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Der Arbeitgeber Staat geht voran: In Bayern will er 42 Stunden in der Woche arbeiten lassen, in Nordrhein-Westfalen 41 – mit der Verheißung, so könnten 100 000 Stellen weggespart werden. Ähnliche Meldungen ließen sich beliebig auflisten. Der Wahnsinn hat Methode. »Experten« der Deutschen Bundesbank verlangen von den Regierungen, mehr »Effizienzreserven zu erschließen«, Ausgaben könnten »am ehesten durch weiteren Personalabbau begrenzt werden« ( Frankfurter Rundschau 16. 3. 04 ) Das Wegstreichen von 1,5 Millionen Stellen im öffentlichen, gemeinwirtschaftlichen Sektor seit 1990 ist also noch nicht weit genug gegangen, die neoliberale Medizin »Weniger Staat und mehr Markt« wirkt noch nicht richtig; private Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser bringen noch zu wenig Rendite; man muß die Dosis erhöhen, den Abbau des Sozialstaates beschleunigen ... Folglich verlangen die neoliberalen Dogmatiker aus der Bundesbank eine »Überprüfung« der Sozialleistungen, nach ihrer Meinung »scheint vor allem bei den Leistungen ... der aktiven Arbeitsmarktpolitik noch immer ein erhebliches Einsparpotential vorhanden zu sein«. Wir erinnern uns: Gerster erließ Verordnungen, Clement die Hartz-Gesetze, Hilfen wurden gekürzt, Zumutbarkeits- und Anspruchskriterien verschärft, um den Arbeitslosen Beine zu machen. Das hat die Arbeitslosigkeit nicht vermindert, im Gegenteil: Die gemeldete Zahl der Arbeitslosen lag im Februar 2004 bei 4,64 Millionen. Wenn man korrekterweise jene 400 000 mitzählte, die seit vorigem Jahr durch Leistungsausschluß und Manipulationen aus der Statistik wegretuschiert wurden, sind es mehr als fünf Millionen, also mehr als am Ende der Kohl-Ära. Tatsächlich fehlen in Deutschland sieben bis acht Millionen Arbeitsplätze. Spätestens jetzt müßte jedem, der noch nicht dem neoliberalen Wahn erlegen ist, klar werden, daß die neoliberale Medizin Wirtschaft und Gesellschaft nicht heilt, sondern sie schädigt. Wer die noch Beschäftigten zu längerer und intensiverer Arbeit bei sinkenden Löhnen zwingt und dadurch immer mehr Menschen von ordentlich bezahlter Arbeit ausschließt, verschärft die Krise. Die Binnenkaufkraft sinkt, was zu weiterem Nachfrageschwund und noch mehr Betriebsstilllegungen führen muß. Wer die menschliche Arbeitskraft mißachtet und aussperrt, beraubt die Wirtschaft ihrer eigentlichen Produktivkraft, ihres wahren Vermögens. Immense menschliche Fähigkeiten werden zum Nichtstun verdammt oder in oft sinnlosen Minijobs vergeudet. Die Quellen für den möglichen Reichtum einer Gesellschaft werden verschmutzt und zum Versiegen gebracht. Slums breiten sich aus, Kriminalität und Drogenmilieus nehmen zu, die Reichen schotten sich in ihren Vorstadtghettos ab, ihre Kinder schicken sie auf Eliteschulen, von Wachmännern begleitet. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit können unter solchen Bedingungen nicht gedeihen, sondern nur verkümmern. Deshalb muß sich die Gesellschaft endlich aus dem Wahnsystem befreien, auch wenn Springer- und andere Konzernblätter es tagein, tagaus propagieren. Die bisherigen Arzneien der Regierenden müssen als Giftmüll entsorgt werden. Eine Wirtschaft, die allen dienen soll, kann sich nur durch Förderung und gleichberechtigte Beteiligung aller entwickeln. Dafür ist der Staat als demokratischer Akteur zuständig, der dem Markt Regeln gibt und gemeinwohldienliche Ziele setzt. Der Staat muß dafür auch mehr ausgeben, nicht für Rüstung und Überwachung, sondern für Soziales, Bildung und Kultur – solidarisch und demokratisch vor Ort gestaltet. Beschäftigungspolitisch bedeutet der hier geforderte Medizinwechsel, daß Erwerbsarbeit und Entlohnung völlig anders aufgeteilt werden müssen. Per Gesetz kann und muß festgelegt werden: In einem Fünfjahresprogramm wird die 28-Stunden- und Vier-Tage-Woche eingeführt – sieben Stunden Erwerbsarbeit am Tag sind genug. Durch Arbeitsmarktgesetze und Lohnauflagen wird der volle Lohnausgleich gewährleistet. Alle, auch wenn sie bisher arbeitslos oder auf Minijobs angewiesen waren, erhalten Tariflohn. Denn Geld für die Systemänderung auf dem Arbeitsmarkt ist genug da, leider inzwischen auf den falschen Konten. Im Jahre 2003 stieg allein das Geldvermögen um 170 Milliarden Euro auf jetzt 3,9 Billionen Euro. Wäre die Verteilung zwischen Kapital und Arbeit noch die gleiche wie 1980, dann hätten im vergangenen Jahr mehr als 100 Milliarden Euro zusätzlich für Löhne zur Verfügung gestanden, denn 1980 waren 58,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf die Brutto-Entgelte der Arbeitnehmer entfallen, aber bis 2002 ging dieser Anteil auf 53,6 Prozent zurück, also um fünf Prozent. Im Jahre 2002 machten fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts 105 Milliarden Euro aus. Mit dieser Summe kann man sofort 3,3 Millionen Beschäftigte auf Vollarbeitsplätzen mit dem durchschnittlichen Jahresentgelt von 32 728 Euro entlohnen, und Milliardenbeträge fließen dann auch in die staatlichen Kassen, vor allem in die Sozialkassen. Die Sozialabgaben und damit auch die Bruttoarbeitskosten der Unternehmen würden sinken. Die Neueingestellten würden ihre bisher unerfüllbaren Konsumwünsche befriedigen wollen und damit sofort die Konjunktur beleben. An dem überfälligen Beschäftigungsprogramm können und müssen Bund, Länder und Gemeinden auch dadurch mitwirken, daß sie den zum Teil schon zerstörten öffentlichen Sektor nicht nur wiederherstellen, sondern menschenfreundlich ausbauen. Hier könnten schnell mindestens eine Million Vollzeitarbeitsplätze eingerichtet werden, um Kindergärten, Schulen, Universitäten, Jugend- und Altenheime, Theater, Schwimmbäder, Büchereien und so weiter mit dem erforderlichen Personal auszustatten. Die vermehrte Freizeit eröffnet neue Möglichkeiten für die Entfaltung schöpferischer Kräfte aller. Die anfänglichen Mehrausgaben für eine Million Vollzeitbeschäftigte im öffentlichen Sektor betragen brutto etwa 33 Milliarden Euro. Schon im ersten Jahr werden sie zu fast 90 Prozent ausgeglichen durch Minderausgaben für Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe und Wohngeld sowie Mehreinnahmen an Lohn- und Mehrwertsteuern und Beitragszahlungen in die Sozialkassen. Spätestens im zweiten Jahr wir daraus durch zusätzliche Einnahmen an Gebühren und Abgaben ein positives Geschäft für den Staat. Allein im Bereich der Finanzämter können nach Expertenschätzungen einige tausend zusätzlich eingestellte Steuerfahnder jährlich 30 bis 40 Milliarden Euro mehr eintreiben. Wenn der durch eine falsche Politik deregulierte Markt das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit derart verschoben hat, daß das Kapital wuchert und die Arbeit zerstört, wird ein radikaler Politikwechsel das demokratische Gebot der Stunde. Der menschliche Erfindungsgeist hat den Punkt erreicht, wo Produktivitätsfortschritt und Vergesellschaftung allen ein gutes Leben in Würde ermöglichen. Dieser Anspruch muß nach den europaweiten Demonstrationen vom 3. April mit gestärktem Selbstbewußtsein geltend gemacht werden.
Erschienen in Ossietzky 8/2004 |
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