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Eine Befragung der Staatssekretäre und Abteilungsleiter ergibt, daß die selbstverständlich ebenfalls nicht weiterwissen, weshalb nun eine Expertenkommission zusammengestellt wird (was darüber hinaus den Vorteil bietet, daß man Parteifreunde, unterbezahlte Konzernmanager oder beschäftigungslose Altbundespräsidenten sozial ein wenig abfedern kann). Die Experten sitzen dann sorgenschweren Hauptes um den Tisch und haben am Ende – auch von nichts nicht keine Ahnung. Also beauftragen sie eine Beraterfirma. Hier weiß man jetzt genau, was »die Wirtschaft« will, schließlich ist man, meist als Kapitalgesellschaft mit parteiparitätisch besetztem Aufsichtsrat, selbst Teil des freien Marktes. So sagt dann also die Firma – sie schmückt sich gern mit einem außerordentlich seriös klingenden Namen wie etwa Quality and Reality Kmowledge (QuaRK) – der Expertenkommission, was »die Wirtschaft« will. Die Kommission nickt das ab und sagt dem Minister, was »die Wirtschaft« will. Der nickt das ebenfalls ab und sagt dem Kanzler, was »die Wirtschaft« will. Der Kanzler bügelt die Gewerkschaften ab – fertig ist die Agenda. (Manchmal informiert sich der Kanzler unter Umgehung des Dienstweges auch bei seinem Vorgesetzten Michael Rogowski direkt.) Es gibt Kommentatoren, die behaupten, Berlin reagiere nur noch panisch, ratlos. Im Gegenteil: Wir sind längst eine Räterepublik. Nichts wird dem Zufall überlassen bis hin zum outfit-managing: In proletarischen (Designer-)Hemdsärmeln zum Parteitag; beim Industrieverband im stilvollen Sakko von Brioni – das schafft Nähe. Glaube doch keiner, daß Schröders göttlicher Wahl-Klopfer »Bring mal 'ne Flasche Bier!« von ihm selbst erarbeitet wurde. Daran haben vermutlich vier Beraterfirmen (und zusätzlich eine speziell für den Apostroph) monatelang geknobelt. Auf so etwas genial Volksnahes kommt doch ein Politiker nicht von allein. So einer läßt sich bestenfalls die Haare tönen. Oder um Intellektualität zu demonstrieren, mit unserem größten deutschen Dichter fotografieren – mit Dieter Bohlen. Der bayerische Ministerpräsident – sonst eher als konservativ verschrieen – hat sicher erst eine alternative Beraterfirma konsultiert, bevor er sich locker als Anti-Chauvi outete und im Fernsehen erklärte, die Kür des neuen Bundespräsidenten sei Sache von – so wörtlich – »WahlmännerInnen«. (Der Wahltermin 23. Mai liegt übrigens heuer genau zwei Wochen nach dem VaterIntag.) Und welches begnadete Wissenschaftler-Team mag den Ober-Bayern beraten haben bei der sensationellen Erkenntnis: »Die Deutschen werden durchschnittlich jeden Monat älter«? Eine Sternstunde der Demographie! Vor allem durchschnittlich : Manche werden manchen Monat älter, manche manchen Monat nicht. Da sieht man gleich, was professionelle Beratung bringt. Der Bundesfinanzminister hält sich einen persönlichen Medienberater, der ihn gegen das bescheidene Honorar von – täglich – 520 Euro vermutlich bei der Wahl des Schlipses für seine Auftritte im festen Ensemble der Schauspieltruppe »Sabine Christiansen« berät. Daß der Krawatten-Fachmann aus Steuermitteln bezahlt wird, ist logisch, weil in unser aller Interesse. Oder möchte etwa jemand den Minister mit geschmackvollem Schlips auf der Glotze sehen? Da wirkte so einer doch als unseriöser Luftikus oder Beutelschneider, geriete in schlechten Ruf. Wie wir immer wieder aus Nürnberg oder Berlin erfahren, wird ein Medienberater vor allem dann benötigt, wenn einer unserer Regierenden in schlechten Ruf geraten ist. (Letzteren merkt man oft selbst. Im Gegensatz zu Mundgeruch.) Dann ist Eile geboten. Soll man da am Ende noch mit Ausschreibungen Papier des Steuerzahlers verschwenden? Verantwortungsvoll nimmt ein Minister, Vorsitzender oder Körperschaftspräsident doch sowieso nicht das erste beste Institut, sondern das erste, das er am besten kennt. Schon vorstandsmäßig. Besäße der leider bisher so übelbeleumundete Auftraggeber nun obendrein Aktien der Beraterfirma, wäre der Nutzen auch volkswirtschaftlich sinnvoll: Ruf und Aktienkurs stiegen gleichermaßen. Wirtschaftsaufschwung für alle Beteiligten. Wer redet da von Korruption? Unsinn. Es geht um Kompetenz. Heute muß sich kein Konzernboß mehr seinen Abgeordneten auf Biegen und Brechen kaufen. Wissen ist Macht. Man muß nur wissen, welcher Ehrenmann von welcher Firma schon mal etwas angenommen hat. Das langt. Für Politiker ist es eben wichtig, absolute Klarheit darüber zu gewinnen, wie sie sich am besten verkaufen. Festpreis oder Erfolgshonorar, das ist hier die Frage. Das füllt viele so aus, daß sie die politischen Entscheidungen nolens volens eben den Fachleuten der Beraterfirmen überlassen müssen. Ein Minister beispielsweise ist doch – auch zeitlich – völlig eingespannt: hie eine Weihnachtsfeier, dort eine Dienstreise in die Südsee (im Winter natürlich – sonst wär's ja nix), um mit dem Verkehrsminister der Tonga-Inseln dringende Schneeräumprobleme zu erörtern... Drei Wochen später enthüllt Der Spiegel , die tongalesische Regierung habe sich zum fraglichen Zeitpunkt geschlossen auf Urlaub befunden – in Grönland, wo sonst? –, und der Meinungsaustausch sei daher auf niedrigerem Niveau mit dem Bruder des Büroboten des Unterstaatssekretärs des Verkehrsministers der Tonga-Inseln abgewickelt worden. Das mache aber nichts, erklärt ein Sprecher des Bundespresseamtes, da internationale Kontakte auf allen Ebenen gepflegt werden müßten. Die Minister haben also gar keine Zeit zum Regieren, deshalb müssen halt Beraterfirmen entscheiden. Die haben es ja auch gelernt und kriegen es bezahlt. Und zwar klotzig. Für lausige 700 000 Euro erklären die doch bestenfalls einem CSU-Hinterbänkler, wie man an die schönen Porno-Seiten im Internet kommt. Nun gibt es jedoch eine Verordnung der Bundesregierung, wonach Firmen, die sehr viel Geld einsacken, keine Steuern zahlen dürfen. Was tun? Da geben die Beraterfirmen nach altem Brauch einfach den wichtigsten Politikern Beraterverträge, meist zu einem Festpreis von 200 000 Euro. Dafür muß der Parlamentarier dann aber auch jährlich ein Gutachten von wenigstens anderthalb DIN-A4-Seiten schreiben. Lassen. Die Firmen können die Summen von der Steuer absetzen (schlimmstenfalls, wenn alles rauskommen sollte, setzen sie sich selbst ab in die Schweiz), und das Geld ist wieder dort, wo es hergekommen ist. Fast. Alle sind zufrieden. Nicht alle. Manche mosern auch: Die Berater machen Politik? Wir haben die doch gar nicht gewählt. – Ja, aber bezahlt. Irgendwie ist es doch nicht nur ein Geldkreislauf, sondern auch sonst logisch: Die Politiker mit den Beraterverträgen beraten die Beraterfirmen; die beraten wiederum das Experten-Gremium, welches die Regierung berät, und die exekutiert dann die Sachzwänge. Wir haben schließlich Gewaltenteilung im Rechtsstaat: Exekutive, Justiz, Legislative und Beraterative (bzw. Konsultative). Und damit das alles richtig schön demokratisch abläuft, darf das Volk dann alle paar Jahre darüber abstimmen, ob es sich nun lieber von der CDU oder von der SPD die Renten streichen lassen will.
Erschienen in Ossietzky 6/2004 |
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