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Wer alt genug ist und sich erinnern will, dem sind Kerrys Anklagen vertraut: »Vergewaltigungen, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgetrennt, Folter mit Feldtelefonen an Genitalien, Gliedmaßen abgeschlagen, Zivilisten in die Luft gesprengt, Fingernagelfolter ...« Wenn der Spitzenkandidat der Demokraten als Präsident das alles tatsächlich nicht vergessen sollte, wäre er die Ausnahme. In der Regel setzt ein hohes Amt Gewissen, Gedächtnis und Intellekt außer Kraft. Karriere wird zum Produkt von Negativauslese. Das wissen wir zwar schon seit Kaiser Neros Zeiten, doch daran gewöhnen wollen wir uns nicht. Auch wenn die individuellen, gesellschaftlichen und staatlichen Verfallsprozesse einander gleichen wie eineiige Amokläufer. Warum nur fällt mir beim Blick auf unsere Berliner Regierung immer das letzte SED-Politbüro ein? Zugegeben, es besteht da ein Unterschied. Das Politbüro hatte mit Marx und Lenin zwei scharfsinnige Revolutionsgeister auf seiner Seite. Es konnte damit nur nichts anfangen. Das hohe Amt trübte den freien Blick. Man hob die Hände statt den Kopf. So gelangte der ehemalige Widerständler und Nazi-Zuchthäusler Honecker zurück in die Zelle, der Sohn eines SS-Mannes und KZ-Wächters aber löste eine Volksarmee auf, die nie ein anderes Land überfallen hatte. Konsequenterweise traten die tüchtigen Wehrdienstverweigerer und DDR-Pazifisten gleich nach der Wende für neue Kriege ein, als wären sie Scharpings Brüder und Joschkas Zinnsoldaten. Vom Balkan bis zum Hindukusch stehen nun deutsche Waffenträger auf Posten, daß jeder angejahrte Wehrmachtsknochen vor Neid erbleicht. Als die SED mit ihrer DDR verging, entband sie eine PDS, die ihren Anhängern verdeutlichen mußte, daß aus der Marxschen Diktatur des Proletariats und dem Lenischen Modell der Avantgarde nichts Gescheites geworden war. Runter also vom hohen Roß. Was aber haben die PDS-Intellektuellen ihren Mitgliedern und Wählern stattdessen anzubieten? Abgenabelt und entschuldigt wurde nun genug. Wie steht es um das Neugeborene? Die einen wollen ihm ein altes Blauhemd überziehen, die anderen vernehmen entsetzt stalinistische Bäuerchen. Die Feinde argwöhnen sowieso einen Wechselbalg. Sie wollen die Berliner Republik linkenfrei wie vor 1945 haben. Jahrzehntelang setzte ich den SED-Genossen hart genug zu. Jetzt muß man ihre Nachfolger ermuntern. Die lieben entfremdeten Genossen sollen sich mal nicht ewig so ängstlich aufführen. Wer von der Diktatur der Partei unter die des Kapitals gerät, braucht keinen Parteiausschluß mehr zu befürchten. Es sei denn, er trat im vorauseilenden Gehorsam der SPD bei, und da ist ein Ausschluß, wie jetzt angedroht, aller Ehren wert. 1914 schworen unsere Sozis auf den schönen Internationalismus der Arbeiterbewegung, und als der Kaiser rief, zogen sie in den Krieg und nannten es Burgfriedenspolitik, wie Schröder heute Sozialabbau Reform nennt. Als der Krieg verloren war, liquidierten Noske/Ebert die Revolution und räumten binnen 15 Jahren die Straße frei den braunen Bataillonen. Es brauchte nochmal zwölf Jahre und einen Zweiten Weltkrieg, die Sozialdemokratie wieder zu installieren. Nur wurde sie jetzt von Adenauer geschlagen, ehe der Weg über Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl zum SPD-Liquidator und Insolvenzverwalter Gerhard Schröder und seiner Burg-Sozial-Friedens-Politik führte. Fragen wir mal andersrum: Was verlieh Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die Kraft, von 1914 bis 1918 trotz unablässiger Verfolgung als Kriegsgegner durchzuhalten? 1919 wurden beide abgeschlachtet von denen, die den Krieg zu verantworten hatten. Wann bereute die Sozialdemokratie die Morde an ihren eigenen Genossen? Was gab Trotzki die Kraft, als Revolutionär gegen Stalin zu stehen, bis dieser ihn erschlagen ließ? Existiert vielleicht eine revolutionäre Energie, die den aufständischen römischen Sklaven Spartacus mehr als nur dem Namen nach mit dem Spartakusbund verbindet und diesen mit den ungebrochenen Sozialisten von heute, auch wenn es wenige geworden sind? Stalin, der georgische Priesterseminarist, mühte sich, die Rote Armee so zu schwächen, daß Hitlers Wehrmacht der Marsch auf Moskau leichtfiel. Die Rote Armee mußte verlustreich genug gegen Hitler und Stalin zusammen standhalten, damit die Welt nicht so juden- und slawenfrei werde, wie das deutsche Reich schon geworden war. Was befähigte Genossen von Richard Sorge bis Klaus Fuchs dazu, ihr Leben als kommunistische Agenten zu riskieren? Treffen wir hier nicht auf eine intellektuelle Befindlichkeit, die den ewigen Dienst für den Kriegsgott Mars verweigert? Die Mars-Anbeter mögen davon keine Ahnung haben, wenn sie ihre konterrevolutionären Siege bejubeln, mit denen die Chose welterobernder Kriege von neuem anheben soll. Und immer sind deutsche Nieten und Genossen in Nadelstreifen und Uniformen mit von der Partie, als liege das in ihren Genen. Das kann doch nicht alles gewesen sein. Die DDR war besser als ihr Ruf, den sie selbst zerstörte, indem sie als SED-Kommandogesellschaft auf der Basis einer falschen Philosophie den demokratischen Fortschritt verweigerte. Die Sowjetgesellschaft verlor nach Lenins Tod mit dem Sieg Stalins über Trotzki ihre revolutionäre Alternative, und der laut Trotzki »russische Nationale-Sozialismus« breitete sich in der Folge seines Sieges über den deutschen Nazismus gen Westen hin aus, was unseren deutschen Sozialismus-Versuch mit einer doppelt nazistischen Entfremdung belastete. Dies zu erkennen, macht erst jene erstaunliche Leistung deutlich, die in der DDR dennoch vollbracht wurde, mit der schweren Erbschaft Hitlers am Bein, den Stalinschen Fesseln im Hirn und der ständigen Kapitalbedrohung vor der Tür. Hinzu gesellte sich die strafbewehrte Verpflichtung zur Sklavensprache. Als Ernst Bloch auf der »Fortschrittskonferenz« Berlin 1956 ermutigt durch Chruschtschows Antistalinrede anmerkte, jetzt müsse endlich »Schach statt Mühle« gespielt werden, wirkte das Bild als Verstoß gegen die parteidisziplinierte Sprachregelung, das Konferenzprotokoll wurde verboten und der Philosoph des aufrechten Ganges zum Kriechgang gezwungen. Den Niedergang von SU und DDR haben ihre politischen Führer samt deren gehorsamer Intelligentsia zu verantworten, nicht die Parteimitglieder oder gar die Völker. In Deutschland ist die PDS mit ihrer zaghaft falschen Strategie im Westen abgeschlagen, warum aber will sie auch im heimischen Osten scheitern? Bei den anstehenden Landtagswahlen gibt es noch Chancen. Doch wo bleiben da Genossen, die kraft neuer Ideen in freier, überzeugender Rede den Mitgliedern und Wählern Mut zu machen imstande sind? Wer wagt es, populär zu sein? Der SPD ist in ihrem Niedergang zur Anti-Volkspartei der letzte Elan abhanden gekommen. Das hat bei denen lange Tradition. Der PDS aber mangelt es an Schwung, weil sie sich in der sozialistischen Zielvorstellung verunsichern und einschüchtern läßt. Eine sozialistische Alternative bleibt die moralische Herausforderung für jeden, der die Welt, wie sie ist, nicht nur für unvollkommen, sondern für dringend veränderungsbedürftig hält. Wenn das aber so ist, muß man es sagen und dafür einstehen. Mitglieder wie Wähler bedürfen der Ermunterung. Bei der SPD herrscht Heulen und Zähneknirschen. Da braucht die PDS sich nicht auch noch falsch aufzustellen. Marxens geniale Idee einer vorübergehenden Parteidiktatur wurde durch die SED pervertiert. Das ist vorbei. Die Berliner Republik soll, wie Kapital es will, sozialistenfrei gemacht werden, die SPD hat sich dem längst unterworfen. Welch eine Korrektur-Aufgabe für Sozialisten, den abhanden gekommenen Pluralismus ins Volk zurückzuholen. Ein Parlament ohne Sozialisten ist wie Suppe ohne Salz oder wie Salz ohne Suppe. Manchmal scheint es, in den oberen PDS-Etagen herrsche ebensolcher Abscheu vor der Oppositionsrolle wie bei der SPD. Die hängen in den Regierungssesseln, als seien Hirn und Herz im Arsch lokalisiert. Das Land braucht aber frische und fröhliche Oppositionelle. Falsch regiert wurde von 1933 an bis heute genug. Schon 1914 waren deutsche Sozialdemokraten zu feige, die soziale und sozialistische Idee der Menschheit gegen Kaiser, Tod und Teufel zu vertreten; stattdessen verleugneten sie sie und opferten die eigenen besten Genossen. Die Kirche immerhin feiert ihre Märtyrer. Die SPD macht sie lieber vergessen. Und die PDS?
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
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