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Jetzt berichtet er aus seiner Vergangenheit als Berufssoldat der US-Army, aus dem Golfkrieg 1991. Donald der Panzertechniker, in einer Einheit von 20 bis 30 Panzern, beim Vorstoß auf irakisches Gebiet: »Also, du weißt nicht, wem du trauen kannst, also mußt du alles erschießen während des Angriffs. Wir rasten dann über diese Löcher. Diese Wehrpflichtigen – viele ergaben sich, aber manche kämpften, und das einzige, was uns dann übrig blieb, war, mit unseren Panzern über die Löcher zu fahren und diese Männer einfach zu zerquetschen. Da sind vielleicht 20 Männer drin, und wir überfahren sie einfach und bringen alle um und fahren weiter.« Donald, der Hausmann, dessen junge Frau mit ihrer Arbeit die Familie über Wasser hält, weil er nicht mehr kann. Donald, der wie zigtausende andere GI's aus jenem Golfkrieg traumatisiert zurückkehrte und heute, 13 Jahre später, an Alpträumen, Depressionen, Schlafstörungen leidet. General Norman Schwarzkopf und er, der Gefreite, auf einem Foto. Donald zeigt es, immer noch ein bißchen stolz. Schwarzkopf, jener Oberkommandierende, der damals, vor den laufenden Kameras der Weltpresse, nicht müde wurde zu betonen, daß die US-Armee alles tue, um Zivilisten zu schützen, unschuldige Opfer unter der irakischen Bevölkerung zu vermeiden. Donald erzählt, daß dieser Schwarzkopf über Funk einen Befehl ausgegeben habe: Keine Rücksicht auf weiße Fahnen. Weiterschießen. »Wenn man einmal anfängt, Menschen zu töten, Menschen zu erschießen, dann merkt man, daß man Leben nehmen kann, wann immer man will, und sie können dich nicht aufhalten. Und (...) das erfüllt dich mit Stärke und Macht, ultimativer Macht, vor allem, wenn der Feind unterlegen ist, wenn sie geschlagen werden, das spornt dich an, noch mehr zu töten.« Was der Krieg mit Menschen macht, mit jenen, die ihn führen auf Befehl ihrer Regierung, mit Soldatinnen und Soldaten, ohne die kein Krieg auf der Welt möglich wäre! Nach meiner Fernsehreportage über eine verzweifelte irakische Bevölkerung im Sommer vor dem jüngsten Krieg (»Besuch beim Feind – Eine Reise durch den Irak«), nach der Dokumentation über den christlichen Widerstand gegen diesen neuen Irak-Krieg (»Wer zum Schwert greift – Die Christen und der Krieg«) will ich nun sie kennenlernen und zu Wort kommen lassen, die Uniformierten, die häufig ein Leben lang unter ihren Kriegserlebnissen leiden: »Gebrochene Helden – US-Soldaten nach den Kriegen im Irak«. Aus dem Vietnam-Krieg kehrten 35 Prozent der Soldaten, die in Kämpfe ver-wickelt waren, psychisch traumatisiert zurück, nahezu 70 Prozent litten an seelischen Störungen. Nach dem Golfkrieg 1991 wurden über 50 000 US-Soldaten psychisch krank, Störungen wurden bei einem Drittel der über 500 000 eingesetzten Soldaten festgestellt. Im jetzigen Krieg gegen den Irak deutet alles auf erheblich höhere Zahlen hin: Unter den US-Truppen im Irak häufen sich die Selbstmorde. In der Statistik der aus medizinischen Gründen Evakuierten stehen jene mit psychischen Problemen an zweiter Stelle, gleich hinter den Verletzten durch Bomben und Granaten. Die US-Armee veranstaltet Selbstmord-Präven-tionsprogramme, schickt Psychologen und Kaplane ins Kampfgebiet. Jedem, der Probleme habe, werde geholfen, verspricht sie. Probleme hatte George Pogany, ein junger Soldat, der am ersten Tag seines Einsatzes im Irak miterleben mußte, wie Amerikaner einen Iraker in zwei Teile schossen. Pogany bat um Hilfe, mehrfach. Die US-Armee schickte ihn nach Hause und gab ihm eine Anklage wegen Feigheit vor dem Feind mit – die inzwischen, nach großem Medienwirbel, zurückgenommen wurde. In Washington gibt es ein Zentrum für Gewissen und Krieg, eine von Kirchen getragene Organisation zur Beratung von Soldaten, die die Armee aus Gewissensgründen verlassen wollen. Seit Beginn des jüngsten Krieges vor gut einem Jahr hat sich die Zahl der Hilfesuchenden verdoppelt: 4000 Anrufe oder E-Mails pro Monat. Hier treffen wir einen 19jährigen New Yorker. Sein Bericht aus dem jetzigen Krieg und der des Golfkriegsveteranen Donald gleichen sich: »Ich komme durch Städte, und die Leute kämpfen, weil sie ihre Familie verteidigen, aber sie werden einfach niedergemäht, und ich seh' all diese Leichen. Und diese Frauen und Kinder, die ihre toten Männer, Väter und Brüder abholen, zurücktragen und beerdigen. Ich persönlich habe niemanden erschossen, aber all diese Leute zu sehen, wie sie diese Leichen abholen. Ich fühlte mich schuldig. (...) Ich trage die gleiche Uniform, ich bin da. Ich fühlte mich schuldig.« Wie er seine Erfahrungen seelisch verarbeiten wird, läßt sich noch nicht absehen. Die ganze Wucht der Traumatisierung trifft häufig Jahre später. Am besten können die Veteranen von 1991 darüber Auskunft geben. Venus Hammack, die 48jährige Mutter von vier Kindern, die schwarze Muslimin aus Mount Jackson in Virginia, hatte noch nie in ihrem Leben so viele Leichen wie im Golfkrieg gesehen, verstümmelte, durch amerikanische Bomben bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Körperteile: »Meine Alpträume kamen nach und nach – erst kurze Alpträume, die ich abschüttelte, dann kamen längere, und ich hatte das Gefühl, die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben, und dann kam ich an einen Punkt, an dem ich Angst vorm Schlafen hatte.« Cory Shaw aus New Orleans in Louisiana, die Mitglied der Marines war, der berüchtigten Ledernacken, und als LKW-Fahrerin Berge von, wie sie sagt, toten Kindern abtransportieren mußte, 16-, 17jährige tote irakische Soldaten, erlebt Panikattacken nach ihrer Rückkehr, sucht nach einer Waffe, als sie plötzlich einen Araber in einem amerikanischen Geschäft sieht, leidet unter plötzlichen Aggressionsschüben: »Ich hab' richtig Angst gekriegt, weil es Zeiten gab, da wollte ich jemanden umbringen...« Und Donald, der vor dem Krieg in seiner Arbeit als Berufssoldat einen ehren-vollen Job sah, Freiheit und Demokratie verteidigen wollte, Donald sieht seine persönliche Rechtfertigung jetzt, nachdem immer mehr Lügen der US-Regierungen enthüllt worden sind, restlos zusammengebrochen: »Ich begann zu denken, daß dieser Krieg vielleicht falsch war, und dann dachte ich, du liebe Zeit, wenn dieser Krieg unrecht ist, dann habe ich zu Unrecht gemordet, und ich hab' das mit viel Energie getan (...). Also änderte sich alles, wissen Sie, die haben mich zum Mörder gemacht.« Die traumatisierten Soldaten verstehen nicht, was mit ihnen passiert, wissen oft nicht, daß sie an einer ernstzunehmenden seelischen Krankheit leiden, an post traumatischer Belastungsstörung. Sie verlieren jedes Selbstvertrauen, weil sie einfach nicht mehr funktionieren. Verstärkt wird das durch mangelndes Verständnis nach ihrer Rückkehr in die USA. Berichte über den Golfkrieg gab es zwar rund um die Uhr, aber die Berichte waren zensiert: Kaum Tote, kaum Verwundete. Die US-Propaganda verbreitete das Bild von einem sauberen Krieg. Cory mußte sich anhören, daß sie ja alle im Freizeitcamp gewesen seien... Donald, Cory und Venus sind heute unfähig zu arbeiten, überstehen den Tag nur mit Hilfe von Pillen. Donald und Venus haben mit der Zeit zusätzlich zu ihren psychischen Beschwerden immer mehr organische: Gelenkschmerzen, Migräneanfälle, Asthma, Allergien, die sie auf Impfstoffe der Armee, auf brennende Ölquellen, auf Kontakt mit Munition aus abgereichertem Uran zurückführen. Alle haben sich in Veteranen-Hospitälern um Entschädigung bemüht. Die gibt es, wenn ein Zusammenhang ihrer Beschwerden zum Krieg anerkannt wird. Donald erhält 103 Dollar im Monat für kriegsbedingte Kopfschmerzen – anerkannt zu zehn Prozent. Cory wurde mehrfach ganz abgewiesen, bei Venus wird hauptsächlich die Traumatisierung anerkannt, für die meisten organischen Folgebeschwerden will niemand verantwortlich sein. Cory heute, bitter enttäuscht und verzweifelt: »Ich fühl' mich einfach, als hätten sie mich weggeworfen, o.k., wir haben dich gebraucht, du hast deine Arbeit getan, jetzt geh' weg. Als hätten sie mich benutzt.« Donald, entsetzt über seine eigene Naivität, seinen früheren Glauben an die Regierung: »Meiner Meinung nach habe ich meinem Land überhaupt nicht gedient. Was ich getan habe: Ich hab' ein paar Männern gedient, die Profit gemacht haben.« Und Venus? Venus hat zwei erwachsene Kinder in der Armee, die jederzeit in den Irak abkommandiert werden können. Immer wieder hat sie versucht, die Kinder zum Austritt aus dem Militär zu bewegen – bisher vergeblich: »Sie sind auf die Propaganda her-eingefallen, auf die Werbekampagne, daß sie eine Ausbildung erhalten, ein bißchen mehr Geld verdienen, die Welt sehen würden. Wie vielen anderen ist ihnen nicht klar, daß ihr Job letztendlich der Krieg sein wird. Sie verdrängen das.« Sie selbst habe das auch verdrängt bei ihrem Eintritt in die Armee, sagt Venus. Heute ist sie klüger. Aber heute sind kranke Menschen wie sie für die US-Armee ohnehin nutzlos geworden, die Rekrutierer haben es auf die 17-, 18jährigen abgesehen, denen das Militär häufig die einzige Chance einer College-Ausbildung gibt. Die US-Regierung will ihre Truppen im Irak verstärken. An mangelndem Nachschub wird das vermutlich nicht scheitern.
Ingelis Gnutzmann, freie Fernsehjournalistin, arbeitet für den Westdeutschen Rundfunk / ARD
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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