes als ein klassisches Täuschungsmanöver. Aber als die Geschichte weiterging und die Einzelheiten der jahrelangen täglichen Mißhandlungen des Mannes bekannt wurden, mußte ich eine solche Theorie aufgeben. Ich mußte mich der Tatsache stellen, daß unsere Sicherheitsdienste noch dümmer waren, als ich vermutet hatte, und daß all dies tatsächlich geschehen war und daß Mordechai Vanunu eine aufrichtige, idealistische, wenn auch ziemlich naive Person war. Seine Persönlichkeit ist zweifellos von seinem familiären Hintergrund geprägt. Er kommt aus einer kinderreichen Familie, der es in Marokko einigermaßen gut gegangen war. In Israel lebte sie in einem primitiven »Übergangslager«, dann in armen Verhältnissen in Be'er Scheva. Trotzdem gelang es ihm, an die Universität zu kommen und seinen Magister zu machen. Eine Leistung. Er litt aber anscheinend an der anmaßenden Haltung und den Vorurteilen seiner aschkenasischen Kollegen. Diese Erfahrung führte ihn in extrem linke Kreise, wo solche Vorurteile nicht herrschten. Die vielen »Sicherheitskorrespondenten« und anderen Kommentatoren, die an den Eutern des Sicherheitsestablishments hängen, haben schon verbreitet, daß Vanunu »alle möglichen Dinge phantasiert«, von denen er selbst überzeugt sei, was von der langen Einzelhaft komme. Nun neige er dazu, »alle Arten von Märchen zu erfinden« – womit wohl die amerikanische Verbindung gemeint ist. Vor diesem Hintergrund kann man plötzlich all die scharfen Beschränkungen verstehen, die sich auf den ersten Blick idiotisch ausnehmen. Die Amerikaner jedenfalls sind sehr beunruhigt. Die israelischen Sicherheitsdienste müssen nach ihrer Pfeife tanzen. Mit allen verfügbaren Mitteln muß verhindert werden, daß die Welt von den Lippen eines glaubwürdigen Zeugen vernimmt, daß die Amerikaner volle Partner beim Atomwaffenprogramm Israels sind, während sie behaupten, der Weltpolizist zu sein, der die Weiterverbreitung der Atomwaffen verhindert. Und die Dame schrie: »Nicht du! Du!«
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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