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FürsorglichDie freundliche Übergabe des bundesrepublikanischen Mannesmann-Konzerns
an das britische Unternehmen Vodafone schaufelte nicht nur dem damaligen Vorstands-
und dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden millionenschwere Prämien und
Abfindungen zu, sie hatte auch eine lukrative Vorgeschichte. Der WDR -Journalist
Klaus Martens berichtete darüber, daß schon im Vorfeld der Fusion
andere Mannesmann-Manager finanziell versorgt wurden, darunter der aus der
IG Metall kommende damalige Arbeitsdirektor Josef Murawski, der für seinen
Ruhestand das bescheidene Seiner Gewerkschaft oder einer gewerkschaftlichen Stiftung, so beteuerte Murawski laut Martens bei den Ermittlungen, sei aus seinen Abfindungen nichts zugeflossen. Insofern kann man ihm den Vorwurf der Untreue nicht machen. Marja Winken
McKinsey ist daFür die nächsten zwei Monate sind im Brandenburger Theater alle Vorstellungen von Rolf Hochhuths »McKinsey kommt« ausverkauft. Für einen Abend hat sich die Firma McKinsey den ganzen Saal reservieren lassen. Keine der vielen Berliner Bühnen mochte das Stück nehmen – sie sind zumeist mit vermeintlich Höherem beschäftigt, das dem Publikum aber auch mit vielen analen und vaginalen Zutaten nicht recht verständlich wird. Die Massenarbeitslosigkeit ist für sie kein Thema. Deswegen fahren die Berliner nun nach Brandenburg. Es ist nicht weit: mit dem Regionalexpreß vom Ostbahnhof knapp eine Stunde, vom Bahnhof Zoo gut eine halbe. »Immer mehr Menschen werden immer weniger gebraucht«, heißt es in dem Stück. Hochhuth demonstriert, daß das kein unabwendbares Schicksal ist. Beraterfirmen wie McKinsey sorgen dafür, daß immer weniger Menschen beschäftigt werden – auftragsgemäß »verschlan-ken« sie sogar die Arbeitsämter. Aber gibt es nicht ein Menschenrecht auf Arbeit? Warum wird bestraft, wer mir das Portemonnaie geklaut hat, nicht aber, wer Arbeitsplätze klaut? Warum werden nicht drei Pförtner statt zweien beschäftigt – bei verkürzter Arbeitszeit für jeden? Der dritte wäre dann nicht mehr durch Arbeitslosigkeit entwürdigt. So argumentiert im Stück eine Anwältin vor dem Bundesverfassungsgericht und erhält für die Forderung, das Recht auf Arbeit im Grundgesetz zu verankern, starken Beifall aus dem Publikum, das immer bei der Sache ist und auch am Schluß lange dankbar klatscht – obwohl das Stück alles andere als ein Meisterwerk ist. Nachher an der Garderobe, auf dem Weg zum Bahnhof, auf dem Bahnsteig, im Zug wird lebhaft diskutiert: über die wachsende Massenarbeitslosigkeit, die Notwendigkeit, sie zu bekämpfen, und die Aufgabe des Theaters, solche Skandale zu thematisieren. Die Resonanz müßte Dramatiker ermutigen, die imstande sind, wirkliche Dramen zu schreiben. Es gibt sie – heute wie eh und je. Mir fällt der in Berlin lebende Werner Fritsch ein. Sein Stück »Hydra Krieg«, soeben bei Suhrkamp erschienen, wurde im vergangenen Herbst im Landestheater Linz uraufgeführt, im nicht kriegsbeteiligten Österreich. Keine deutsche Bühne zeigt bislang Interesse. Käthe Reichel trug kürzlich im Berliner Brecht-Haus daraus eine Passage vor: den Traum eines von einer Landmine – hundert Millionen Minen sind weltweit im Boden verlegt – verletzten, beinamputierten Mannes, der plötzlich wieder laufen kann, als es gilt, Kinder vor Minen zu retten... Auf nach Brandenburg! Aber nein, das dortige Ensemble wird »abgewickelt«, die Arbeitsplatzvernichter sind auch hier längst am Werke. Marion Wiegmann, die als die Anwältin in »McKinsey kommt« ihre Fähigkeiten zeigt,obwohl das Stück dazu wenig Gelegenheit bietet, ist eines der letzten Mitglieder. Für Inszenierungen gibt die Brandenburger Theater GmbH kein Geld mehr aus. Welcher Autor ist in der Lage, selber die Aufführung seiner Stücke zu finanzieren? McKinsey kauft gewöhnlich keine Vorstellungen. Eckart Spoo
Bühnenveteran?»Veteran; alter Soldat, Ausgedienter, Teilnehmer an einem früheren Feldzug; kommt von ›vetus‹ (lat.) bejahrt, ergraut, ehemalig«, steht in Wahrigs »Deutsches Wörterbuch«. Nachdem ich Heinz Kerstens Kritik der Aufführung von Heiner Müllers »Der Auftrag« ( Ossietzky 3/04) gelesen hatte, daß Ekkehard Schall ein »Bühnenveteran« ist, wollte ich wissen, was das ist: ein Veteran. Nun bin ich noch ratloser. Denn Ekkehard Schall ist, wie ich gerade in einer Laudatio des Rose-Bruford-College in London lese, ein »Schauspieler der Weltklasse«, im Moment in eindrucksvollen Rollen im Berliner »Theater 89« zu sehen (in Ossietzky zweimal gewürdigt). Daß er eine Zeitlang nicht zu sehen war, liegt daran, daß das Theater, das ihn prägte und das er wesentlich mitgeprägt hat, verschwunden ist – und das bestimmt nicht, weil er »bejahrt, ergraut, ehemalig« geworden ist, sondern eher, weil er mit diesem Theater noch einiges vorhatte. Bezieht Heinz Kersten den »Bühnenveteran« allerdings auf Schalls Alter, so frage ich mich, warum ein Bernhard Minetti, der ihn darin weit übertraf, immer »Altersgenie« genannt wurde und nicht »Bühnenveteran«. Hat das etwa noch mit Ost-West zu tun? Sollte der alte Wechselkurs (1 zu 5) hier immer noch gelten? Manfred Wekwerth
Weltreise am Potsdamer PlatzNach fünf Filmen auf der Berlinale war mir am Ende wie nach einer Weltreise. »Cold Mountain« schildert die Odyssee des aus dem amerikanischen Bürgerkrieg desertierten Soldaten Iman, sein »Farewell to Arms«, um wieder zu seiner Geliebten zu gelangen, die beim Cold Mountain die Farm ihres verstorbenen Vaters bewirtschaftet. Schon wegen der erhabenen Schönheit der Landschaft ist dieser Film ein Fest fürs Auge, dazu packend wegen Jude Laws überzeugender Darstellung eines jungen Zimmermanns, der nie Soldat werden wollte. Alles stimmt: die karge, rauhe Ausdrucksweise, die doch den Mann mit Seele verrät, und wie er sich zu behaupten, zu wehren weiß, sich für andere einsetzt. Und Nicole Kidman als Ada, seine Geliebte – eine wunderbare Darstellerin, die mir aber in dieser Landschaft unter diesen Menschen zu anders, zu zart, zu schön, zu zerbrechlich vorkam. »Dieses Jahr in Czernowitz« setzt thematisch Volker Koepps erfolgreiche Dokumentation »Herr Zwilling und Frau Zuckermann« fort, denen dieser neue Streifen auch gewidmet ist. Er zeigt jüdische Emigranten bei der Wiederbegegnung mit der einstigen Heimat – einschneidende Erlebnisse, die dem Betrachter nachhaltig vermittelt werden. Doch der in Brooklyn geborene und dort aufgewachsene Schauspieler Harvey Keitel wirkt in seiner Suche nach den eigenen Wurzeln zu bemüht; er spielt diese Suche ohne spürbare Tiefe. »Lalecet Al Hamain« (Walk on Water): Die Legende von Jesus‘ Schritten über das Wasser ist für diesen Gegenwartsfilm aus Israel so gut wie bedeutungslos – warum dann der Titel? Nachdem ein Mossad-Agent einen Hamas-Führer liquidiert hat, erhält er den Auftrag, den letzten lebenden Nazi-Mörder zu jagen und zu töten. Er spürt ihn in einer Villa in Berlin-Zehlendorf auf. Tötet er ihn? Das sei nicht vorweggenommen. Aufschlußreich ist, wie er über ein junges deutsches Geschwisterpaar, die Enkel des Mörders, ans Ziel gelangt. Auch was man dabei über den Mossad erfährt. Und über die Motive zweier junger Deutscher, nach Israel zu reisen. Schauspielerisch glänzend Lior Ashkenazi als Geheimdienstler und Knut Berger als Enkel des Nazi-Mörders. »Sweet Sweetbacks Baadasssss Song«: Der schwarze Filmemacher Melvin Van Peebles erweist sich als Multitalent. Der Wahnsinnstitel, die wilden Bilder, die wilde Musik, die wilde, bahnbrechende Regie – alles von ihm und durch ihn. Er spielt auch selber den Sweetback, einen jungen Schwarzen, der, nachdem er zwei rassistische weiße Polizisten getötet hat, vor dem Gesetz fliehen muß, was ihm mit Hilfe der schwarzen Community auch gelingt. Der Blick in diese Hölle auf Erden ist erschütternd, eine US-Großstadthölle vol-ler Laster, Verbrechen, Elend und Not. Dies ist die Welt, in die sich die Black Panthers in den 70er Jahren einbrachten. Wie auch Melvin Van Peebles, der sich zu den Black Panthers bekennt. »Beautiful Country«, dieses »schöne Land« ist US-Amerika, wohin sich Binh, ein junger Vietnamese mit amerikanischem Vater, den er nicht kennt, auf den Weg macht – mit hunderten asiatischen Flüchtlingen zusammengepfercht auf einem schrottreifen Cargoschiff, ausgeplündert alle, bedroht, den stürmischen Meeren ausgesetzt, immer den Tod vor Augen. Weiter geht die Odyssee über Land: per Autostop quer durch Amerika bis nach Texas, wo Binh den Vater findet, einen erblindeten Vietnam-Veteranen. Allein schon wie Nick Nolte diesen Mann spielt, lohnt den Weg ins Kino. Walter Kaufmann
Nachtwey-RiefenstahlJames Nachtwey sei der berühmteste Kriegsfotograf unserer Zeit – lesen wir. Die FAZ preist ihn: Die ästhetische Qualität seiner Aufnahmen schärfe unseren Blick auf das, was sie zeigen. Sie verwandele das Gesehene in ein Bild, das zurückschaut. Es sei ein Album der Menschheit, das hier entstehe, eine Bestandsaufnahme des späten zwanzigsten und frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts. Nicht weniger anspruchsvoll äußert er sich selber: Was er festhalte, werde Teil des ewigen Archivs unseres kollektiven Gedächtnisses sein, und er wisse, daß Fotos Verantwortliche zum Handeln zwingen können. Seine Fotografie ist in der Tat ästhetisch: ästhetisch hochwertige
Propaganda. Das merkt man ihr auf den ersten Blick nicht an – was sie in gewisser
Weise auszeichnet; wir erinnern uns an ein Zitat von Josef Goebbels über
den Charakter wirkungsvoller Propaganda. Wenn Nachtwey sich rühmt, Verantwortliche
zum Handeln zwingen zu können, ist damit das Führen von Krieg Ganz wichtig sei Nachtweys Mut zur Wahrheit, lesen wir im Gästebuch zur Ausstellung »War Photographer«, die bis 29. Februar in Berlin zu sehen ist. Seine Fotografie sei ein Mittel des Protests gegen den Krieg, wird verbreitet. Um Nachtwey hat man die Aura des Ästheten und des moralisch unanfechtbaren Antikriegsfotografen aufgebaut. Sie verstellt den Blick auf den propagandistischen Kern. Nicht die einzelnen Fotos sind das Problem, sondern die Tatsache, was er fotografiert und was nicht. Beispiel Afghanistan 2001: Die Opfer des von den USA geführten Krieges gibt es nicht. Beispiel Jugoslawien 1999: Die Opfer des von der NATO geführten Krieges gibt es nicht. Leid wird immer von den anderen verursacht. USA, NATO, das sogenannte westliche Bündnis gelten für Nachtwey nicht als Leid- und Kriegsverursacher. Der Krieg der NATO gegen Jugoslawien wird auf den Kosovo reduziert, und Verursacher des Leids im Kosovo sind fast ausschließlich die Serben. Sie sind es, die, wie wir in der Ausstellung erfahren, bis 1998 über 2000 Kosovaren umbringen, über 300 Dörfer zerstören und 200 000 Menschen vertreiben. Die UCK dagegen ist eine Guerilla-Organisation, in der sich ›einige‹ Kosovaren zusammenschließen und ihren Kampf für die Unabhängigkeit ›vorbereiten‹. Daß die UCK – mit starker Unterstützung von außen – tatsächlich gekämpft, Krieg gegen die Serben geführt haben könnte, bleibt außerhalb des Denkbaren. Über Ursache und Wirkung besteht immer Klarheit: Auf palästinensische
Attentate folgen israelische Vergeltungsmaßnahmen. Das Westliche Bündnis
muß 1999 den in Serbien wiedererwachten Faschismus zurückschlagen.
Die Ende 2003 hat Nachtwey seinen Antikriegsmantel vollends abgelegt und propagiert den globalen »Krieg gegen den Terror«. Auf der Titelseite des Time-Magazin vom 29.12.2003 präsentiert er US-Soldaten, die sich an dem völkerrechtswidrigen Raubüberfall auf den Irak beteiligen, als Helden. Sie werden dort als »Person of the Year« verherrlicht. Nachtwey stellt sich auf die Seite der Macht, er lenkt den Blick in die von seinen Auftraggebern gewünschte Richtung. Und das macht er gekonnt. Er wird zur Leni Riefenstahl des US-Imperiums. Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Ruth Berlaus verborgene Talente»Ohne Brecht nahm sie keine Kamera in die Hand«, versicherte mir kürzlich Vera Tenschert, seinerzeit Nachwuchskraft im von Ruth Berlau (1906-1974) gegründeten Fotoarchiv des Berliner Ensembles. Selbst die ehemaligen Mitarbeiter ahnten nicht, welche Menge Fotos Ruth Berlau – außer Tausenden von Theaterfotografien – hinterlassen hat. Und es war ihnen auch nicht klar, daß ihre zwischen Suff und Verzweiflung pendelnde Chefin zumindest potentiell eine professionelle Fotografin war. Um so verdienstvoller ist, daß Grischa Meyer den im Brecht-Archiv verborgenen Schatz gehoben hat. Interessant sind vor allem stimmungsgeladene Fotos aus der Emigration in den USA, die selten die Erfolgreichen, meist die Marginalisierten zeigen. Dazu zählten in jener Zeit nicht nur die Beschäftigungslosen, sondern auch ein Großteil der Beschäftigten. Während letztere im totalitären, aber auch im übrigen Europa in gestellter, oft heroischer Pose gezeigt wurden, hatte sich in den USA eine Sozialfotografie entwickelt, die durch das Erfassen spontanen Ausdrucks viel authentischer wirkte. In diese von FotografInnen wie Dorothea Lange repräsentierte Linie gehört auch Berlau. Bevor sie im Frühjahr 1944 einen Fotokurs bei Josef Breitenbach belegte,
hatte sie nach eigenen Angaben lediglich privat »geknipst«. Zunächst
wollte sie nur die Typoskripte Brechts verfilmen, deren Papierzustand kritisch
geworden war. Sie sollten aber auch weltweit rasch verfügbar sein. Filme
mit ungedruckten Stücken samt copyright-Bestimmungen übergab Berlau
Manhattens Public Li- Mit dem Fotokurs fand sie aber auch endlich ein ihr gemäßes Kunstmedium. Chronische Konzentrationsschwäche hatte ihre Möglichkeiten als Schauspielerin, Regisseurin und Autorin begrenzt. Da zum Fotografieren ein kleiner Moment Konzentration genügt, konnte sie hier ihre wirklichen Talente entfalten: vor allem das bei Brecht nicht so hoch im Kurs stehende Mitfühlen und Einfühlen, auch und gerade in Existenzen, die sich – wie sie selbst – unsicher und zerbrechlich fühlten. Die Serien über streikende New Yorker Transportarbeiter und über eine Demonstration jobfordernder Kriegsheimkehrer, Frauen und Farbiger zeigen, daß sie auch das Selbstbewußtsein der sozial Schwachen festzuhalten verstand. Nur selten fanden sich Datierungen und Legenden, wie z. B. zu den anrührenden Fotos eines elenden Indianerdorfs, die sie auf einer Reise mit Brecht im Auto von Charles Laughton von New York nach Santa Monica aufnahm. Sie hoffte wohl, sie als Fotoreportage an das dänische Kommunistenblatt Land og folk zu verkaufen. Einige dort oder in der liberalen Zeitung Politiken erschienene USA-Reportagen Berlaus ersetzen die fehlenden Legenden. Der Band suggeriert, daß Berlau gleich nach ihrer Ankunft 1941/42 im Hafen von Los Angeles skandinavische Seeleute fotografierte, die sich den alliierten Streitkräften angeschlossen hatten. Diese Kontakte interessierten Berlau jedoch erst, seit sie zwischen Juni 1942 und Juli 1943 für die dänischen Radiosendungen des New Yorker Office of War Information solche Seeleute interviewte. Da sie in dieser Phase nicht in Los Angeles war, müssen die Fotos viel später entstanden sein. Tatsächlich hielt sie auch nach ihrer Entlassung Kontakt mit Einrichtungen, die skandinavische Seemänner in New York und Los Angeles betreuten, und kümmerte sich – dann womöglich im Auftrag des sowjetischen Geheimdiensts – besonders um Leute mit kommunistischem Hintergrund. Auch bisher unbekannte Brecht-Fotos begegnen uns. Zumeist geben sie die intime Atmosphäre freundschaftlicher Kontakte wieder, die zugleich Arbeitskontakte waren: Brecht mit Feuchtwanger und Frau, die eine Gartenarbeitsschürze trägt; mit Laughton in der Mechanikerwerkstatt, die 1947 Requisiten für die »Galilei«-Premiere herstellte; mit Elisabeth Bergner im Freizeitdress, während »The duchess of Malfi« gedichtet wurde. Auch die Künstlerfotos zeigen kaum Glamour, sondern alltägliche Haltungen, manchmal Selbstzweifel. Von großer Schönheit sind die eindringlichen Aufnahmen der häßlichen Grotesktänzerin Valeska Gert. Fotos aus den ersten Berliner Jahren haben die Nachkriegsnot zum Thema. Massenfotos von FDJ-Chören und kasernierter Volkspolizei gerieten Berlau zu Dokumenten von irritierend unmilitärischer Menschlichkeit. Denkwürdig ist die Serie über die Demonstration des Berliner Ensembles, das am 1. Mai 19 54 durch das – wie andere deutsche Städte damals noch nicht trümmerfreie – Ostberlin zog. Davon war bisher nur ein schmuckes Werbefoto bekannt, das Brecht und Weigel vor ihrem Theater zeigte. Sabine Kebir Grischa Meyer: »Ruth Berlau - Fotografin an Brechts Seite«, Propyläen Verlag, 190 Seiten, 39 € Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Einer, der sein Schrittmaß fandMit einem Partner gehen, Landschaft durchwandern, das ist für ihn eine Erfahrung des Erwachsenwerdens. Ihm erschloß sich Lyrik beim Gehen. Wenn er mit Kollegen über Texte und Projekte stritt, geschah das beim Spaziergang. Er braucht das Gehen, um mit sich im Reinen zu sein. Peter Härtling ist zudem ein Meister der Interieurs: Es sind Zimmer der Kindheit und die Wohnungen der Freunde, die den Erinnerungen einen Raum geben, sie sinnlich vorstellbar machen. Dem Flüchtlingsjungen und frühen Waisen reichte die Bibliothek in Nürtingen bald nicht mehr. Aber Nürtingen wurde ihm wichtig. Hier nahmen sich väterliche Freunde seiner an, hier entschied er sich, lieber dem Abitur zu entsagen, als einen großherrlichen Lehrer auf seiner Seele und seinen Lektüregöttern herumtrampeln zu lassen. Er hatte Glück, wurde der »junge Mann« bei renommierten Zeitungen, wurde Chef des S.Fischer-Verlags. Nachts schrieb er seine Bücher, bis er – Familienvater und Mann mit Einfluß – sich endlich entschloß, nur noch zu schreiben. Es gibt kaum einen Prominenten aus der westdeutschen Kulturgeschichte, dem er nicht begegnete. In kleinen, sehr privaten Porträts erinnert er dankbar an viele. Kaum jemand wird sich durch das Buch beleidigt fühlen. Peter Härtling ist so nobel, daß ihm selbst zu dem einzigen Buch, das er verlegte, ohne es zu mögen, Autor und Titel partout nicht einfallen. Wie alle seine Bücher hat auch dieses nicht nur Schrittmaß, den Rhythmus des an langes Wandern Gewöhnten, sondern auch Melodie. Ein realistischer Romantiker. Ein Paradox. Aber Härtling hat gelernt, so zu leben. Christel Berger Peter Härtling: »Leben lernen. Erinne-rungen«, Kiepenheuer & Witsch, 378 Seiten, 22.90 Euro
Press-KohlDie Leipziger Volkszeitung berichtete aus Wernigerode über das gefährliche Klima auf dem Brocken: »Viele leichtsinnige Besucher unterschätzen die Wetterverhältnisse auf den Harzhöhen, die denen eines 3000er Alpengipfels entsprechen... Zu den schweren Verletzungen zählen Herzinfarkte, Knochen- und Schädel-Basis- Brüche oder Frakturen .« Neben den Brüchen oder Frakturen – so muß hinzugefügt werden – beobachtete man bei den Unfällen auch gewaltsame Spaltungen und Teilungen von Knochen, welche durch das Zerbrechen derselben hervorgerufen worden waren. * Die LVZ weiß auch zu melden: »Zwikkau und ebenso die Technische Uni in Chemnitz – beide traditionell mit dem Fahrzeugbau verbunden – haben sich wieder zu Denkwerkstätten des Autolandes Sachsen entwickelt.« Bei der Entwicklung zu Denkwerkstätten geschieht so manches am Rande: Ein Kommilitone sei zu Hause rausgeflogen, weil er im Wohnzimmer Motoren auseinandergenommen habe. »Er wollte unbedingt in seinen Scirocco einen 6-Zylinder-Audi-Motor einbauen, bloß um mal einen Porsche abzuhängen. Typen wie diese sind nicht nur verrückte Bastler, sie müssen ihr Fach beherrschen.« Und dank welchen Umstands beherrschen diese Typen, die nicht nur verrückte Bastler sind, ihr Fach? Ein Experte hat es der LVZ verraten: »Wenn Karl-Friedrich Fischer über seine autovernarrten Studenten spricht, geht der Schalk mit ihm durch. Die Jungs, sagt der Rektor der Zwickauer Fachhochschule, hätten Diesel im Blut, die fahren auch abgesägte Schrotflinten «. Was sagt die Verkehrspolizei dazu? Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 4/2004 |
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