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Die Baukosten werden auf 50 Millionen Euro geschätzt. Zwar weiß die Eigentümerin der ehemaligen Garnisonkirche, die Heilig-Kreuz-Gemeinde, seit langem, daß »die Errichtung einer nicht benötigten Kirche nicht nur extrem unchristlich«, sondern »auch unmenschlich ist, solange Menschen in unserer Stadt und in unserem Land in unwürdiger Weise untergebracht sind«; nun aber gelten vermeintlich höhere Argumente, die sich die Schirmherren des Projektes, Ministerpräsident Platzeck, Innenminister General a.D. Schönbohm und Bischof Huber gern von der Fördergesellschaft des Industrieclubs zurufen lassen: »Wir wollen uns unsere Geschichte nicht nehmen lassen.« Die Geschichte ( Ossietzky -Lesern durch eine Artikelserie von Karl Gass schon vertraut) beginnt mit König Friedrich Wilhelm I, dem »Soldatenkönig«. Für das Regiment seiner »Riesengrenadiere«, die er aus ganz Europa mit brutalen Methoden in seine Garnisonstadt entführen ließ, wurde die »Königliche Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam« in den Jahren 1732-35 errichtet, dem Namen nach eine christliche Kirche, der Funktion nach ein Götzentempel, in dem der Kriegsgott Mars und seine Gemahlin Bellona angebetet wurden; deren Statuen standen neben Altar und Kanzel. Und dies war 200 Jahre hindurch die von den Geistlichen verkündete Botschaft des Kriegsgottes: Der preußische Militärdienst ist eine heilige Sache und die Unterordnung unter den Befehl des Königs heilige Pflicht. Der Kult erreichte seine Höhepunkte, wenn die Prediger zum Kriege rufen konnten (wie 1864, 1866, 1870) und wenn danach Siege verkündet und feindliche Fahnen und Standarten als Kriegsbeute in die Garnisonkirche übergeführt wurden. Über die Haltung der evangelischen Geistlichkeit am Ende des Ersten Weltkrieges schrieb Hellmuth von Gerlach in einer Artikelfolge für die Weltbühne : »Die protestantischen Theologen haben in ihrem Kriegswahnsinn durchgehalten – länger als die Oberste Heeresleitung selbst.« Dieser Kriegswahn und die »preußischen Traditionen und Tugenden«, einschließlich frommer Sehnsucht nach der Monarchie, fanden auch kein Ende, als die Verbindung von Thron und Altar zerbrach. Ein »Hof- und Garnisonprediger« jauchzte 1932 zum 200jährigem Bestehen der »Ruhmeshalle«: »Wie hat diese Männergemeinde mich immer wieder verpflichtet, ein freudiges, männliches, heldisches Christentum zu predigen.« Dann kam bald der »Tag von Potsdam«, Hitlers Machtdemonstration mit Hindenburg und den Repräsentanten von Kirche und Militär. Der »Ruf aus Potsdam«, der offensichtlich von der geschichtlichen Unwissenheit der Spender ausgeht, lügt dazu: »Die Garnisonkirche wurde mißbraucht: Am 21. März 1933 nutzten die Nationalsozialisten sie schändlicherweise für eine Inszenierung, die ihre Gegner zu Befürwortern machen sollte.« An anderer Stelle heißt es, die Garnisonkirche werde wiederaufgebaut, weil von ihr »der befreiende Ruf des Evangeliums wieder (gesperrt von H.H. ) erschallen« solle. Die Friedensbotschaft der Bergpredigt war hier niemals erschallt. Deshalb konnte das Gemäuer an jenem 21. März 1933 gar nicht »mißbraucht« werden; was hier geschah, führte die preußischen Militärtraditionen zur Vollendung, und die evangelische Kirche nahm stolz daran teil, so wie sie schon 200 Jahre lang daran teilgenommen hatte. Zwar hatte der für die Potsdamer Kirchen zuständige Generalsuperintendent Otto Dibelius (nach 1949 langjähriger Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland und glühender Befürworter der Remilitarisierung einschließlich Militärseelsorge) anfangs Bedenken geäußert, »da doch sicherlich mit Radau szenen seitens der Kommunisten, vielleicht auch mit Lärmszenen seitens der in schärfster Opposition stehenden SPD zu rechnen« sei; für die Kirche wäre das »schwer tragbar«. Aber als ihm versichert wurde, daß »dem Charakter des nationalen Heiligtums Rechnung getragen würde«, wirkte er am »Tag von Potsdam« gern mit. Beim Staatsakt hatte er einen Ehrenplatz; zuvor hatte er in der Nikolaikirche für die evangelischen Teilnehmer den Gottesdienst gehalten. In seiner Predigt ermunterte er das Nazi-Regime: »Mit Gott zu neuer Zukunft! Ein neuer Anfang staatlicher Geschichte steht immer irgendwie im Zeichen der Gewalt...« Diesem Gott der Gewalt wurde auch in den folgenden Jahren in der Garnisonkirche treu gedient, bis britische Bomber sie am 14./15. April 1945 zur Ruine machten. Als deren Reste im Mai/Juni 1968 gesprengt wurden, verschwand das Symbol des schon am 25.2.1946 durch ein Gesetz des Alliierten Kontrollrates aufgelösten militaristischen Staates Preußen. Nun aber soll die Garnisonkirche in alter Gestalt bis zum Jahre 2012 wiedererstehen. Damit könnte sie in der abermaligen Militärmetropole Potsdam zum dritten Glied der unheiligen Dreifaltigkeit werden – neben dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam-Geltow (dem neuen Generalstab) und dem der Potsdamer Universität eingegliederten Militärinstitut »Potsdam Center für Transatlantic Security and Military Affairs« (Ehrenvorsitzender: Henry Kissinger), einer Denkfabrik für »neue Militärstrategien« ( Berliner Zeitung ), also für künftige Kriege. Nach den Planungen der »Stiftung Garnisonkirche Potsdam« soll der Grundstein am 14.April 2005 gelegt werden. Da aber die neue alte Garnisonkirche offenkundig als Symbol des neuen alten deutschen Imperialismus gedacht ist und gar nicht anders gedacht werden kann, sollte der 1933 von Dibelius befürchtete, damals leider ausgebliebene Lärm und Radau diesmal rechtzeitig veranstaltet werden.
Erschienen in Ossietzky 3/2004 |
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