Aufstehn – aber wofür?

Arno Klönne

Für den 3. April haben europaweit Gewerkschaften und soziale Bündnisse zu Demonstrationen unter der Parole »Aufstehn – für ein soziales Europa« aufgerufen. In der Bundesrepublik wird in Berlin, Stuttgart und Köln demonstriert. Es ist zu hoffen, daß sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger daran beteiligen. Allerdings werden sie zu erkennen geben müssen, wogegen und wofür sie demonstrieren. Liest man die gewerkschaftlichen Aufrufe hierzulande, so scheint das nicht ganz klar zu sein. Der DGB fordert uns auf, »Teil einer Bewegung für eine europäische Wirtschafts- und Sozialordnung zu werden, die den Menschen dient – Arbeit für alle, von der man in Würde leben kann, eine solidarische Gesundheitsversicherung, Renten, die ein würdiges Leben im Alter sichern.« Ich verstehe das so, daß ich, diese Ziele anstrebend, am 3. April auch gegen die »Agenda 2010« demonstriere. Im Aufruf der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie lese ich jedoch etwas anderes: Wir sollen »für das Modell Deutschland« demonstrieren. Wie sieht das aus? Offenbar hat es im Verständnis des Vorstandes dieser Gewerkschaft starke Ähnlichkeit mit der Agenda des Bundeskanzlers, denn von der Bundesregierung wird nur eine einzige Korrektur gefordert: »Betriebsrenten sollen nicht durch zusätzliche Beiträge zur Krankenversicherung gekürzt werden. Das muß vom Tisch.« Sonst nichts? »Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse«, heißt es im Aufruf der IG BCE, das Nationalgefühl pflegend. Sollen wir stattdessen deutsche Agenda-Verhältnisse wollen? Am 3. April wird klarzustellen sein, daß wir uns nicht – nur um Korrektur am Zusatzbeitrag bei den Betriebsrenten bittend – zu einer Sympathiekundgebung für die Bundesregierung versammeln.

Erschienen in Ossietzky 6/2004