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Man kann das sogar irgendwie verständlich finden, denn schon der Apostel Paulus gesteht: »Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute gelingt mir nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.« (Römer 7, 18f) Und da Paulus das als charakteristisch für die Sünder ansieht, die wir allzumal sind, ist das Verhalten der USA eigentlich ganz normal, gar nichts Besonderes. Schauen wir genauer hin, so befindet sich die Außenpolitik der Vereinigten Staaten jedoch gar nicht in diesem Selbstwiderspruch, sondern ist durchaus stimmig und mit sich eins. Zwei historische Tatsachen, die eng miteinander verknüpft sind, werden in diesem Zusammenhang nämlich meist übersehen. Erstens ist das außenpolitische Denken der US-Regierungen seit Beginn des Kalten Krieges fast durchgehend von einem machtpolitischen »Realismus« geprägt, der von fortschreitender Umsetzung der Menschenrechte gar nichts weiß und solchen Fortschritt im Grunde sogar ausschließt. Wie im letzten Ossietzky Heft erwähnt (»Die USA als quasi göttliche Macht«), nahmen die USA am Ende des 2. Weltkriegs noch eine ambivalente Haltung ein, indem sie einerseits im Sinne ihrer liberalen Tradition den Ausbau des Völkerrechts förderten und andrerseits mit der Atombombe Stärke demonstrierten. 1947 jedoch verabschiedeten sie sich von der liberalen Traditionslinie ihrer Außenpolitik, die immer nur eine von mehreren Linien gewesen war, und übernahmen genau das konservative machtpolitische Denken Europas, von dem sie sich lange Zeit scharf abgegrenzt hatten. So forderte der einflußreiche amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr schon 1944 seine Landsleute auf, ihren törichten Glauben an das Gute im Menschen aufzugeben und sich die Klugheit der »Kinder der Finsternis« (er meinte Nazi-Deutschland und später die Sowjetunion) anzueignen, die um die Macht der Selbstsucht im Leben wissen. Einen Schritt weiter ging 1948 der Politologe Hans Morgenthau, indem er angesichts des allgegenwärtigen und endlosen Machtkampfs, den die Geschichte nach seiner Auffassung darstellt, jedes Streben nach einem Ideal als illusionär ansah oder dem Machtstreben unterordnete. Entsprechend wurden mit der Truman-Doktrin nun die politischen Zwecke den erlangten Machtmitteln angepaßt, nicht etwa umgekehrt der Gebrauch der Mittel den politischen Zwecken, an die man sich bislang gebunden gefühlt hatte. Es ging nicht mehr um multilaterale Lösungen, sondern um unilaterale Hegemonialpolitik. Die militärische Vorherrschaft, die den USA zunächst eher zugefallen war, wurde nun auch bewußt gewollt. Extremster Ausdruck dieses Wollens und Denkens war die 1954 unter Eisenhower verkündete Doktrin der »Massiven Vergeltung«, die vorsah, einen konventionellen Angriff auf ein verbündetes Land (etwa Südkorea) mit einem Atomschlag zu beantworten. Die zweite Tatsache, die meist übersehen wird: In vollkommener Übereinstimmung mit diesem reinen Machtdenken haben die USA die Menschenrechts-erklärungen der UNO, obwohl von ihnen mit angestoßen, selber bis heute nicht ratifiziert. Sie sagen damit unmißverständlich, was sie von ihnen halten und daß sie sich an diese völkerrechtlichen Abmachungen nicht gebunden fühlen, sondern die Menschenrechte nach eigenem Belieben interpretieren möchten. Das läuft aber darauf hinaus, sie für das jeweilige machtpolitische Interesse zu instrumentalisieren. Diese Tendenz setzte sich gleichfalls unter Eisenhower durch. Damals stellte der republikanische Senator John Bricker aus Ohio den Antrag auf einen Verfassungszusatz, durch den die außenpolitische Handlungsfreiheit des Präsidenten eingeschränkt werden sollte: Internationale Verträge müßten darauf geprüft werden, ob sie mit der US-Verfassung kongruieren, ihre Durchführung sei daher vom Kongreß durch eigene Gesetzgebung zu genehmigen und bedürfe einer Zweidrittelmehrheit im Senat. Konkreter Hintergrund waren eben die ersten Erklärungen und Konventionen der UNO, in denen Bricker die Gefahr eines »weltweiten Sozialismus« zu erkennen meinte. Die Eisenhower-Administration wehrte sich gegen eine solche Beschränkung ihrer Gestaltungsmacht und hatte auch insofern Erfolg, als der Verfassungszusatz vom Senat (mit knapper Mehrheit) abgelehnt wurde. Auf der Strecke blieb dabei aber die Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonventionen, denen die Vereinigten Staaten bis heute nicht beigetreten sind. Die USA sind also kein gewöhnlicher Sünder, der das Gute wohl will, nur leider immer das Gegenteil vollbringt. Sie sind schon ein außergewöhnlicher, konsequenter Sünder, weil sie das Gute weder wollen noch vollbringen, sondern sich vorbehalten, allein zu bestimmen, was überhaupt »gut« ist, und nach »Gutdünken« zu handeln. Sie bewegen sich damit »jenseits von Gut und Böse« nach den angeblichen Gesetzen der Macht. Allerdings liegt in dieser Konsequenz auch eine Ehrlichkeit, die uns das Verständnis ihrer Politik sehr erleichtert: Wir brauchen nicht mehr so genau hinzuhören, wenn da von der Durchsetzung der Menschenrechte die Rede ist; wir müssen auch nicht mehr umständlich Worte und Taten vergleichen und uns ärgern, daß sie wieder nicht übereinstimmen; sondern wir können im Großen und Ganzen schon wissen, woran wir sind.
Erschienen in Ossietzky 7/2004 |
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