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Seit den achtziger Jahren erlebt Daimler jetzt die dritte Metamorphose. Scheinbar scheiterten alle drei. Bei genauerem Hinsehen hätte es jeweils heißen können: »Mission accomplished – Auftrag erfüllt«. 1984 lag der Umsatz von Daimler-Benz weltweit bei 43,5 Milliarden Mark; das Unternehmen zählte 230 000 Beschäftigte. Damals begann unter dem Konzernchef Edzard Reuter eine, wie es die Süddeutsche Zeitung nannte, »fast aggressiv zu nennende Aufkaufpolitik«: Binnen weniger Jahre wurden die Rüstungs- und Elektronikunternehmen MTU, Dornier, AEG und MBB übernommen. Kurz darauf stieg Daimler-Benz auch als Anteilseigner beim Airbus-Unternehmen ein. Nun sprach man vom »Technologie-Konzern«; der Umsatz lag 1990 bei 85 Milliarden Mark, doppelt so hoch wie fünf Jahre zuvor. In der Wirtschaftspresse kam zunächst scharfe Kritik an der Konzernpolitik auf. Die Aufkäufe kosteten viel Geld, rund drei Milliarden Mark, und die Neuerwerbungen brachten jahrelang keine größeren Gewinne; Anfang der neunziger Jahre mündete das »Projekt Technologie-Konzern« in gewaltige Verluste. Helmut Maier-Mannhart kritisierte in der Süddeutschen das »aggressive« Vorgehen mit den Worten: »Das, was früher einmal einen Unternehmer ausgezeichnet hat, nämlich die Suche nach neuen Produkten und neuen Märkten in eigener Initiative, gerät ins Hintertreffen.« Doch am Ende dieser Periode konnte »mission accomplished« gesagt werden, weil es um höhere Ziele ging, um die Zusammenführung einer nationalen Rüstungsindustrie unter dem Dach eines Konzerns, der in der NS-Zeit bereits eine vergleichbare Rolle gespielt hatte; als Großaktionärin war seit den 1920er Jahren die Deutsche Bank die lenkende Hand gewesen, und immer hatte die Politik eifrig mitgewirkt. In den 1980er Jahren war es der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth, der sich für den »Umbau Daimlers zum Technologie-Konzern« abrackerte – und laut Bericht des Späth-Untersuchungsausschuss bis zum Jahr 1987 »mindestens 26mal mit Daimler-Jets« durch die Welt geflogen wurde. Mitte der 1990er Jahre, nun mit Jürgen Schrempp an der Spitze, begann eine neue Metamorphose. Sie war gekennzeichnet durch verbale »Abkehr vom Technologie-Konzern«, durch radikale Kapitalzerstörung (Ausstieg aus dem aufgekauften Flugzeug-Werk Fokker und dessen Vernichtung 1996) und durch die Verbindung mit der damals hochprofitablen Nummer drei der US-Autohersteller, Chrysler Corp. Die Daimler-Chrysler-Connection wurde 1998 als »merger of equals«, Verbindung von Gleichberechtigten, gefeiert. Bob Eaton (Chrysler) und Schrempp präsentierten sich als »gleichberechtigte Konzernchefs«. DaimlerChrysler erreichte mehr als 200 Milliarden Mark Umsatz, zählte mehr als 400000 Beschäftigte und war kurzzeitig größter Industriekonzern der Welt. Der Spiegel wußte zu berichten, daß »mit der Fusion eine Wirtschaftswelt entsteht, die kein Zuhause mehr kennt«. Kurz darauf setzte der Konzern das US-amerikanische Management bei Chrysler mit goldenem Handschlag aufs Altenteil, baute zehntausende Jobs in Nordamerika und Mexiko ab und installierte bei Chrysler ein schwäbisch-badisches Management. Als dann Chrysler mehrere Jahre lang rote Zahlen schrieb, hieß es, Schrempp und sein Konzept eines binationalen Konzerns seien gescheitert. Doch wiederum konnte »mission accomplished« vermeldet werden: DaimlerChrysler ist als nationaler, aber international agierender Konzern seither stark in Nordamerika verankert (das gilt auch dann, wenn Chrysler, wie zuvor Fokker, irgendwann fallengelassen werden sollte). Die Rüs-tungsaktivitäten wurden zunächst in der Daimler-Tochter Dasa konsolidiert und dann in den ersten europäischen Konzern eingebracht: in die deutsch-französische-spanische Gesellschaft EADS. Als Jacques Chirac und Gerhard Schröder bei deren Gründung als Paten präsent waren und als die Deutsche Bank 2000 eine Schrift mit dem Titel »A Star is Born« veröffentlichte, mit der sie für EADS warb, zeigte sich erneut, daß höhere Ziele angesteuert wurden. Im März 2000 begann eine neue – noch nicht abgeschlossene – Metamorphose. DaimlerChrysler stieg bei Mitsubishi Motors mit zunächst 34 Prozent ein und übernahm 2002 dort die unternehmerische Führung; die Bildung einer »Welt-AG« wurde bejubelt. Daß MMC ein »Problemfall« sein würde, war von vornherein klar. Die Stuttgarter hätten die Chance gehabt, das weniger belastete Auto-Werk Nissan zu übernehmen. Schrempp wollte höher hinaus und überließ Nissan dem französischen Autokonzern Renault, der daraus eine Erfolgsstory machte. Anfang 2004 wurden die Pläne für eine umfassende Sanierung von MMC – unter Führung von DaimlerChrysler – publik. Die dafür erforderliche Kapitalerhöhung war an den Börsen längst in den DaimlerChrysler-Kurs eingespeist. Auf der Hauptversammlung der Aktionäre im April 2004 verteidigte Schrempp das MMC-Engagement mit dem Satz: »Bei einem operativen Problem ändern wir nicht die Strategie, sondern wir bringen das Geschäft in Ordnung.« Doch dann verlangte Schrempp im Poker mit den japanischen Großaktionären, sie sollten den Großteil der Kapitalerhöhung tragen. Als sie paßten, kam am 23.4. per Fax aus Stuttgart die Mitteilung an MMC: DaimlerChrysler trägt keinen einzigen Euro bei. Das Konzern-Management ließ MMC fallen wie 1996 Fokker. Und wieder heißt es in den Medien, Schrempp sei gescheitert. Was aber zählt, ist dies: Die Deutsche Bank in Person von Hilmar Kopper nickte Schrempps Entscheidung ab. Die wichtigsten Bestandteile der werdenden »Welt-AG« bleiben erhalten: Über das MMC-Engagement konnte sich DaimlerChrysler im Juli 2000 mit 10,5 Prozent bei dem einzigen in Südkorea verbliebenen unabhängigen Auto-Werk, Hyundai, einkaufen. Kurz vor dem Krach bei MMC gliederte DaimlerChrysler dort die Lastwagenfabrik Fuso, bis dahin eine hundertprozentige MMC-Tochter, aus und übernahm die Aktienmehrheit des neuen Unternehmens Fuso Bus & Truck. Das Fuso-Engagement ist weit wichtiger als das bei MMC, da Fuso in Japan einen Marktanteil von 30 Prozent hat und damit dreimal so stark ist wie MMC im Pkw-Absatz. Schließlich gelang es DaimlerChrysler, über die Engagements bei MMC, Fuso und Hyundai im derzeit für den Fahrzeugbau besonders attraktiven chinesischen Markt Fuß zu fassen. Die MMC-Großaktionäre Mitsubishi Heavy und Mitsubishi Bank müssen nun entscheiden, ob sie gegenüber der Erpressung durch DaimlerChrysler kapitulieren oder einen Neuanfang – gegebenenfalls mit einem anderen internationalen Partner – versuchen. Schrempp, Kopper & Co. können sich zurücklehnen. DaimlerChrysler verbuchte 2003 einen innerhalb von 20 Jahren mehr als versechsfachten Umsatz von 136 Milliarden Euro, wobei MMC noch nicht einberechnet war, und beschäftigte 360 000 Menschen, anderthalb mal so viele wie 1984. Das kapitale Spiel von Macht und Ausbeutung geht weiter. Worauf es ankommt, formulierte ein Schrempp-Mitarbeiter so: »Es gibt Momente, wo von den anderen nicht genug zur Party mitgebracht wird.«
Erschienen in Ossietzky 9/2004 |
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