Merkwürdiger Zulauf

Kurt Pätzold

Ist Ihnen schon einmal ein Hund zugelaufen? Nein, dann haben Sie sich die Suche nach Herrchen oder Frauchen oder den Weg zu einem Tierheim erspart. Und wie steht es mit einem Fahrzeug? Sie sind gerade nicht zu einem Ulk aufgelegt? Es ist keiner. Solches passiert hierzulande, ohne daß eine der Panoramaseiten Ihrer Tageszeitung Sie informiert, die Sie doch gewöhnlich mit allerlei Merkwürdigkeiten auf dem Laufenden hält und so von den Ärgernissen des Alltags, die auf den anderen Seiten des Blattes stehen, ein wenig abzulenken versteht.

Wenn Sie sich über einen merkwürdigen Zulauf verläßlich informieren wollen, greifen Sie zur Zeitschrift Soldat und Technik und trauen Sie Ihren Augen, wenn Ihnen deren Redaktion in der Februar-Ausgabe 2004 mitteilt: » Die ersten Fahrzeuge sollen noch in diesem Jahr der DSO zulaufen .« Welche? Solche mit dem Namen »Mungo«. Wem? Der Bundeswehr, genauer: deren Division Spezielle Operationen (so löst sich die Akü DSO auf). Von wem? Von einer Firma namens Krauss-Maffei-Wegmann. Und nun gar: Deren Devise lautet nicht »Rückgabe und Finderentschädigung«. Sie fordert den ihr entlaufenen »Mungo« nicht zurück. Die Speziellen dürfen ihn dauernd behalten. Freilich und vorausgesetzt: Struck läßt zahlen. Wen? Die deutschen Michel, genannt Steuerpflichtige. Sie werden gleichsam Miteigentümer eines »luftverladbaren, geschützten, geländegängigen und universell einsetzbaren Transportfahrzeugs«. Und das wird besonders zu schätzen wissen, wer demnächst einen Umzug plant. Auf den Straßen unseres terrorbedrohten Landes ist Ihre Habe gut geschützt. »Mungo« würde einem Angriff mittels Schützenminen widerstehen, ja selbst ein Beschuß mit der 7,62-mm-NATO-Standardmunition könnte ihm nichts anhaben. Versicherungsgelder ließen sich also sparen.

Wenn Ihnen beim Lesen und Überdenken der Meldung Lust auf weitere Nachrichten gekommen ist, die Sie womöglich betreffen und Ihre Dispositionen angehen, dann werden Sie weiterlesen und erfahren: daß die norwegische Marine, der unseren verbündet, sechs Schnellboote der Skjold-Klasse modernisiert, die schwedische das mit ihrem U-Boot »Södermanland« schon geschafft hat, vier griechischen Schnellbooten ähnliches bevorsteht, die südkoreanische Luftflotte sich ein mit einer Kanone ausgerüstetes Kampfflugzeug zulegen wird, Irland mit Genehmigung der US-Regierung das Panzerabwehrlenksystem »Javelin« erwirbt, das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sich in Schweden 600 Flugkörper bestellt hat, die als autonome Punktzielwaffe langer Reichweite verwendet werden sollen, die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG die Korvette »Isandlwana« an die Marine Südafrikas übergeben konnte, das britische Verteidigungsministerium einen Vertrag über den Ausbau des Hubschraubersimulationszentrums geschlossen hat und vom Iveco-Werk Ulm 42 harmlose Pritschenwagen an die Bundeswehr ausgeliefert wurden. Die niederländische Marine, auch das kommt vor, hat sich mit der Flugzeugbestellung übernommen und ist mit nicht näher bezeichneten Sparplänen in Konflikt geraten. Indessen heißt es in der Meldung beruhigend: »Deutschland wäre ein interessierter Abnehmer.«

Wenn Sie das bunte Heft aus der Hand legen, werden Sie ausschnittweise Einblick ins internationale Waffengeschäft erhalten haben und davon überzeugt sein, daß die Losung »Sparen, sparen und nochmals sparen«, die Ihnen vom früh bis spät eingeprägt wird, ihre vielen Gründe hat. Und womöglich werden Sie – das Einzelheft von Soldat und Technik kostet 7 € – die Redaktion Ihrer Tageszeitung anregen, Sie über diese Zusammenhänge ständig und ein wenig besser zu unterrichten, damit Sie Ihre Besitztümer kennen und sich eine Vorstellung davon machen können, was Ihnen, wenn auch nur anteilmäßig, so zuläuft.

Erschienen in Ossietzky 6/2004