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Arnulf Baring, der MeinungsführerRichard Gebhardt Als Professor Arnulf Baring 70 Jahre alt wurde, gratulierte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dem Juristen und Zeitgeschichtler mit den Worten, dieser habe mit seinen »unbequemen Thesen« nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Politik immer wieder anregend gewirkt. »Unsere Demokratie braucht Menschen wie Sie!« ließ Thierse den 1983 wegen Unterstützung Genschers aus der SPD ausgeschlossenen Publizisten wissen und pries das »hervorragende wissenschaftliche Renommee«, welches sich Baring erworben habe, vor allem mit Buchtiteln über den 17. Juni 19 53, die Kanzler der BRD oder die sozialliberale Koalition (»Machtwechsel. Die Ära Brandt/Scheel«). Doch in einer Bundestagsdebatte zum Thema »Antisemitismus bekämpfen« erteilte Thierse dem vormals so gelobten Wissenschaftler und politischen Kommentator eine öffentliche Rüge. Denn vor knapp 300 000 Zuschauern des ZDF-Nachtstudios hatte der meinungsfreudige Stichwortgeber der Berliner Republik über einen einstmals nicht vor den anstehenden Reformen verzagenden Reichskanzler geschwärmt. Ausgerechnet in einer Fernsehdiskussion zum zentralen deutschen Jahrestag, dem 9. November, hatte Baring über die gesellschaftlichen Energien geplaudert, die der Nationalsozialismus mobilisiert habe, und den »Enthusiasmus« und »Elan« der Hitler-Jahre gewürdigt. Dieser »Elan«, der bis in die 60er Jahre fortgewirkt habe, werde heute wieder benötigt. Die mediale Öffentlichkeit nahm Barings forsche Bekenntnisse kaum wahr. Widerspruch wurde nur vereinzelt (unter anderem in der taz ) angemeldet. Schließlich zählt er zu den telegensten, umworbensten Vertretern seiner Zunft. Mit seiner oftmals lautstarken, unwirschen, bisweilen grantig-eifernden Art wirkt er wie eine Reinkarnation des seligen Gerhard Löwenthal, dessen ZDF-Magazin in den 1970er und 1980er Jahren zur ideologischen Aufrüstung der Konservativen und zur Vorbereitung der Kohl-Ära beitrug. Was damals die »geistig-moralische Wende« war, ist in der Berliner Republik der »Ruck« (Roman Herzog), der durch Deutschland gehen soll, und Baring begleitet den neoliberalen Kurs mit autoritären Rufen nach »mehr Führungsstärke«. Wenn er sich fasziniert über die Massenmobilisierung der Nazis äußert, ist das kein Fehltritt. Die Verharmlosung des deutschen Faschismus und seiner Voraussetzungen sowie der Ruf nach mehr Autorität bilden vielmehr den Grundakkord für die Klagelieder über die Krise der Nation, aus denen Leute wie Baring ein einträgliches Geschäft gemacht haben. In dem 1991 veröffentlichten Gesprächsband »Deutschland, was nun?«, in dem Baring neben dem Schäuble-Verleger Wolf Jobst Siedler und Dirk Rumberg über Deutschland sinniert, gibt er sein reaktionäres Geschichtsbild preis: Historisch betrachtet, sagt der Zeitgeschichtler, war »das Dritte Reich natürlich nur ein autoritäres Regime, wenn auch mit gewaltiger krimineller Energie«. Der eigentümliche Satzbau mit »natürlich nur« und »wenn auch« zeigt, wie schwer es ihm fällt, die faschistische Diktatur als kriminell zu charakterisieren. Über das Leben im Nationalsozialismus sagt er: »Das Leben Deutschlands [sic!] ging nach 1933 im großen und ganzen unverändert weiter.« Das ist in doppelter Hinsicht verräterisch: Zum einen offenbart hier einer der prominentesten deutschen Historiker, indem er die nach dem 30. Januar 19 33 sukzessive verhafteten, gefolterten und ermordeten Juden, Sinti, Roma, Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter unerwähnt läßt, eine schreiende Leerstelle in seinem Geschichtsbild. Er meint eben den »deutschen Volksgenossen«, dessen Alltagsleben »unverändert« seinen Gang ging – bis zum Einzug in eine arisierte Wohnung und zur Einberufung ins Militär. Zum anderen erweist sich in Barings Einschätzung aber auch die Integrationsleistung des Regimes, unter dem er aufgewachsen ist und von dem er das Bild eines kommoden autoritären Staates vermittelt. Dieses Bild hat Baring anscheinend Jahrzehnte später noch nicht revidiert; in gemütlichen Kaminrunden bricht es aus der Latenz hervor. Als öffentlichkeitswirksamer Multiplikator leitet er sein verklärendes Denken an das Publikum weiter, welches – zumindest das ausgewählte im Fernsehstudio – die Forderung nach mehr »Durchsetzungsvermögen« des Kanzlers mit viel Applaus honoriert. Angesichts der strukturellen Krise des Modells BRD wird der Tonfall schriller, mit dem Machtverehrer wie Baring das Zeitgeschehen begleiten. Auf die zerfahrene Politik der rot-grünen Regierung reagierte er in der FAZ mit dem Schlachtruf »Bürger, auf die Barrikaden!« Daß ihm die »Zeitung für Deutschland« Gelegenheit zu diffusen Absichtserklärungen gab (»passiver und aktiver Widerstand«) und daß er auch die Wiederauflage des Artikels 48 der Weimarer Verfassung empfehlen konnte, waren Indizien für die Popularisierung der autoritären Lösung. Besagter Paragraph – der laut Baring »die krisengeschüttelte Republik jahrelang am Leben« gehalten hat – gilt der Geschichtswissenschaft meist als Voraussetzung des deutschen Faschismus, da dieser Präsidialparagraph den Weimarer Ersatzkaiser Hindenburg mit zahlreichen Sonderrechten ausstattete, die dann zur Machtübertragung an Adolf Hitler und dessen Programm der Massenmobilisierung führten. Heute preist Baring, allen Erkenntnissen zum Trotz, diesen Paragraphen als taugliches Mittel für den »innenpolitischen Ernstfall«. Ein Ernstfall, für den Volk, Nation und Regierung gerüstet sein müssen und in dem Parteien und Gewerkschaften nichts zu sagen haben, das ist das Programm des meinungsführenden Historikers Baring. Mag dessen mediale Beliebtheit noch mit seinem Talent für griffige, leicht verständliche Formulierungen (»Ich glaube, die Parteien müssen sich ganz dringend darüber Gedanken machen, wie sie mehr Führungsqualitäten entwickeln können«) und aufsehenerregende Auftritte z.B. als Provokateur in der Diskussion mit Daniel J. Goldhagen zu erklären sein, seine objektive Funktion ist jedenfalls nicht die Bereicherung der Abendunterhaltung. In Zeiten der Krise ist es die Aufgabe von Intellektuellen wie Baring, der Bevölkerungsmehrheit plausibel zu machen, daß sie für Staat, Gemeinwohl und das große Ganze »Opfer« zu bringen habe. »Mehr Führungsqualitäten entwickeln« – dieser Kaiser-Wilhelm-Spruch fürs mittlere Management ist der Leitgedanke der aktuellen Politik: Sozialleistungen kürzen, weniger Demokratie wagen! Und einer wie Baring, dem das ganze Parteiensystem mittlerweile ohnehin suspekt ist, sorgt für die passende medienwirksame Begleitung. Dafür verehrt ihn ein Publikum, das ihm, weil er im Fall Hohmann vor einer »Gesinnungsdiktatur« warnte, zum Beispiel so gratuliert: »Es muß doch endlich einmal Schluß sein«. So äußert sich auf (Leitspruch: »konservativ und frei«) ein Horst G. Schumann (Jg.1935) aus Essen unter Verweis auf Michel Friedman. Baring-Anhänger Schumann, der es sich nicht nehmen läßt, die jüdische Herkunft seiner Frau zu erwähnen, schreibt in der Rubrik »Leserbriefe« weiter, er »hoffe und glaube an unsere Jugend, die sicher die fast 60jährige Demütigung (laut Besatzer: Befreiung) des Deutschen Volkes nicht mehr hinnehmen wird«. Ein Hitler ohne Bart, das ist der Wunsch solcher Baring-Anhänger, welche auf dessen Internetseite ein Forum für Nationalzeitungs -kompatible Äußerungen finden. Daß die Macher der Seite sich in einer Stellungnahme gegen »links- und rechtsextremistische Meinungsäußerungen« verwahren, ist angesichts genehmigter Einträge dieser Art ein bezeichnender Witz.
Erschienen in Ossietzky 6/2004 |
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