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Denn alles Potential an Technik und Ressourcen ist zwecklos ohne Menschen, die nicht nur dieses, sondern auch ihr Leben einsetzen. Die Arbeit des Kämpfens war weit überwiegend der Sowjetunion überlassen. Die USA verloren 260 000, die Sowjetunion 13,6 Millionen Soldaten. So war es von der amerikanischen Führung auch gedacht. Sie hatte sich auf das Bündnis mit Stalin nur eingelassen, weil es garantierte, daß die Zahl der Opfer auf der eigenen Seite relativ gering blieb. Die USA waren durch ihre materielle Überlegenheit und ihre geographische Lage in der komfortablen Position, andere für sich kämpfen zu lassen. Wer das kann, wer über dem Widerstreit der Welt stehen und ihn für sich nutzbar machen kann, hat quasi göttliche Macht. Die USA haben diese Methode seitdem immer wieder angewandt, man denke nur an die UCK im Krieg gegen Jugoslawien oder die Modjahedin in Afghanistan. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügten die USA über mehr als 400 Militärstützpunkte, mit denen sie eine einzigartige strategische Überlegenheit erworben hatten. Und sie taten nun die letzten Schritte, um das geschwächte britische Empire zu beerben. Zugleich übernahmen sie die Strategie, die Großbritannien groß gemacht hatte. Sie bestand darin, nicht bloß andere für sich kämpfen zu lassen, sondern den blutigen Kampf möglichst zu meiden und dennoch zu siegen. Seit dem 17. Jahrhundert hatten die Engländer versucht, sich weniger auf Landkriege einzulassen als vielmehr die Meere zu erobern und dort mit dem Drohpotential ihrer Flotte immer präsent zu sein (»fleet in being«). So konnten sie alle physischen Vorteile nutzen, die die Meere gegenüber dem Land boten: Der Mensch operiert dort von vornherein nicht bloß mit seinem Leib, sondern auf einer technischen Grundlage. Er kann dort schneller sein, sich auch geradliniger bewegen, läßt die Schwerfälligkeit »irdischer« Bewegung hinter sich. Es kommt nicht mehr zuerst auf Masse im Raum, sondern auf Schnelligkeit in der Zeit an. Die Welt steht einem offen, man kann global operieren, viele Länder gleichzeitig bedrohen. Der Krieg verliert seine lokale Begrenztheit. Dabei muß man sich dem Feind nicht stellen, wenn er erscheint, sondern kann sich ihm auch entziehen. Andererseits kann man ihn jedoch fortwährend bedrohen und ihn so zermürben und demoralisieren (vgl. Paul Virilio: »Geschwindigkeit und Politik«). Die Vorteile werden noch größer und deutlicher, wenn an die Stelle der Seeherrschaft die Luftherrschaft oder die Kontrolle über den Weltraum tritt. Die Methode, den Krieg gleichsam aus einem Jenseits zu führen und so den eigenen persönlichen Einsatz zu minimieren, wurde noch vervollkommnet: Indem die USA, den heutigen forschungszentrierten militärisch-industriellen Kom-plex vorwegnehmend, die ersten Atombomben bauten, erlangten sie eine Überlegenheit, die qualitativ neu war. Sie eröffneten ein neues Zeitalter und ließen zugleich das Ende der Menschheitsgeschichte am Horizont aufscheinen. Jean-Paul Sartre hat 1945 in »Les Temps Modernes« die Bedeutung des Ereignisses in passende Worte gefaßt: »Es gibt nicht mehr die menschliche Gattung. Die Gemeinschaft, die sich zur Hüterin der Atombombe gemacht hat, steht oberhalb des Reiches der Natur, denn sie trägt die Verantwortung für ihr Leben und ihren Tod: Es wird in Zukunft nötig sein, daß sie jeden Tag und jede Minute zum Leben ihre Zustimmung gibt. Das ist es, was wir heute erfahren, in der Angst.« Wenn die Menschheit nun über die Macht verfügte, sich selbst zu vernichten, dann schien sie endgültig zum Subjekt ihrer Geschichte geworden. Denn schon nach stoischer Lehre ist die Fähigkeit zur Selbsttötung der Beweis der menschlichen Freiheit: das, was den Menschen aus der Natur heraushebt. Freilich war einst nur der einzelne gemeint, der im Unterschied zur Gattung ohnehin sterben muß; jetzt aber war die Gattung als ganze aus der Natur herausgehoben. Daraus folgte auch, daß der Krieg nicht mehr als Schicksal hingenommen werden konnte, sondern als Mittel der Politik hinterfragt werden mußte. Konnte es angesichts der weitreichenden Wirkung der Atomwaffen jetzt überhaupt noch Sieger geben? Konnte der traditionelle Nationalstaat, der ein Territorium und eine Zivilbevölkerung zu verteidigen hatte, diese Funktion noch erfüllen, wenn er von irgendwoher mit Atomwaffen angegriffen wurde? Dieser völlig neuen Lage, die erst allmählich ins öffentliche Bewußtsein drang, trugen die Vereinten Nationen in gewisser Hinsicht Rechnung, indem ihre kurz vor dem Abwurf der Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki unterzeichnete Charta kurz danach in Kraft trat, den Schrecken also gleichsam einklammerte. Die Weltpolitik machte sich damit jedenfalls auf die Suche nach institutionellen Formen, in denen sie die neue Verantwortung wahrnehmen könnte. Und es offenbarte sich die Ambivalenz der damaligen US-amerikanischen Politik, die einerseits im Sinne ihrer klassisch-liberalen Tradition den Ausbau des Völkerrechts und der internationalen Organisationen vorantrieb und andererseits mit dem Einsatz der Atomwaffe überwältigende eigene Stärke demonstrierte. Es war eben nicht eigentlich die Menschheit, die über das atomare Potential verfügte, also aus der Natur herausgetreten und Subjekt geworden war, sondern zunächst nur ein Teil von ihr, der folglich den anderen Teil mit Vernichtung bedrohen, also zum Objekt machen und der Natur zurechnen konnte. Aber würde sich dieser Teil damit abfinden? Und blieben die USA, der Quasi-Gott, nicht doch an die Natur und die anderen Menschen gebunden? War also nicht doch die Menschheit als Ganze in eine neue Epoche eingetreten? Edelbert Richters seit Heft 1/04 laufende Serie über die Globalisierung und die Entfaltung des US-Imperiums wird fortgesetzt.
Erschienen in Ossietzky 6/2004 |
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