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Eine neue Idee: die Ich-AGDer Zug der Zeit Umschulung in folgenden Berufen: Halbschuhkappenpolierer Gourmetlokalsuppenabschmecker
Der neue Markt sind die Marktlücken Nur 300 Euro! (Garantiert nicht zurück.)
Gerhard Schoenberner
LinkischÜber einen politischen Auftritt, der ansonsten kaum Aufmerksamkeit für sich gewinnen konnte, berichtete aus alter Anhänglichkeit die Frankfurter Rundschau : SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles, der Bremer SPD-Landesvorsit zende Detlev Albers und SPD-MdB Michael Müller präsentierten einer (desinteressierten) Öffentlichkeit die Meinungen der »Parlamentarischen Linken« in der Sozialdemokratie. Kritik an der Agenda 2010 wurde, dem Bericht zufolge, von dieser Gruppierung nicht geübt, im Gegenteil, der eigenen Partei wurde »Verspätung« nachgesagt, weil sie erst jetzt »Reformen nachgeholt« habe, die »im Zuge der Globalisierung längst unvermeidlich« gewesen seien. Infolgedessen müßten die »Aufräumarbeiten« jetzt unter schwierigen Bedingungen vollbracht werden. Für die Zukunft aber sei »Gestaltung« angesagt – die »Ressource Mensch« und die »soziale Dimension des Fortschritts« müßten »wiederentdeckt werden«, das »Modell Wall Street« sei nicht auf der Höhe der Zeit. Da faßt man sich nun doch an den Kopf. Haben Nahles, Albers und Müller vergessen, wie intensiv sich kapitalistische Interessen der »Ressource Mensch« annehmen? Und glauben sie allen Ernstes, die Brutalitäten des Kapitalismus seien besonderer Unart eines US-ameri kanischen Börsenplatzes zuzuschreiben? Vor allem aber: Sind die »Parlamentarischen Linken« (von denen man im Parlament nichts Linkes bemerkt) blind gegenüber dem historischen Umbruch, der im Zeichen der Agenda 2010 betrieben wird? Begreifen sie nicht, was immer mehr potentielle WählerInnen und Mitglieder dazu bringt, der SPD den Rücken zu kehren: daß sich die deutsche Sozialdemokratie entsozialdemokratisiert? Nicht einmal Gerhard Schröder und Franz Müntefering können mit einer solchen innerparteilichen »Linken« zufrieden sein. Sie ist zu linkisch, um ein linkes Feigenblatt abzugeben. Arno Klönne
Ausweg aus dem PISA-Tal?Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover, der ehemalige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer, schlug zwecks Gewaltprävention in den Schulen einen »Lehrer-TÜV« mit 40 Fragen vor, damit die Schüler einmal im Jahr »so richtig Dampf ablassen« könnten. Kultusminister Bernd Busemann, ebenfalls Jurist, begrüßte sogleich diese »prima Idee«, die er »mit nach Hause nehmen« wolle: Ein solcher TÜV könne den »Ausweg aus dem PISA-Tal« weisen. Schön und gut. Aber die Ergebnisse der 40 Fragen sollten dann unbedingt auf einer gut sichtbar zu tragenden Plakette festgehalten werden – wovor Pfeiffer zurückschreckte, »um keinen vor seinen Schülern bloßzustellen«. Konsequent wäre es auch, die »prima Idee« nicht nur dem Kultusminister zum Mitnehmen zu überlassen, sondern sie möglichst überall in der Gesellschaft nutzbar zu machen. Auch andere Gruppen möchten schließlich einmal im Jahr »so richtig Dampf ablassen«. So könnten gemeine Bürgerinnen und Bürger einmal jährlich Politiker ihrer Landesregierung bewerten, Lehrkräfte ihre ratgebenden Juristen und Kultusbürokraten, Patienten ihre Ärzte, Leser ihre Journalisten und so weiter. Und alle würden mit einer hübschen Plakette her umlaufen, die schon durch die Farbgebung deutlich machen könnte, wer hier wen mit welchem Ergebnis begutachtet hat. Wenn Pfeiffer die Fragen des Lehrer- TÜV formulieren darf und nicht etwa ein Fachmann, der sich mit wissenschaftlich fundierter Unterrichtsbewertung durch Schülerinnen und Schüler auskennt (sowas gibt es), sollte auch dies zur Regel gemacht werden: Ausgewiesene Nichtfachleute geben das TÜV-Raster für andere Berufsgruppen vor. Dann wäre gewährleistet, daß alle mit demselben Maß von Vorurteil und Alltagswissen gemessen würden. Aber erreichen wir so wirklich den »Ausweg aus dem PISA-Tal«? Den haben uns doch die Fachleute schon gewiesen: Förderung statt Selektion, Ermutigung statt Leistungsdruck und Erniedrigung, Ganztagsschulen, Beendigung des Politikersports, das Ansehen des Lehrerberufes herabzusetzen, und vor allem Vergrößerung des Bildungsetats. Warum werden diese Fachleute nicht gefragt? Warum nimmt der Kultusminister ihre – in anderen Ländern erprobten – Empfehlungen nicht mit nach Hause oder noch besser ins Amt? Vielleicht weil dann kein Bedarf mehr an den genialen Einfällen Pfeiffers bestünde, der es schon einmal zu bundesweiter Beachtung brachte, als er die Probleme der Ostdeutschen im Einigungsprozeß auf die Art zurückführte, wie der DDR-Nachwuchs in den Kinderkrippen aufs Töpfchen gesetzt worden war. Ulrike Buchmann
Bildung als WareBildung soll zur Handelsware wie Erdöl oder Kaugummi werden. Die Welthandelsorganisation (WTO) hat die »weltweite Marktöffnung für Bildung« verlangt, also ihre Privatisierung. Das Kapital interessiert sich nicht nur für die Universitäten, sondern hat schon die Grundschulen ins Visier genommen. Wenig beachtet von der Öffentlichkeit hat kürzlich in Stuttgart ein Kongreß »Unternehmen Schule« unter Teilnahme von 240 Schulleitern und Vertretern der Wirtschaft stattgefunden, der die Weichen in die gewünschte Richtung stellen sollte. Verlangt wurde ein »Ende mit dem Elfenbeinturm Schule«. Denkweisen und Methoden der »freien Wirtschaft« müßten die Schule prägen, damit »Lehrer, Eltern und Kinder gute Leistung erbringen«. Konkret regten die Wirtschaftsvertreter an: Firmenlogos in den Klassenzimmern, Pausenradios mit Werbespots, Firmenpräsentationen bei Schulfesten, Reklame in Schulbüchern. Dafür verhießen sie Finanzspritzen, die man heutzutage Sponsorengelder nennt. Wenn immer lauter gefordert wird, selbst Schulen müßten sich »dem freien Markt stellen«, dann geraten die Universitäten erst recht unter Kommerzialisierungsdruck; erwünschter Nebeneffekt ist die Stabilisierung der Klassenherrschaft. Baden-Württembergs CDU/FDP-Regie-rung denkt an Studiengebühren zwischen 500 und 1000 Euro pro Semester. Eine große Koalition aus SPD, Union, Grünen und FDP will »Eliten« fördern und im sonstigen Bildungsbereich vermehrt sparen. Stand und Einkommen der Eltern werden also noch stärker als bisher über Chancen und Ausbildung der Jugendlichen entscheiden. Peter Glotz (SPD) sagt es ganz offen: »Natürlich muß eine Elite-Universität Gebühren erheben und sich ihre Studenten selbst aussuchen können.« Und so, wie es der »Vordenker« sagt, so macht es die Partei. Längst vergangen sind die Zeiten, in denen die SPD von einem Grundrecht auf Bildung sprach. Jetzt liefert sie die Bildung dem Kapital aus und hilft augenzwinkernd, die Klassengesellschaft zu zementieren. Werner René Schwab Mein Sohn hat WaschtagTräge rekelt sich der Kampfanzug. Der Wind höhnt ums Haus. Michael Mäde Entlastet?Durch die Ergebnisse der vom Lordrichter Brian Hutton geleiteten Untersuchung sei der britische Regierungschef Tony Blair »rehabilitiert«, meldeten die meisten deutschen Zeitungen, und das klang so, als sei nun mit richterlicher Autorität festgestellt, der Premier habe, was den Krieg gegen den Irak angeht, eine saubere Weste. Mit den Fakten hat diese Deutung nichts zu tun. Die Untersuchung ergab lediglich, daß Blair und seinen Zuarbeitern eine Schuld am Selbstmord des Staatsbediensteten David Kelly nicht nachzuweisen ist. Nur dieser Frage war die Kommission nachgegangen. Nicht widerlegt und nicht bestritten blieb, daß Blair mit Hilfe seiner PR-Berater und Geheimdienstleute einen großen, kriegsbegründenden Propagandacoup landete: In weniger als einer Stunde, so sollten die Briten glauben, könnten irakische Massenvernichtungswaffen die Insel verheeren. Wer würde Blair für so dumm halten, daß er selber jemals diesem Schreckensbild getraut hätte? Peter Söhren
Die Nachrichten des Tagesverwirren ihn. Das findet er hinreichend Michael Mäde
Literaturinstitut Volk und WeltEin Staat sperrt seine Bürger ein und läßt ein Fenster nach draußen zu. Erst vor allem in die östliche Richtung, von der siegen zu lernen war, dann immer breiter und weiter. Das Fenster war Volk & Welt, der DDR-Verlag für internationale Literatur. Von Leonhard Kossuth ( Ossietzky hat sein Erinnerungsbuch gewürdigt) wissen wir, daß die Arbeit hier Heimat, Lebensaufgabe und Herausforderung zugleich sein konnte. Nun wird der Chor derer, die hier arbeiteten, litten und stritten, übersetzten und lektorierten, illustrierten und berieten, vielstimmig. Simone Barck und Siegfried Lokatis gelang mit der Herausgabe dieses Katalogs ein fast ebenso schönes Buch, wie wir es aus alten Zeiten von Volk & Welt gewohnt waren. Erinnerungen, Interviews, Fakten, unterschiedliche Sichten, viele Bilder ergeben die kurzweilige Geschichte dieses Verlags, der seit der Gründung 1947 bis Ende 1989 genau 3334 Erstauflagen von 1800 Autoren (von Achmatowa über Beckett, Sartre bis Zwetajewa), Reihen wie »Spektrum« und »Ad libitum« herausbrachte. Das war nur möglich, weil hier für heutige Verhältnisse viel zu viele arbeiteten: In den siebziger und achtziger Jahren waren es zwischen 150 und 160 Mitarbeiter, von denen etwa ein Drittel zum Lektorat und zur Redaktion gehörten. Man erlaubte sich den Luxus, aus der Orginalsprache zu übersetzen, und wenn die Fachleute dafür fehlten, erlernte sie der Verlagslektor. Der kannte nicht nur das einzelne neue Buch, sondern hatte auch Überblick über die Literatur des Landes, aus dem es kam, er konnte vergleichen. Dieser Verlag war ein Institut für internationale Literatur, wie es keine Universität hat. Freilich mußte diese »Kulturinsel« wie damals üblich auch die Verordnungen, Einsprüche und Gepflogenheiten des »Festlandes« befolgen, und nicht selten setzte es auch bei den führenden Leuten mit großen Biographien Parteistrafen, Versetzungen oder andere Sanktionen. Aber die Verschworenen wurden immer trickreicher und geübter in den Argumenten, mit denen sie die Zensur überlisteten. Die Staatssicherheit – die Offenlegung der IMs nach der Wende brachte Überraschendes – war immer dabei. Auch heute stimmen die, die im Buch zur Sprache kommen, nicht in allem überein. Ein schönes Buch! So stelle ich mir Aufarbeitung von DDR-Geschichte vor! Nachdem es diesen Staat nicht mehr gab, dauerte es rund elf Jahre, dann gab es auch den Verlag nicht mehr. Ist ein solches Fenster nach draußen überflüssig geworden? Christel Berger Simone Barck, Siegfried Lokatis (Hg.): »Fenster zur Welt. Eine Geschichte
des DDR-Verlages Volk & Welt«, Ch. Links Verlag, 440 Seiten, 19,90
Euro Außensteuerung unerträglichIn der DDR herrschte »Tauwetter«. Erwin Strittmatters Roman »Ole Bienkopp« wurde heiß diskutiert. Für kurze Zeit kam der DEFA-Film »Spur der Steine« in die Kinos. Auf dem Programmzettel des Deutschen Theaters stand, ebenfalls nur für kurze Zeit, »Die Sorgen und die Macht« von Peter Hacks. Christa Wolf meldete sich gelegentlich im Neuen Deutschland zu Wort, wo Hermann Kant in fast jeder Wochenendausgabe seine grimmige Kolumne hatte. Bisweilen erschienen im SED-Zentralorgan auch verhalten kritische Reportagen über volkseigenes Wirtschaftsgeschehen. – So schildert Jean Villain die Umstände Ende 1963, Anfang 1964, als er in seiner Wohnung an der Grabbeallee in Pankow begann, Reporter in einer nicht-apologetischen, realistischen, analytischen Darstellungsweise auszubilden. Zu den Kursteilnehmern gehörten Klaus Schlesinger, Landolf Scherzer und Anne Dessau. Das Buch, in dem Villain über dieses Stück DDR-Geschichte und sein klägliches Ende berichtet, wird unter dem sarkastischen Titel »Bitte nicht stürzen!« zur diesjährigen Leipziger Buchmese im BS-Verlag Rostock erscheinen. Die vom Theater kommende Anne Dessau, so liest man da, lieferte ihren literarischen Einstand mit einer Story über eine katholische Ordensfrau: »Was uns alle an der Story faszinierte, war der Einblick in die extreme Strenge der Verhaltensregeln, denen sich die Mitglieder solcher Orden zu fügen hatten. Nicht nur ihr Recht auf eigenständige Entscheidungen war ihnen genommen. Strikte untersagt blieb ihnen selbst jede Art spontaner Kommunikation mit anderen Menschen. Mitarbeitern anderen Geschlechts durfte nicht einmal die Hand gegeben werden, und an ehemaligen Mitschülerinnen und Freundinnen hatten die › Armen Dienstmägde‹ wort- und blicklos vorbeizugehen. Hinzu kam das Gebot absoluter Besitzlosigkeit. Selbst die Hemden, in denen die Ordensfrauen steckten, gehörten ihrer Kongregation. Diese totale Fremdbestimmung beschäftigte Anne wohl auch deshalb über Monate, weil ihr selber jede Art von Außensteuerung unerträglich war.« Als 1965 wieder kalter Wind blies, Breschnew Honecker als Ulbricht-Nachfolger installiert hatte und der Reporterkurs zerschlagen wurde, schrieb Anne Dessau: »Ich möchte auf Fragen hören, auf die richtigen, und versuchen, Antworten zu geben, richtige, auf Grund von Kenntnissen, die ich im Kurs erwerben konnte und die ein Leben lang zu erweitern sind.« In der Neuen Berliner Illustrierten durfte sie noch gelegentlich Reportagen publizieren, vertragslos, höchstens zwei bis drei pro Jahr. Nach knapp vier Jahren flog sie wegen »Verächtlichmachung der DDR«. Dann begann sie für die Weltbühne zu schreiben. »Außerdem«, so endet der ihr gewidmete Abschnitt in Villains Buch, »realisierte Anne beim Fernsehen der DDR bis 1991 zahlreiche Spielfilme, von denen einige in bis zu 70 Ländern liefen. Nach 1990 erschienen ihre Bücher unter anderem bei S. Fischer und im Aufbau Verlag und ihre geschliffenen Theaterkritiken im Weltbühne -Nachfolger Ossietzky , in dessen Nummern wir uns manchmal begegnen, da auch ich zu seinen gelegentlichen Mitarbeitern zähle.« Am 9. Februar wird Anne Dessau 70 Jahre alt. Red.
Lyrisches KriegstagebuchVon Michael Mäde ist kürzlich ein schmaler Gedichtband erschienen, ein lyrisches Tagebuch mit Texten, die er als direkte Reaktionen auf Kriegsereignisse der letzten drei Jahre geschrieben hat. Im ersten Teil bündelt er Befürchtungen nach den 11. September und Anklagen gegen die losgelassene Meute von Bombenkriegern, Frontberichterstattern und Schreibtischtätern in Regierungssesseln. Im zweiten Teil thematisiert er die Propaganda zur Vorbereitung des Krieges gegen Irak, den Widerstand hunderttausender Kriegsgegner auf den Straßen, die trotz alledem begonnene Saison für die Mörder, die Landnahme. Ein gutes Buch: Parteilich im besten Sinne des Wortes knüpft es da wieder an, wo die friedensbewegte Lyrik der siebziger und achziger Jahre aufgehört hat. Gerd Bedszent Michael Mäde: »Bomben & Landnahme« mit Illustrationen von anaximander, 107 Seiten, 8,- €, Kunstquartier, Postfach 1143, 34380 Bad Karlshafen
Grenzüberschreitender LandstrichDaß es Lyrik schwer hat, ans interessierte Volk zu kommen, ist bekannt. So verbündet sie sich manchmal mit bildender Kunst: Lyrik-Grafik-Editionen haben ihren eigenen Reiz. Kürzlich war im Neuen Sächsischen Kunstverein zu Dresden die Buchpremiere einer solchen bibliophilen Edition zu erleben. Der Dresdner Dichter Michael Wüstefeld hatte unter dem Titel »Landstrich« Gedichte zum Thema Landschaft versammelt, der Thüringer Zeichner Andreas Berner hatte den Begriff wörtlich genommen, und so ziehen sich jetzt als schwarzer Faden skurrile Federzeichnungen in närrisch-weiser Art durch die Blätter des Buches – jedes Exemplar ein Unikat. Die burgart-presse Jens Henkel, bekannt für gediegenes Zusammenspiel von Künsten und Künstlern, edierte den großformatigen Band. Zur Buchpremiere las Wüstefeld nicht nur von zersiedelter Landschaft, sondern auch sein Langgedicht vom domestizierenden Sinn und Widersinn amerikanischer Pioniere. Steffen Gaitzsch improvisierte dazu auf der Violine, so daß das einst von Brecht beschworene Ensemble der Künste hör- und sichtbar wurde. Nun sind Verbrüderungen von Schwester-Künsten zwar immer Ereignisse, die eine Meldung lohnen – hier aber vereinten sich zumindest für die Buchpremiere Fördertöpfe aus zwei Ländern, und das verdient besondere Würdigung, weil, wie man hört, bisher nicht einmal gemeinsame Unternehmungen von Literaturbüro und Kunstverein in der sächsischen Landeshauptstadt öfter als dieses eine Mal zustande gekommen sind. Landeseinrichtungen fördern nämlich gern streng getrennt. In Thüringen sieht man das zwar weniger eng, die »Mitteldeutschen Lyriknächte« und die Literaturakademie Ranis versammeln zu ihren Höhepunkten Deutschland und die Welt – in Sachsen aber fördert man am liebsten nur eingeborene Kunstmenschen. Bei der Zerschlagung des länderübergreifenden Kulturfonds war Sachsen Vorreiter. Der thüringisch-sächsische »Landstrich« von Berner/Wüstefeld führt ganz praktisch vor, daß sich Kunst und Literatur ungern an Landesgrenzen halten. Vielleicht aber wird die Förderung sowieso bald auf ganz andere Art vereinheitlicht, nämlich überall auf Null gesetzt. Das wäre dann eine Domestizierung der Künste, die wir vielleicht auch mit einem schönen deutschen Wort bezeichnen können: Verschröderung. Oder in vielleicht noch schärferer Form: Merz-Merkelierung. Matthias Biskupek Über das Buch »Landstrich« sowie weitere Ergebnisse der
Zusammenarbeit von Kunst und Literatur erfährt man vieles unter www.burgart-presse.de. Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlDer Berliner Zeitung fiel eine »frappante Verschiebung« der jiddischen Sprache auf, die man bemerkt, wenn man den Film »Soll sein« gesehen hat. Also »in einem Brief des Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer steht folgender Satz: Jiddisch ist keine tote Sprache; Jiddisch ist die Sprache der Toten . Er stammt ungefähr aus dem Jahr 1990; der Film Soll sein , in dem das Schreiben zitiert wird, kam 1992 heraus... In Soll sein , der zwischen 1984 und 1992 entstanden ist, kann man sich des Eindrucks einer markanten Überalterung der Jiddischsprecher und -liebhaber nicht erwehren... Was ist passiert?« Soll sein oder soll nicht sein? Was ist da geschehen? »Nun ja, von den 80-Jährigen aus dem Jahr 1992 dürften in den letzten zehn Jahren einige gestorben sein.« Dieses Menetekel sollte man mindestens zweimal lesen. Denn sonst kann man nicht begreifen, was »der Punkt an Singers Satz ist«. » Der Punkt an Singers Satz ist wohl letztlich der : Jiddisch ist nicht tot, und kann auch nicht sterben, eben weil es die Sprache der Toten ist.« Aha. So hat die Autorin des Artikels (Catherine New mark – ein Name, den man sich merken muß) aus Singers Bemerkung deren tieferen Sinn herausgeschält, indem sie den Punkt in Singers Satz freilegte. Jiddisch ist nämlich keine tote Sprache, sondern die Sprache der Toten – das bedeutet eigentlich (um nicht zu sagen: ureigentlich), daß Jiddisch nicht tot ist und auch nicht sterben kann, weil es die Sprache der Toten ist, während es sich bei Frau Newmarks Sprache um Frau Newmarks Sprache handelt. * Auf dem Großflughafen von Palma de Mallorca kann man neben einem Handwaschbecken in vielen Sprachen einen Appell an das Publikum lesen; die deutsche Version lautet: »Wasser ist Leben. Schmeisse es nicht!« Wohin? Warum? Wie? C. N. befand sich leider nicht in diesem Waschraum. Sie hätte den Spruch gewiß deuten können. Der Punkt am Wasser ist wohl letztlich der, daß es meistens naß ist. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 3/2004 |
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