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Wolfsburg, die Stadt im Grünen, stellt sich als jung und modern vor, als attraktiv und weltoffen. Eine Stadt in der Stadt, die »Autostadt«, soll zur größten Attraktion Norddeutschlands werden. Doch die Stadt hat auch ihre Geschichte: Als 1938 der großdeutsche »Führer« den Grundstein für das »Werk des KdF-Wagens« (die Abkürzung stand für »Kraft durch Freude«) legte, rief er den 70 000 begeisterten Zuhörern zu: »Wenn wir nun dieses gewaltige Automobilwerk errichten, dann soll... zugleich auch entstehen: eine vorbildliche deutsche Arbeiterstadt.« Unter Führung von Ferdi-nand Porsche, dem »Liebling Hitlers«, wie Panzergeneral Guderian ihn in seinen Memoiren nennt, entstand hier auch eine Einwohnerschaft, wie die Herren sie sich wünschten: handverlesene Bewunderer des Regimes, die über ein Heer von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen gebieten konnten, wie sie wollten. Ihrem SS-Oberführer Porsche, der im engen Kreis um Hitler an der Planung des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion beteiligt war, hielten sie über 1945 hinaus die Treue. Die Hauptstraße trägt bis heute seinen Namen. Wer das ändern will, wird in der öffentlichen Meinung der Stadt geächtet. Geschmäht wird auch, wer andere Vorgänge aus der unseligen Geschichte öffentlich macht; zum Beispiel die Ehrenbürgerschaft des Hans Kerrl. Dieser Nazi-Justizminister in Preußen ordnete schon im März 1933 die ersten Terrormaßnahmen gegen jüdische Richter, Beamte und Anwälte an, überwachte »juristisch« die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 19 33, berief Roland Freisler zu seinem Staatssekretär mit der Auflage, eine Denkschrift zum »nationalsozialistischen Strafrecht« zu verfassen, wonach Freisler später seine »Volksgerichts«-Urteile verhängte. Schließlich war Kerrl auch der Herr über die »Emslandlager« und später Hitlers »Kirchenminister«. Als »Leiter der Reichsstelle für Raumordnung« veranlaßte er im Januar 1938, daß das Automobilwerk bei Fallersleben gebaut wurde, seinem Geburtsstädtchen. Hier hatten sich die Einwohner schon im März 1933 an den »großen Sohn ihrer Stadt«, den »nimmermüden Kämpfer für die Idee Adolf Hitlers«, erinnert und ihm die »Ehrenbürgerschaft« angetragen und dem »Volkskanzler« Adolf Hitler sowie dem »Charaktermenschen« Hindenburg gleich dazu (so nachzulesen in der örtlichen Aller-Zeitung vom 22.4.33 ). Im Jahre 1988 kam es im Fallerlebener Ortsrat zu einer heftigen Debatte darüber, ob dieser Beschluß aufgehoben werden sollte. Schließlich war man froh, daß die Entscheidung beim Wolfsburger Stadtrat liegt, der seit der Eingemeindung für Fallersleben zuständig ist. Die Prüfung dauert inzwischen 16 Jahre; Hitler und sein Mann aus Fallersleben müssen weiterhin als Ehrenbürger gelten; die Mehrheit im Rat stört das nicht. Sie stört vielmehr, wenn Bürger gegen rechtsextreme Umtriebe in ihrer Stadt auf die Straße oder vor das Rathaus gehen – so geschehen im vorigen November, als der Besuch des Bürgermeisters der südfranzösischen Partnerstadt Marignane, Simonpieri, anstand. Simonpieri hatte sein Amt 1996 als Kandidat der Le-Pen-Partei erobert. Mitglied dieser Partei ist er zwar nicht mehr, als »Fremdenhasser, Rassist und Antisemit gibt er sich aber weiterhin zu erkennen«, wie die Neue Züricher Zeitung über ihn zu berichten weiß; im Präsidentschaftswahlkampf 2002 machte er sich für seinen alten Parteifreund Le Pen stark. Das alles hinderte die christdemokratische Mehrheitsfraktion und ihren Oberbürgermeister Schnellecke nicht daran, die wegen Simonpieri seit 1997 ruhende Partnerschaft neu zu beleben. »Simonpieri ist nicht willkommen« protestierte ein »Bündnis gegen rechts« gemeinsam mit der IG Metall und der SPD-Fraktion vor dem Rathaus. Ihr Protest erreichte immerhin, daß der Mann aus Frankreich nur durch einen Nebeneingang ins Rathaus kam. Hier war man dann im Ratssitzungssaal unter sich: die CDU, ein rechter Ableger von ihr, die PUG, die FDP und ausgewählte Bürger mit ihrem rechtsradikalen Gast, der mit Küssen und überschwänglichen Worten begrüßt wurde, wie die Wolfsburger Allgemeine Zeitung mitteilte. Daß sich Italiener – einst zahlreich als »Fremd«- und dann als »Gastarbeiter nach Wolfsburg geholt – an den Protesten beteiligten, erboste einen CDU-Ratsherrn derart, daß er sie anbrüllte: »Haut ab, Ihr Kanaken!« – eine Pöbelei, die ihn inzwischen sein Mandat kostete, obwohl seine Partei an ihm festhalten wollte. Die Stadt Wolfsburg liegt im Urstromtal der Aller. Das Schloß, das der Stadt den Namen gab, wurde 1302 auf Pfählen im Sumpf erbaut. Von Zeit zu Zeit dringt der gräulich-braune Morast nach oben. Dann wird die »Stadt im Grünen« zu einer Stadt im Braunen. Ende Februar ist es wieder mal so weit. Dann reist eine Delegation mit Oberbürgermeister Schnellecke (CDU) an der Spitze zu einem Gegenbesuch nach Marignane. Vier Tage lang kann sie sich dort Anregungen aus der rechtsextremen, ausländerfeindlichen Kommunalpolitik holen und nach Wolfsburg bringen.
Erschienen in Ossietzky 4/2004 |
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