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herüber. Am Rande der Schaulustigen machten sich Studenten mit Sprechchören
gegen den Bildungsabbau bemerkbar. Nicht lange. Bald wurden die Störenfriede
des Glanz&Glamour-Auftakts von der Polizei in bereitstehende Autos abgeräumt.
Der Rest des Festivals verlief störungsfrei. Aber es war auch ein Bildungsereignis.
Und wer es richtig zu nutzen verstand, fand in den Kinos am Potsdamer Platz
und im traditionsreichen Delphi unweit vom Zoo auch Aufklärung. Da in
der Berlinale-Woche gerade Kant gefeiert wurde, erinnerte ich mich gern an
seine berühmte Definition der Aufklärung als »Ausgang des Menschen
aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit«. Wer sich die richtigen
Filme Bei der Berlinale hatte man die Qual der Wahl unter einem Überangebot in allen Sektionen. Ich begann ganz unüblich mit einer Uraufführung im Kinderfilmfest. »Die Blindgänger«, die lange bis zur Realisierung gebraucht hatten, konnten an die große Kinderfilmtradition der DEFA anknüpfen. Regisseur Bernd Sahling war Assistent bei Kinderfilmen von Helmut Dziuba, Rolf Losansky und Hannelore Unterberg und studierte dann an der Babelsberger Filmhochschule. Bei seinem Drehbuch für »Die Blindgänger« profitierte er von Dziubas Mitarbeit. Dessen sensible Handschrift wird erkennbar in diesem Film über blinde Mädchen, die in ihrem Internat erste scheue Erfahrungen mit der Liebe suchen und einem jungen Aussiedler helfen, nach Kasachstan zurückzukehren. Mit dieser Geschichte geschickt verknüpft ist das publikumsattraktive Motiv eines Musik-Wettbewerbs. »Trau keinem Gucki« lautet die hübsche humorvolle Warnung der dreizehnjährigen blinden Freundinnen vor Sehenden, wobei man an das 68er Motto »Trau keinem über Dreißig« denken kann. Dieser einzige deutsche Beitrag zum Kinderfilmfest war ein beglückender Berlinale-Auftakt: emotional anrührend und nie in den Kitsch abgleitend, mit einem tränentreibenden Schluß. Dann ein ebenso hinreißender deutscher Panorama-Beitrag des renommierten Dokumentaristen Andres Veiel (»Black Box BRD«), »Die Spielwütigen«, wor-über Anne Dessau in diesem Heft berichtet. Die Unbedingtheit des Berufswunsches von vier Schauspielschülern überträgt sich auf den Zuschauer, so daß man am Ende wünscht, sie auf einer Bühne wiederzusehen. Von ganz großer Schauspielkunst lebt der US-amerikanische Wettbewerbsbeitrag »Monster«. Das ehemalige Model Charlize Theron spielt eine Prostituierte, die in einer jungen Lesbe die große Liebe ihres Lebens findet und sich mit dem Revolver von sechs Freiern befreit, um vom Strich loszukommen, mit einem bewundernswerten Mut zur (schon wieder schön wirkenden) Häßlichkeit. Das au-thentische Vorbild wurde im Oktober 2002 wegen sechsfachen Mordes durch eine Giftspritze hingerichtet. Patty Jenkins hat hinter der Delinquentin den aus schwierigsten Verhältnissen stammenden Menschen entdeckt und damit ein atemberaubendes Regiedebüt geliefert. Die schönsten Bilder des Wettbewerbs kamen von Theo Angelopoulos. Der Chronist griechischer Geschichte stellte den ersten Teil einer wiederum der Historie seiner Heimat gewidmeten Trilogie vor: »Die Erde weint«. Die Geschichte zweier Liebender beginnt mit der Ankunft von Flüchtlingen aus Odessa 1919 an der griechischen Küste und endet 1946 mit dem Tod ihrer beiden Söhne, die auf verschiedenen Seiten des Bürgerkriegs kämpften, 1946. Aber die Geschichte der Protagonisten wie die des Landes wird in drei Stunden nur in Chiffren erzählt. Es sind die Bilder, die im Gedächtnis bleiben: schwarz gekleidete Menschen vor hellem Hintergrund, immer wieder Wasser, Boote, fahrende Züge. Film als visuelles Medium war auf dieser Berlinale nie so präsent wie hier. Das soziale und politische Gewissen eines Festivals ist immer Ken Loach. Der 67jährige britische Regisseur hatte diesmal eine multiethnische Liebesgeschichte aus Glasgow im Wettbewerb: »Ae Fon Kiss«. Die geschiedene Lehrerin einer katholischen Schule verliebt sich in einen jungen Pakistani aus streng muslimischer Familie, was sie nach vielen Konflikten den Job kostet und ihn am Ende zum Bruch mit Eltern und Geschwistern führt. Hier war das Festival der Wirklichkeit am nächsten. Die dokumentarische Ergänzung konnte man im Forum sehen. In vier Teilen berichtet der Inder Rakesh Sharma über eine Tragödie seines Landes, bei der einmal mehr die Religion als Opium des Volkes eine verhängnisvolle Rolle spielte. Sein Film »Final Solution« untersucht die Folgen tödlicher Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems im Bundesstaat Gujarat an der Grenze zu Pakistan zwischen Februar 2002 und Juli 2003. Erst verbrannten 59 Hindu-Aktivisten in einem Zug auf der Fahrt zur Grundsteinlegung eines Tempels, dann wurden als »Rache« 2500 Moslems umgebracht, Frauen vergewaltigt und über 200 000 Familien vertrieben. Zeugen und Bewohner unsicher gewordener Orte kommen zu Wort, und eine Wahlkampagne wird beobachtet, bei der Politiker mit Haßparolen versuchen, für sich Kapital aus der Situation zu schlagen. Dazu paßt es, daß in einem Schulbuch Hitler verherrlicht wird und auch Kinder wieder bereit sind zu töten. Ein Lehrstück gegen Haß und Gewalt. Der Filmemacher, selbst Hindu, wird wegen seines Bartes für einen Moslem gehalten. So können sich Vorurteile blamieren. In einem ähnlich überlangen Dokumentarfilm, »Memories of Rain« von Gisela Albrecht und Angela Mai, berichten Aktivisten des African National Congress, darunter eine Weiße, von ihrem Untergrundkampf gegen das Apartheid-Regime – Teil eines Südafrika-Schwerpunkts der Berlinale anläßlich des zehnten Jahrestages der ersten freien Wahlen am Kap. Das Festival endete mit dem Goldenen Bär für Fatih Akins Film »Gegen die Wand«, den Beitrag eines türkischstämmigen deutschen Regisseurs über Türken in Deutschland. Immigranten-Geschichten liegen hierzulande bei jungen Filmemachern im Trend. Noch einmal machten sich wie am Anfang Studenten bemerkbar. Diesmal rannten einige mit einem Spruchband nackt über den roten Teppich. Bildungsnotstand im Kino? Während der Berlinale war davon nichts zu spüren. Auf weitere Filme weist Walter Kaufmann unter »Bemerkungen« hin.
Erschienen in Ossietzky 4/2004 |
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