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Februar lockten US-Diplomaten und -Militärs den demokratisch gewählten Präsidenten Haitis – nach dessen eigener Schilderung in einem Telefon-Interview eines New Yorker Rundfunksenders – unter dem Vorwand, ihn zu einer Pressekonferenz abzuholen, aus dem Haus, verschleppten ihn zum Flughafen, preßten ihm offenbar unter Drohungen (Rücktritt oder möglicher Tod) eine Verzichtserklärung ab und entführten ihn am 29. Februar über tausende Kilometer in die Zentralafrikanische Republik. Denn dieses Mal wollte man sichergehen und einen vor knapp zwei Jahren begangenen Fehler nicht wiederholen. Damals, im April 2002, war Venezuelas Präsident Chavez nach einem von den USA maßgeblich unterstützten Putsch von Militärs und Unternehmern auf eine nahe Insel im Inland verschleppt worden, von der er, als Massenproteste seine Rückkehr erzwangen, schnell wieder nach Caracas gelangte. Die Geschichte Haitis ist eine Geschichte von Invasionen, Unterdrückung und Ausbeutung durch Frankreich und die USA. Deren direkte und indirekte Einmischung reicht bis 1804 zurück, als die Sklaven der Franzosen die Losungen der Französischen Revolution wörtlich nahmen und, auch zum Entsetzen der Sklavenhalter in Nordamerika, eine eigene, »schwarze« Republik ausriefen. Der Schock saß so tief, daß Haiti von den USA fast 60 Jahre nicht anerkannt wurde. Dabei waren die USA Nutznießer des Unabhängigkeitskampfes der Haitianer gegen Frankreich: Nur unter dem Eindruck der desolaten Lage der Franzosen in der Karibik ließ sich Napoleon die französische Kolonie Louisiana abkaufen. Zusammen mit den USA zwang Frankreich dann der jungen Republik einen nach heutigem Wert milliardenschweren Knebelvertrag auf, der zur rücksichtslosen Auspowerung Haitis führte und auch eine Ursache für die fortdauernde Armut ist. (Als kürzlich Präsident Aristide dafür von Frankreich wohlbegründet Entschädigung forderte, wies man ihn schnöde ab.) Nach der Annektion Kubas 1898 durch die USA reifte das Projekt eines Kanals zwischen Atlantik und Pazifik. Zur strategischen Absicherung (und natürlich auch zum Schutz ihrer Investitionen sowie zur vermehrten Ausbeutung der natürlichen und menschlichen Ressourcen) besetzten US-Marines 1914 für kurze Zeit und erneut 1915 den Inselstaat, halfen einem US-hörigen Präsidenten in den Sattel und blieben dort bis 1934. Weitere 13 Jahre hielten die USA noch die Finanzkontrolle über ihre Quasi-Kolonie aufrecht. 1957 errichtete Francois Duvalier (»Papa Doc«) und nach seinem Tode sein Sohn Jean Claude (»Baby Doc«) ein Schreckensregime in Haiti, das von den USA mehr oder weniger offen unterstützt wurde. Es endete erst 1986; Aristide war daran beteiligt, die Duvaliers zu entmachten. Deren Verbrechen – Auflösung des Parlaments, Massenhinrichtungen tausender Haitianer, Bildung der Todesschwadronen »Tonton Macoute« – veranlaßten in den fast 30 Jahren Diktatur die USA nicht ein einziges Mal, ihre Marines auf die Insel zu entsenden. Die US-Wirtschaft wußte zu schätzen (und damit auch die Regierung), daß das Duvalier-Regime erstklassige Verwertungsbedingungen für ihr Kapital garantierte: Super-Profite durch Hungerlöhne, Gewerkschaftsverbot und Unterdrückung aller demokratischen Regungen. Aristide dagegen war Washington von Anfang an ein Dorn im Auge. Ein Mann, der den Kapitalismus eine »Todsünde« nannte, war inakzeptabel. Doch da sich trotz aller Anstrengungen und direkter US-Einmischung in den Wahlkampf nicht verhindern ließ, daß er Anfang 1991 mit 67,5 Prozent der Stimmen gewählt wurde, versuchten die USA, ihm das Regieren und den einfachen Haitianern das Leben so schwer wie möglich zu machen. Auf Druck der Regierung in Washington froren Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hunderte Millionen Dollar Entwicklungshilfe ein. Dafür wurden etwa 500 000 Dollar zur illegalen Unterstützung »oppositioneller« Organisationen ins Land gepumpt. Schon nach sieben Monaten Regierungszeit unternahmen auf US-Stützpunkten ausgebildete Militärs, Paramilitärs und andere Banditen einen brutalen Militärputsch. Aristide mußte fliehen. An dem Putsch wirkten ehemalige »Tonton Macoute«-Angehörige mit (die auch jetzt vor dem 28. Februar wieder mit US-Waffen ausgerüstet mordend und brandschatzend durchs Land zogen, um den Staatsstreich vorzubereiten). Als die OAS sich zu einem Boykott der Putschisten durchrang, nahmen sich die USA das Recht, 800 US-Betriebe auf Haiti sowie Erdöllieferungen für das Regime davon auszunehmen. Mehr als drei Jahre ließen die USA die Putschisten, die mindestens 3000 Anhänger Aristides töteten, gewähren, ehe sie im Oktober 1994 widerstrebend den gewählten Präsidenten mit Hilfe von US-Marines in sein Land und sein Amt zurückkehren ließen – aber nur unter strengen Vorbedingungen: Obwohl er erst sieben Monate von den fünf Jahren seiner Wahlperiode amtiert hatte, durfte er nur bis zur Neuwahl 1995 Präsident bleiben; die seit dem Putsch verlorenen Jahre wurden ihm von den USA einfach als »Amtszeit« angerechnet. Die Marines blieben eineinhalb Jahre, auch um sicherzustellen, daß die wirtschaftlichen Maßnahmen, zu denen Aristide verpflichtet worden war, zur US-Zufriedenheit durchgeführt wurden. Doch Aristide ließ sich nicht alles verbieten. Zum Ärger der USA löste er im Februar 1995 die Armee auf, die das Land schon mit mindestens 13 Militärputschen tyrannisiert hatte; in ihre Ausbildung war viel Geld aus den USA geflossen. Als Nachfolger wurde Ende 1995 der von Aristides Lavalas-Partei nominierte René Preval gewählt; Aristide konnte aus verfassungsrechtlichen gründen nicht ein zweites Mal hintereinander kandidieren. Als er aber fünf Jahre später, im November 2000, die Wahl mit 92 Prozent gewann, sperrte die Regierung Bush sofort jede multinationale Entwicklungshilfe. Als er auch noch einen Putsch im Dezember 2001 niederschlagen konnte, verstärkten die USA ihre »Entwicklungshilfe« für die sogenannte Opposition, um das Ärgernis Aristide endgültig aus der Welt zu schaffen. Diese Methode der bezahlten Unruhestifter hatte schon 1990 in Nikaragua zum Erfolg für die von den USA unterstützten Parteien geführt, und in Venezuela hätte es 2002 um ein Haar ebenfalls geklappt. Washington folgte dem Beispiel der katholischen Kirche, die ihren Priester Aristide wegen »Glorifizierung des Klassenkampfes« des Amtes enthoben hatte. Die Entführung Aristides ist nicht nur für Jamaikas Premierminister Patterson, der im Namen der 15 Länder der karibischen Gemeinschaft (Caricom) sprach, »ein gefährlicher Präzedenzfall für alle demokratisch gewählten Regierungen«. Die 53 Staaten der Afrikanischen Union nannten die Verschleppung »verfassungswidrig«. Ähnlich sehen es auch mehrere Abgeordnete des US-Kongresses, darunter Charles Rangel und Barbara Lee. Sie warfen der Regierung »Kidnapping« vor, forderten einen Untersuchungsausschuß und verlangten die Wiedereinsetzung Aristides. Dieser Forderung schlossen sich auch gewerkschaftliche Organisationen an. Der Gewerkschaftsrat der AFL-CIO von San Francisco verlangte Aufklärung darüber, wer im vergangenen Jahr 20 000 M-16-Gewehre aus den USA in die Dominikanische Republik geschickt hat und wie die Waffen dann aus dem Nachbarland Haitis »in die Hände der Banditen gekommen sind, die Aristide gestürzt haben«. In der Financial Times schrieb Jeffrey Sachs, Institutsdirektor der Columbia-Universität in New York, die Entwicklung in Haiti sei »ein neues Beispiel für die Unverfrorenheit, mit der die USA kleine, verarmte Länder manipulieren, ohne daß Journalisten die Wahrheit hinterfragen«. Das Chaos der letzten Wochen in Haiti sei »von Washington produziert worden«. Und ein Sprecher der afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisation N'Cobra sagte, die Frage »Warum Haiti? Warum Jetzt?« lasse sich mit nur zwei Worten beantworten: Kuba, Venezuela!
Erschienen in Ossietzky 6/2004 |
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