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Den letzten Ausschlag dafür mag ein dubioses, möglicherweise inszeniertes Attentat am Tag vor der Wahl gegeben haben, bei dem Chen und Vizepräsidentin Anette Lu geringfügig verletzt worden waren. Wegen dieses Vorfalls, etlicher Ungereimtheiten bei der Stimmenauszählung, des ungewöhnlich hohen Anteils angeblich ungültiger Stimmen (2,2 Prozent) sowie des denkbar knappen Ergebnisses hat die KMT die Annullierung und sofortige Wiederholung der Wahl gefordert. Taiwans Oberster Gerichtshof hat eine entsprechende Klage bereits zur Verhandlung angenommen und eine Neuauszählung innerhalb von sechs Monaten angeordnet. Im Parlament allerdings blockieren Regierungspartei und Opposition bisher alle Vorschläge, wie das geschehen soll. Die Bevölkerung ist nach dem monatelangen, oft mit wüst demagogischen Mitteln geführten Wahlkampf tief gespalten. Eine Staatskrise bahnt sich an. Ein parallel zur Präsidentenwahl veranstalteter Volksentscheid zum Thema Landesverteidigung stellte im übrigen eine Ohrfeige für den Wahlsieger Chen s huibian dar. – Doch der Reihe nach. Chens Taktik, die »taiwanesische Identität« in nationalistischer Manier hervorzuheben, ist aufgegangen. Im wenn auch Wahlsieg Chens und seiner Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) zeigt sich ein langfristiger Trend weg von der »Republic of China« und hin zu einer »Republic of Taiwan«. Ein Sieg der oppositionellen KMT hätte dagegen eine Annäherung der beiden Chinas gefördert. Entspannung und Annäherung erscheinen nun erst einmal ausgeschlossen; das Verhältnis zur »Peoples Republic of China«, also der Volksrepublik China, ist noch stärker belastet. Mit seinem Wahlsieg im Jahr 2000 hatte c hen Shuibian den Schlußstrich unter fünf Jahrzehnte größtenteils autoritärer Herrschaft der Kuomintang gezogen. Wegen der fortgesetzten Bedrohung durch die Volksrepublik China sprach Chen zwar seither nie laut von einer Unabhängigkeitserklärung Taiwans und leugnete sogar ausdrücklich alle diesbezüglichen Absichten. Aber er bezeichnete die VR China und Taiwan als »jeweils ein Land auf beiden Seiten der Taiwanstraße«, der Meeresenge zwischen dem Festland und der Insel. Und seine politischen Entscheidungen, darunter zuletzt das gegen allen Widerspruch im In- und Ausland durchgeboxte Referendum zur »Landesverteidigung«, stellten für die Regierung in Peking eine Kette von Provokationen dar. Sie reichten von massiven Waffenkäufen in den USA und in der EU bis zur Ausgabe neuer Reisepässe mit dem Zusatz »Taiwan« unter dem Staatsnamen »Republic of China«, was in Peking besondere Verbitterung auslöste. Präsident Chen gelang es zwar vor zwei Jahren, Taiwan fast zeitgleich mit der VR China in die Welthandelsorganisation WTO zu führen. Positive Auswirkungen auf die innerchinesischen Beziehungen wußte er jedoch zu verhindern. Zwischen Taiwan und der VR China gibt es viel Handel, aber wenig Wandel. Taiwan mauert bei den Verhandlungen über direkten Transport, Post- und Telefonverkehr, angeblich aus Gründen der Staatssicherheit. Hohe Hürden behindern nach wie vor den Personen- und Güterverkehr; ein Hindernis ist auch der weite Umweg über die heutige »Sonderzone« Hongkong, obwohl Taiwan und die dazugehörigen kleinen Inseln kaum mehr als einen Steinwurf weit vor der Küste des chinesischen Festlandes liegen. Die Mehrheit der Taiwaner empfindet die benachbarte VR China nicht mehr nur als Bedrohung, sondern sieht auch die Chancen, die in einer Verbesserung der Beziehungen zum »Großen Bruder« lägen: mehr Handel, kultureller Austausch, Erleichterungen im humanitären Bereich. Deswegen schnitt Oppositionsführer Lien Chang bei dieser Präsidentenwahl relativ gut ab, obwohl er, der alte KMT-Apparatschik und frühere Vizepräsident, sich keiner Großtaten rühmen kann und auch nicht über ein Minimum an persönlicher Ausstrahlung verfügt: Er hatte versprochen, im Falle seiner Wahl sofort Verhandlungen mit der Führung in Peking aufzunehmen. Das bedeutete eine politische Kehrtwende für die einst als Kommunistenfresser berüchtigte Kuomintang und hatte viele Taiwaner mit Hoffnungen auf eine friedlichere Zukunft erfüllt. Innenpolitisch waren und sind keine großen Unterschiede zwischen Regierungspartei (DPP) und Opposition (Kuomintang und kleinere Splitterparteien) feststellbar. Beiden Lagern und ihren Spitzenleuten ist es nicht gelungen, Taiwan aus einem tiefen Sumpf von Korruption, Ämterpatronage und Stimmenkauf zu ziehen. Auch Präsident Chen erscheint nicht mehr als Saubermann. Seine Wiederwahl hatte er unter anderem damit sichern wollen, daß er zeitgleich mit diesem Urnengang einen Volksentscheid inszenierte. Zunächst sollteüber Pekings Formel »ein Land, zwei Systeme« abgestimmt werden. Wegen allzu großer Widerstände (Washington und auch Paris protestierten) ließ er das Referendum dann zu einem Volksentscheid über die Landesverteidigung umformen, mit dem Hinweis auf 500 Mittelstreckenraketen, die Peking von der Festlandsküste her auf Taiwan hatte richten lassen. Die Frage, ob noch weiter aufgerüstet werden soll, falls es nicht gelinge, Peking zur Abrüstung zu bewegen, konnte dort nur als Provokation und von vielen Staaten weltweit als gefährliche Nadelstichpolitik verstanden werden. Die Beteiligung erreichte jedoch nur 45,1 Prozent (die zeitgleiche Präsidentenwahl dagegen 80ß,2 Prozent); damit war das Referendum gescheitert. Chen kann das nur als Warnung verstehen, seine provokative Politik gegenüber der VR China nicht zu übertreiben. Ob der einstige Liebling der USA sich davon stark beeindrucken läßt, ist zweifelhaft. Er weiß schließlich, daß er sich mit Dollarmilliarden für Waffenkäufe die Sympathien der Bush-Administration jederzeit wieder sichern kann. Präsidenten- oder Parlamentswahlen finden in diesem Jahr noch in Indien, Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen statt. US-amerikanische Interessen sind überall im Spiele, vor allem das Interesse an Spannungen, denn die sind immer gut: fürs Waffengeschäft.
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
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