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in dieser Zeitschrift, die sich dem Erbe der Weltbühne verpflichtet
sieht, mit Trauer und Respekt erinnert sei. Dreißig Jahre hindurch, von
1946 bis 1976, arbeitete Ursula Madrasch – ihren zweiten Mann, den Film- und
Fernsehregisseur Richard Groschopp, heiratete sie 1965 – als Assistentin, Redakteurin,
später stellvertretende Chefredakteurin in der Redaktion der Weltbühne .
Am Anfang dieser Zeit stand ein Schicksal, geprägt wie viele durch Not,
Vertreibung, Unsicherheit, Mangel und vielfach chaotische Turbulenzen von Kriegsende
und erster Nachkriegszeit. Aufgewachsen in Soldin (Neumark), wo sie 1916 geboren
worden war, floh sie 1945 mit ihrer fünfjährigen Tochter unter mutig
bestandenen, abenteuerlichen Umständen aus der nun Polen zugesprochenen
Heimat nach Berlin. Der Vater, Sparkassendirektor, blieb zurück, kam später
nach, als seine Frau gestorben war. Ihr Mann, Soldat, war vermißt in
der Sowjetunion; erst 1951 erhielt sie Gewißheit von seinem Tod. Anschaulich
hat sie in der Einleitung zu dem schönen Buch über die Weltbühne ,
das sie 1983 herausbrachte, erzählt, wie sie sich durchschlug in den ersten
Monaten, immer auf der Suche nach irgendeiner sinnvollen Tätigkeit. Zufällig
fast landete sie schließlich bei Hans Leonard, dem Chefredakteur der Weltbühne ,
der bereit war, die intelligente junge Frau, die sich erste Kenntnisse in Satz
und Druck als Aushilfe in einem Soldiner Unternehmen verschafft hatte, für
vier Wochen probeweise als Assi- In den dreißig Jahren, die es dann wurden, wuchs Ursula Madrasch rasch zur prägenden Persönlichkeit der Redaktion, neben den Chefredakteuren, in deren Wechsel (Hans Leonard 1946-1967, Hermann Budzislawski 1967-1971, Peter Theek ab 1971) sie sozusagen der ruhende Pol war. Was sie auszeichnete, waren Zuverlässigkeit, Freundlichkeit und Klugheit, das unablässige Bemühen um guten Kontakt zu vorhandenen und die Gewinnung neuer Autoren, der anspruchsvolle Maßstab an die Qualität eingereichter Manuskripte, ihr ruhiges, vernünftiges, von jedem Eiferertum freies Urteil über Menschen und Zeiten, ihre unbedingte Treue zum Unternehmen Weltbühne , das so anständig wie möglich durch manche Stürme zu steuern, ein Ziel war, dem sie ihre ganze Kraft widmete. Weltbühne in der DDR – eine widerspruchsvolle Beziehung. Nicht vorstellbar sind Jacobsohn, Tucholsky und Ossietzky als Akteure in dieser politisch gegängelten Presse. Legitim war es gleichwohl, sich auf sie zu berufen in der Kritik an Zuständen der Bundesrepublik und der übrigen kapitalistischen Welt, die schon die alte Weltbühne gegeißelt hatte. Schwieriger war es mit der Beschreibung der Zustände auf der eigenen Seite. Grundsätzlich begrüßte man die, wollte werben um Zustimmung und Verständnis, was nur möglich war, wenn man den herrschenden Regeln folgte. Das ging nicht ab ohne Anpassung und Beschönigung. Dennoch gelang es der Weltbühne unter Leonard und seinen Nachfolgern, Hefte herauszubringen, die von Vielen geschätzt wurden, weil sie sich in Ton und Inhalt abhoben vom häufig so plumpen Jargon der DDR-Presse. Die Zeitschrift kämpfte gegen rechts, tat das aber nicht geifernd, sondern bemüht um Information und Argument. Ihre Artikel zeichneten sich in der Regel durch eine saubere Sprache aus. Sie war kein Dissidentenblatt und wollte es nicht sein. In vielen Beiträgen ihrer Autoren aber spürte man anderswo kaum anzutreffende, differenziertere und offenere Töne, die zum kritischen Denken anregten. Es war die große Leistung der Ursula Madrasch-Groschopp, dies besondere Profil mitgeprägt und gestaltet zu haben. Die Weltbühne blieb ihr Lebensthema auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Redaktion. »Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift« hieß das Buch, das sie 1983 veröffentlichte, Ergebnis jahrelanger intensiver Recherchen, eine lebendige, überaus informative Schilderung der Geschichte »ihrer« Zeitschrift, von Jacobsohns Schaubühne 1905 bis Leonards Neuanfang. Produkt aus DDR-Zeiten, wurde es in den neunziger Jahren erneut herausgebracht, unverändert, in einem westdeutschen Verlag. 1985 publizierte sie eine Sammlung von Beiträgen, die Rudolf Arnheim, Redakteur der Weltbühne 1928-1933, verfaßt hatte. 1989 und 1993 erschien ein Ossietzky-Lesebuch. Jeder, der interessiert war an der Weltbühne und ihrer Tradition, fand bis in die jüngste Zeit in Ursula Madrasch-Groschopp eine Gesprächspartnerin und Ratgeberin, von der zu lernen und der zuzuhören eine Freude war. Sich ihrer zu erinnern, heißt zu denken an das konsequente, bewundernswert engagierte Leben einer bedeutenden Frau.
Erschienen in Ossietzky 4/2004 |
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