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Regisseur Volker Schlöndorff (»Die Verwirrungen des Zöglings Törless«, »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«) meint: »Boulevard, das heißt Komödie, bei Schmitt mit einem Schuß Philosophie und Wehmut: eine Mischung, die mir liegt.« Der dramaturgischen Struktur nach ist »Enigma« der Dialog zwischen einem Schriftsteller, der sich auf eine Insel zurückgezogen hat, um seine zentrale Bedeutung intensiv zu empfinden, an der er seinem Wesen nach nicht den geringsten Zweifel hegt (Mario Adorf), und einem jungen Journalisten (Justus von Dohnányi), der dem großen Dichtersmann auf die Schliche kommt und ihn mit einigen unerwarteten Fragen ein bißchen aus dem Gleichgewicht bringt. Dieses streckenweise witzige Gespräch dauert »ca. 2 Stunden inkl. Pause«, weil es von einem Schuß Philosophie und einigen realen Schüssen zerdehnt wird und deshalb für einen Kabarett-Sketch etwas zu lang ist. Aus seiner Knicklauf-Flinte feuert Abel Znorko paradoxerweise, weil er auf seiner Insel Ruhe haben will. Adorf spielt den Literatur-Nobelpreisträger ungefähr so, wie Grass oft aussieht, nämlich von weltbedeutendem Grimm erfüllt. Seinen Befrager nennt er genießerisch scherzend einen zerkochten Lauchstengel, was den Theaterbesuchern Spaß machte. »Das Publikum strömte«, registrierte Theaterkritiker Detlef Friedrich, »weil es einen Star sehen wollte.« Ja, wen denn sonst? Meinen Sie nicht, lieber Herr Friedrich, daß Schmitt die Premieren-Erfolge seiner Stücke auch den Hauptdarstellern Leslie Malton, Jean-Paul Belmondo, Danielle Darrieux, Charlotte Ramp ling oder Alain Delon, Francis Huster, Donald Sutherland und Max von Sydow zu verdanken hatte? Es gab schon immer viele Theaterfreunde, die sich Karten für den »Faust« nicht aus Liebe zu Goethe speziell und dem klassischen Erbe im allgemeinen kauften, sondern weil sie Gründgens als Mephisto erleben wollten. Also kann man dem Renaissance-Theater zu seiner letzten Produktion nur gratulieren. * Auch in der »Distel« wird weiter gespielt. Allen pessimistischen Prognosen zum Trotz ist die Spielstätte der alten und neuen Kabarettisten im früheren Metropol-Kino an der Friedrichstraße noch nicht abgerissen oder, vergleichbar dem abgewickelten Metropoltheater, zum ruinösen Bühnenhausmord verurteilt worden. Verbesserungen in der Baulichkeit sind vielleicht erforderlich, aber heute und morgen nicht möglich: Es muß weiter gespielt werden, zur Freude der Besucher, die immer noch froh über Plätze im Rang sind, weil sie dort in der Pause die sogenannten Bequemlichkeiten aufsuchen können, ohne sich durch die dicht aneinander gepreßten Raucher auf der von Generationen krumm getretenen Treppe quetschen zu müssen. Und auch, wie ich zu behaupten wage, zur Freude der Spieler Jaeger, Müller und Nitzel, die im neuen Prorgamm »Wenn der Thierse 2x klingelt« mit Wort, Gesang und parodistischem Tanz ihr Einverständnis mit den ebenso sozialkritischen Gästen erfolgreich demonstrieren. Der Thierse, den es zu ärgern galt, saß behütet im Parkett, etwas unsicher wie ein Beamter, den man aus seinem gewohnten Umfeld plötzlich in die Wirklichkeit katapultiert hat. Er ist sich treu geblieben beziehungsweise seinem Anzug, den er, wie der Kabarettist Edgar Külow wissen will, vor Zeiten schon in einem Köpenicker Konsum-Laden wohlfeil erworben hat. Aber daß Kleider keine Leute machen, weiß man spätestens, wenn man Kanzler Schröder betrachtet. Die satirischen Attacken treffen die ärgerlichen Zustände und Verhältnisse so genau wie Kleinkaliber-Patronen die Schießbuden-Figuren, denen das nichts ausmacht. In einem Gespräch, das Stefan Schmidt (fürs Programmheft) mit den drei Akteuren führte, erklärte Dagmar Jaeger: »Ich finde, das (Wählen: L.K. ) ist eines der wichtigsten demokratischen Rechte... Aber nicht hinzugehen, ist für mich so was von... das ist Verrat, Verrat an dieser demokratischen Idee oder Verrat am Staat. Ich finde das unglaublich... Also in der DDR bin ich dann auch nicht hingegangen, weil das eine Pflichtveranstaltung war. Trotzdem waren es dann 99,8 Prozent. Aber unseres ist‘n demokratisches System mit allen Macken und Kanten...« Die diesmal von dem ebenso großen wie beweglichen Stefan Martin Müller, von Michael Nitzel, der mit seiner exquisiten Pfiffigkeit unser Nachdenken provoziert, und von Dagmar Jaeger in den Griff genommen werden. Über Verrat möchte ich mit Frau Jaeger vorsichtshalber nicht debattieren, weil gleich daneben der Hochverrat auftaucht, mit dem die meisten Staaten gern operieren. Erfrischt und enthusiasmiert wurden wir wieder von Bernd Wefelmeyers Musik, hingepfeffert vom Komponisten und seinem adäquaten Multi-Instrumentalisten und Gesangspartner Matthias Lauschus. Hach, ham die schön jespielt, das hat vielleicht sogar den Regisseur Martin Maier-Bode inspiriert. Was passiert, wenn Thierse zum Schluß 2x klingelt? Es wird weiter gespielt. Es wird weiter Demokratie gespielt.
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
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