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Was will eine neue Linkspartei?

Da in letzter Zeit das Gespenst einer neuen Linkspartei die Runde macht, dokumentieren wir mit freundlichen Genehmigung der Pressestelle von "Arbeit & Soziale Gerechtigkeit" - http://www.ArbeitundsozialeGerechtigkeit.de - die Erklärung der Initiatoren.

Erklärung

Die letzten Jahre, insbesondere aber die Politik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung in den letzten Monaten haben gezeigt:

Die SPD hat sich von ihren Grundsätzen verabschiedet.

Entgegen ihrer Wahlversprechen von 1998 und 2002, die sie als eine Alternative zur neoliberalen Politik der Vorgängerregierungen erscheinen ließen, hat sie sich zur Hauptakteurin des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben entwickelt.
Niemand von uns hatte erwartet, dass eine Partei mit so großer sozialer
Tradition in so kurzer Zeit zum Kanzlerwahlverein mutiert, dessen aktuelle Politikziele nahezu alles negieren, wofür diese Partei in über hundert Jahren stand.

Die Grundlage für ihre reformpolitische Aktivität und beschäftigungspolitische
Inaktivität ist nun ihr geradezu missionarisches Verständnis von gesellschaftlicher "Modernisierung" als Staatsaufgabe. Der Blick der Parteigranden auf die Gesellschaft deckt sich mit dem „regierungsamtlichen“ Blick: Verkrustungen, Reformstaus, regulative Entwicklungsbarrieren und gesellschaftliche Dinosaurier, soweit das Auge reicht. Aus dieser neoliberalen Sicht stagniert die Beschäftigung, weil die Arbeitslosen durch zu hohe soziale Unterstützung zu unflexibel geworden seien, Arbeit auch unter schlechten Bedingungen anzunehmen.

Zu hohe Gewinnsteuern würden den Unternehmen das Investieren verleiden.
Die paritätische Finanzierung einer Lebensstandard sichernden gesetzlichen
Rente schließlich zwinge die Unternehmen in ein „lähmendes Korsett gesellschaftlicher Solidarität“, hielte die Beitragszahler von der Dynamik der Finanzmärkte fern und verschließe den Finanzkonzernen lukrative Geschäftsfelder.
"Zukunftsfähig" ist eine Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung und der schärferen
internationalen Konkurrenz nach dieser Logik nur, wenn sie diese "Entwicklungsblockaden" überwindet und "Reformstaus" auflöst.
Diese Auffassung hat sich die übergroße Mehrheit der Partei offensichtlich zu eigen gemacht.

Die Regierungspolitik der SPD der letzten Monate ist gekennzeichnet durch:

- eine Arbeitsmarktpolitik, die nahezu ausschließlich den Druck auf Arbeitslose erhöht und die Ausweitung eines Billiglohnsektors ohne soziale Qualität forciert
statt durch massive Investitionsprogramme und die Umverteilung von Arbeit in Normalarbeitsverhältnisse eine dauerhafte aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben,

- eine Steuerpolitik mit eindeutiger sozialer Schieflage und massiver Umverteilung von unten nach oben,
statt auch die Wohlhabenden und Unternehmen an der Finanzierung des Gemeinwesens angemessen zu beteiligen und für eine hinreichende Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften zu sorgen,

- eine Rentenreform mit der bislang massivsten Beschädigung des bisher weit gehend paritätisch finanzierten Systems der sozialen Sicherung in Deutschland,
statt einen sozial gerechten Umbau unserer Sozialsysteme einzufordern,

- eine Gesundheitspolitik zu Lasten der Patienten und sozial Schwachen,
statt die Spitzenverdiener unseres Gesundheitssystems zu belasten und die bewährte paritätische Finanzierung auf solide neue, breitere Grundlagen zu stellen,

- eine Bildungspolitik der Eliteförderung bei gleichzeitiger Verarmung der meisten Universitäten,
statt durch eine bessere finanzielle Ausstattung aller unserer Bildungseinrichtungen Chancengleichheit und verbesserte Bildungsmöglichkeiten zu schaffen,

- das lediglich "taktische" Bekenntnis zur Tarifautonomie und der Druck auf die Gewerkschaften, ihre tarifpolitischen Errungenschaften selbst zu demontieren,
statt das Streikrecht - wie 1998 angekündigt - zu sichern und sich zur Koalitionsfreiheit zu bekennen.

Und der Weg ist - so befürchten wir - noch nicht zu Ende.

Trotz des nun geplanten Wechsels im Parteivorsitz werden die Bekenntnisse der letzten Monate vollmundig bekräftigt - kleinere "Korrekturen" und ein langsameres Tempo nur aus wahltaktischen Überlegungen angekündigt.

Wir gehen diesen Weg nicht mehr mit.

Die vielen Austritte aus der SPD und die vielen Nichtwähler der vergangenen Wahlen aus dem sozialdemokratischen Spektrum zeigen: Viele Bürgerinnen und Bürger kehren der Politik den Rücken, fühlen sich von der SPD getäuscht, aber auch von keiner anderen Partei vertreten. Wir sehen darin eine Gefahr für die Stabilität unserer Demokratie.

Nichtwählen und Rückzug in die innere Immigration ist nicht die Lösung.

Gerade weil es durch den Kurswechsel der SPD keine relevante organisierte politische Gruppierung gibt, die einen Gegenpol zum neoliberalen Umbau unserer Gesellschaft darstellt, wollen wir uns politisch engagieren und für die Verteidigung dieses Sozialstaats arbeiten.
Wir treten für ein Bündnis mit allen politischen Kräften und Personen ein, die sich für die Erhaltung und den Ausbau des Sozialstaats und für ein sozial gerecht finanziertes Gemeinwesen einsetzen.

Aus diesem Bündnis könnte eine bei der nächsten Bundestagswahl wählbare soziale Alternative entstehen. Diese mögliche Entwicklung schließen wir ausdrücklich ein.

Deshalb gründen wir die "Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit", ein offenes Bündnis zur Verteidigung unseres Sozialstaats und gerechten Gestaltung unserer Sozialsysteme.

Wir rufen auf mitzuarbeiten!

Unsere Initiative ist für alle offen, für Mitglieder etablierter Parteien genauso, wie für Menschen, die sich von ihren Parteien nicht mehr vertreten fühlen und ihren Austritt erklären wollen.

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https://sopos.org/aufsaetze/408ab4991c289/1.phtml

sopos 4/2004