Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Jean Genet und die RevolteJochanan Trilse-Finkelstein »Es ging nicht um Politik als solche, wie sie von Politikern gemacht wird, sondern um soziale Umstände, die eine Politik bewirken.« So Jean Genet (1910-1986) aus Anlaß seiner Tragödie »Die Zofen«, die einst vom Regie-Altmeister Jean Jouvet bestellt und 1947 im Pariser Théàtre de l'Athénée erstinszeniert wurde. Ist Genet inzwischen ein Klassiker? Der Mann von ganz unten, Pflegekind, ewiger Ausbrecher, Chaot und Anarchist, Schwuler, Dieb, vor allem Bücherdieb, was ihn sympathischer machen kann, Wanderer durch Europa, mal hinein ins Gefängnis, mal hinaus wanderte er schließlich mit einem umfangreichen literarischen Werk in den Weltruhm. Also ein Klassiker? Während andere Stücke, etwa »Der Balkon«, »Die Wände« oder »Die Neger« immer wieder von erstklassigen Regisseuren wie Roger Blin, Peter Brook, Patrice Chéreau (in Paris), Hans Lietzau und Peter Stein (in Berlin) neuinszeniert wurden, ist von den »Zofen« Vergleichbares kaum zu berichten; es gab eine Inszenierung des »Living Theatre« in New York aus den späten sechziger Jahren. Diese Aufführung ist insofern erwähnenswert, als sie Genets Forderung, die drei Frauen des Stückes von Männern spielen zu lassen, erfüllte. Die homosexuelle Komponente kam da stärker zum Ausdruck. Trägt aber nicht viel zum Ganzen bei, heuer schon gar nicht. Nun also im Deutschen Theater Berlin. Regisseurin Konstanze Lauterbach tat gut daran, mit Frauen zu besetzen, alle aus dem alten Stamm-Ensemble: Margit Bendokat und Simone von Zglinicki als Solange und Claire sowie Inge Keller als Gnädige Frau. Das konnte ein Theaterfest werden. Und ward es, doch nicht so richtig. Zunächst las ich, was ich nicht allzu gern tue, etliche Kollegen-Äußerungen. O weh, die alten Hüte! Die hatten sich Georg Hensel, Volker Klotz, Ernst Wendt oder auch Friedrich Luft vor vielen Jahren schon viel besser aufgesetzt. Wendt sah da im übrigen mit Abstand am besten aus. Sein Hut hatte ein soziales Zeichen, und er trug ihn politisch, jedenfalls am politischsten im Umfeld. In der Jetzt-Presse ging es nur um die »Schönheit des Verbrechens« oder um den »Schatten der Aura«; und alle sahen Inge Keller als Ereignis des Abends. Das war sie auch, ich schließe mich an. Nur: Im Stück, genauer in der Inszenierung, ging und geht es um weitaus mehr: um die »Revolte«, die bei Genet durchaus von »Revolution« zu unterscheiden ist. Die beiden Angestellten proben den Aufstand, sie proben ihn unter sich und miteinander, und dann wollen sie ihn wirklich. Vor der Macht, der Herrschaft, also der Gnädigen versagen sie völlig. Selbst im Rollstuhl ist die Macht immer noch mächtig, übermächtig. Und dies nun noch in der souverän-glänzenden Darstellung der Keller. Da hatten es Bendokat und Zglinicki schwer, zu schwer. Sie waren schlicht, zu einfach, ohne die geforderte aufsässige Aasigkeit. So daß ihr Gifttee nur noch zur Selbstrichtung Claires taugte. Daher erscheint die Niederlage dieses Aufstandes – und der ist eben eine Metapher für mehr, für Größeres – total. Keller war zu gut, zu stark; das macht die Niederlage katastrophal und hoffnungslos. Ich denke, im Stück liegt Tieferes, Weiteres, eine Ahnung von Möglichem. Zwar wollte Genet die Gesellschaft gar nicht verändern, sonst wäre seine Oppositionsrolle gefährdet, doch die Kritik an den Verhältnissen und an dieser Art der Revolte trifft voll ins Schwarze, hinter dem Licht aufscheint.
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |