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Doch dieses Buch, nicht in einem als rechtsextremistisch verrufenen Verlag erschienen (Olzog, München), geht in die zweite Auflage, und der Autor wird von Veranstaltung zu Veranstaltung gereicht, wo er ein dankbares Publikum findet. Nein, nicht nur dankbar ist das Publikum, sondern auch streitbar. Wirft jemand dem Autor vor, seine These sei wissenschaftlich nicht haltbar, springt es ihm eifrig bei und schreibt schier haufenweise Leserbriefe. So kürzlich in Rotenburg an der Wümme, wo die Debatte um einen Vortrag des Generalmajors a. D. Gerd Schultze-Rhonhof bei einer Heimatvertriebenen-Tagung sogar den Kreistag erreichte. Ein Serientäter. Erstmals erregte er Aufsehen, als er noch bei der Bundeswehr aktiv war. Damals verglich er das Bundesverfassungsgericht mit dem Volksgerichtshof, weil die Karlsruher Richter den Tucholsky-Satz »Soldaten sind Mörder« unter den Schutz der Meinungsfreiheit gestellt hatten. Der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe gab ihm daraufhin den Abschied. Das Buch machte solche Furore, daß sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung Anlaß sah, es zu rezensieren und zu verreißen. Die Welt schrieb in einem Abriß über neuere geschichtsrevisionistische Literatur, mindestens so verbreitet wie direkt antisemitische Geschichtsmythen seien in rechtsextremistischen Kreisen Behauptungen, Hitler sei gewissermaßen in den Krieg »gezwungen« worden. Der ehemalige Bundeswehrgeneral Schultze-Rhonhof zum Beispiel mache in seinem Band »1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte« gleich sechs Staaten für den deutschen Angriff auf Polen verantwortlich. Tatsächlich bastelt der Ex-General aber auch an antisemitischen Mythen. So behauptet er, in den Jahren von 1933 bis 1938 hätten »557 000 Juden ihr polnisches Heimatland verlassen und Zuflucht im benachbarten Deutschland« gesucht; und er wiederholt: Es »strömen 557 000 polnische Juden von Ost nach West, um in Deutschland den Verfolgungen in Polen zu entkommen.« Nazi-Deutschland als Zufluchtsort für Juden – damit kommt Schultze-Rhonhof nicht nur bei einem Treffen des Kameradenverbands des ehemaligen 1. SS-Panzer-korps gut an, sondern erhält konsequenterweise auch Beifall von der NPD, die das Buch in ihrer Mitgliederzeitung Deutsche Stimme wohlwollend besprach. Schultze-Rhonhof ist übrigens Mitgründer der »Arbeitsgemeinschaft ›Stimme der Mehrheit‹«, der auch Martin Hohmann angehört, und als Interviewpartner bei der Jungen Freiheit beliebt. Mögen auch Schultze-Rhonhof und seine Verteidiger für ihre Versuche der Geschichtsklitterung die grundgesetzlich und höchstrichterlich verbürgte Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, diese Toleranz kann nicht mehr gelten, wenn derlei Fälschungen zur offiziellen Politik einer Stadt werden. So geschehen unter seiner tätigen Mitwirkung an Schultze-Rhonhofs Wohnort Buxtehude. Während man in Berlin mit den Bauarbeiten für das Holocaust-Mahnmal begann, wurde am ehemaligen Arbeitsplatz des Ex-Generals, der 1994 aufgelösten Estetalkaserne, ein Gedenkstein für Kriegsverbrecher aufgestellt, der an ein Ereignis erinnern soll, das womöglich nie stattgefunden hat. Am 22. April 1945 nahm die britische Armee Buxtehude ein. Die genauen Vorgänge sind nicht geklärt. In der Stadt kursiert die Legende, es habe sich um eine »kampflose Übergabe« gehandelt. Bereits anno 2000 beschloß der Stadtrat die Aufstellung eines Mals, das auf einem neu benannten Friedensplatz an die Friedensliebe der Wehrmachtsoffiziere der letzten Stunde erinnern soll. Eine historische Dokumentation war nie vorgesehen, denn dann hätte man die vorliegenden Quellen kritisch würdigen und sich um naheliegende neue bemühen müssen. Was man hat, sind drei schriftliche Zeitzeugenberichte, Darstellungen zweier Militärs und des NS-Bürgermeisters. Zwei Berichte entstanden 1953, als man im Rathaus offenbar schon einmal daran dachte, das Ereignis zu würdigen – und Abstand davon nahm. Genaue Hintergründe, wie es zu den Berichten kam und weshalb man sie damals abfragte, wurden nicht geklärt. Man machte auch keine Anstalten, nach britischen Quellen zu suchen. Dann hätte man erfahren, daß bei der »kampflosen Übergabe« die Kinder einer Hitlerjugend-Einheit in Stellung gebracht worden waren. Der dritte Bericht ging 1988 unaufgefordert im Rathaus ein. In dieser Darstellung ist ausdrücklich von Kampfhandlungen die Rede. Der Stadtrat – alle politischen Parteien ohne zu rühmende Ausnahme – weiß schon auf die simpelsten Fragen nach dem Hergang keine Antwort. Wer hatte das Kommando in der Kaserne? In der einen Version ist es Konteradmiral Siegfried Engel, in der anderen Kapitän zur See Alexander Magnus. Wer auch immer es war, Kriegsverbrecher waren beide. Engel ist verantwortlich für mindestens 54 Todesurteile gegen vermeintliche Deserteure in Wilhelmshaven. Noch am 27. April 1945, nachdem er in Buxtehude längst die Waffen gestreckt hatte, wurde in Wilhelmshaven der 30jährige Matrose Heinrich Schoon erschossen – wegen Fahnenflucht. Das Urteil hatte am 16. März ein Marinegericht unter Engels Vorsitz gefällt. Alexander Magnus war an Geiselerschießungen und der Deportation von Juden in Griechenland beteiligt. Der Gedenkstein war schon feierlich enthüllt, als das Rathaus einen halben Rückzieher machte. Journalisten hatten recherchiert, was die Stadtverwaltung zu überprüfen für überflüssig hielt. Die Plakette, auf der Engel und Magnus namentlich erwähnt waren, wurde abmontiert. Inzwischen bekräftigte das Rathaus jedoch den Willen zum Gedenken. Das sagenhafte Ereignis selbst soll weiterhin unerforscht bleiben. Wenn die historischen Tatsachen der Beliebigkeit ausgeliefert sind, kann die NS-Epoche willkürlich umgedeutet werden: Hitler hat den Krieg nicht angefangen, und die Offiziere, die ihn fast sechs Jahre lang führten, waren in Wahrheit friedliebend. »Opa war kein Mörder« skandieren die Neonazis. So ist es, pflichten ihnen der Ex-General und der Stadtrat von Buxtehude bei: Opa war ein Friedensheld.
Erschienen in Ossietzky 8/2004 |
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