Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. RassenkampfKarl-Heinz Hansen Wieder brach ein Jahrestag über uns herein. Vergangenheit wurde in Berichten und Kommentaren für einen Augenblick vergegenwärtigt und war nach wenigen Tagen wieder vergessen. Es wäre nachzudenken gewesen über Bedingungen und Ursachen des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs, über ein Herrenmenschentum, das sich zum Massenmord berechtigt wähnte, über tradierte Vorurteile, die bis in die Gegenwart weiterwirken, eben weil das notwendige öffentliche Nachdenken darüber unterbleibt. Ich meine die Niederschlagung des Aufstands der Hereros gegen die deutsche Kolonialmacht in Südwestafrika, begonnen am 12. Januar 1904: Völkermord, begangen im Einklang mit dem Selbstverständnis einer durch und durch militarisierten Gesellschaft, deren Leitfigur der ignorante, arrogante, aber unbedingt gehorsame preußische Leutnant war. Der Geist der Epoche, geprägt von Alldeutschen, von Kolonial- und Flottenvereinen, äußerte sich zum Beispiel so: »Da dem Neger alles abgeht, was wir Ehrfurcht, Dankbarkeit, Hingebung usw. nennen; da er bei jedem Akt der Milde das Motiv der Furcht, bei Strenge das der bewußten Kraft voraussetzt, ist es klar, daß nur ein männlicher selbstbewußter Wille ihm imponieren kann; wie ja auch die ganze Geschichte des Negertums dies beweist…« Mit diesen und vielen ähnlichen Worten erläuterte Carl Peters, wie er den Auftrag des Kaisers zur Eroberung von »Deutsch-Ostafrika« verstand: Raubend, plündernd und brandschatzend sorgte er als »Reichsverweser« unter den »Kanaillen« für Zucht und Ordnung. »Leider geht mein Weg über Leichen.« Erst als er seine Konkubine und seinen Diener wegen »Ehebruchs« erhängte und ihre Dörfer in Asche legte, ließ die Reichsregierung »Hängepeters« fallen, nicht zuletzt wegen August Bebels »sentimentalen Gewinsels« (Peters) im Reichstag. Was der von Habgier und Großmannssucht getriebene Peters mit Strafexpeditionen begonnen hatte, brachten in »Deutsch-Südwest« pflichtbewußte Offiziere aus preußischem Adel generalstabsmäßig und mit handwerklicher Präzision im Krieg gegen die Hereros zur Vollendung. »Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen…« Wie es der kaiserliche Kommandeur, Generalleutnant Lothar von Trotha, den abtrünnigen Untertanen ankündigte, so wurden sie in den folgenden Jahren »mit oder ohne Vieh« wie Vieh abgeschlachtet. Sein Adjutant, Oberst Paul von Lettow-Vorbeck, und das gesamte Offizierkorps seiner »Schutztruppe«, einschließlich Feldprediger und Missionare, wirkten gewissenlos mit, sehr zur Freude der deutschen Siedler und ihrer Sponsoren aus Handelshäusern, Banken und Industriegesellschaften in der Heimat. Trotha rapportierte nach Berlin, er halte es für richtig, daß das Volk der Hereros »in sich untergeht und nicht noch unsere Soldaten infiziert und an Wasser und Nahrungsmitteln beeinträchtigt... Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes.« In Berlin waren Kaiser und Generalstab der gleichen Meinung. Generalstabschef Alfred von Schlieffen bestärkte von Trotha ausdrücklich in seiner Auffassung vom vernichtenden »Rassenkampf«. Drei Jahre nach Beginn der Militäraktion blitzte der Pour le Merite an Trothas Brust, und die deutschen Siedler in Südwestafrika erhielten fünf Millionen Mark »Entschädigung«. Von 70000 Hereros lebten noch 10000, von den 20000 Namas (»Hottentotten«) die Hälfte. Insgesamt waren 100000 Menschen, darunter auch Ovambos und Bergdamaras, Opfer der preußischen Kriegskünste geworden: der Vernichtung durch Arbeit und Hunger im Konzentrationslager, der gezielten militärischen Schlächtereien, des Erhängens und Erschießens von Männern, Frauen und Kindern, der Folter, der Vergewaltigungen, des planmäßiges Verdurstenlassens in der Omaheke-Wüste. Tiefe Bewunderung dafür reifte in Gustav Noske, dem damaligen kolonialpolitischen Sprecher der SPD-Reichstagsfraktion. Als 1918 Deutschlands »Platz an der Sonne« verloren war, trafen sich die kaiserlichen Offiziere (führend Lettow-Vorbeck, nicht gehindert durch Noske, nunmehr Reichswehrminister) in den Freikorps und beim Kapp-Putsch wieder, indessen der deutsche Generalstab die Eroberung neuen Lebensraums im Osten vorbereitete. In einer Flut von Romanen, Zeitschriften, Liedern und Filmen wurde der heldenhafte Kampf um deutsche Kolonien gefeiert. Hans Grimms Buch »Volk ohne Raum« erlebte ab 1926 höchste Auflagen, wurde bürgerliche Leitkultur und ein Kernstück der Nazi-Programmatik. Und natürlich entdeckten die deutschen Siedler das Hakenkreuz für sich. Die Reichskriegsflagge blieb daneben bis heute ihre liebste Weise, Wind sichtbar zu machen. Überlebende »Eingeborene« wurden auf Jahrmärkten in Europa als »Hottentottenweiber« und halbnackte »Wilde« zur Schau gestellt. Carl Hagenbeck veranstaltete seit 1874 sogenannte Völkerschauen: Die Zoobesucher konnten den exotischen Alltag farbiger Familien in eingegrenzten Krals studieren, so ihren Bildungshunger stillen und sich auf vergnügliche Weise ihrer rassischen Überlegenheit vergewissern. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs blieb dieser Menschenzoo ein lukratives Geschäft. Nach Hitlers Machterhebung erreichte die Verklärung rassestolzen deutschen Heldentums in den einstigen Kolonien ungeahnte Ausmaße. Bis 1942 wurden etwa 100 Propaganda-Filme gedreht. Hans Albers durfte als Carl Peters noch einmal Ostafrika erobern. Wahrheitswidrig fiel die Lichtgestalt einer jüdisch-englischen Verschwörung zum Opfer. Kolonialismus und Rassismus waren die idealen Themen, um der Jugend soldatische Sekundärtugenden, blinden Fanatismus und Gehorsam für den Kreuzzug gegen das »jüdisch-bolschewistischen Untermenschentum« anzuzüchten und sie so für den größten Völkermord der Geschichte, für Vernichtungskrieg und Vernichtungslager zu konditionieren. Der großen Katastrophe folgte das große Schweigen, eine individuelle wie kollektive Verharmlosung und Verleugnung einzigartiger Verbrechen und ihrer Ursachen. Die sozialen und psychischen Deformationen dauern an. Zumindest sind deren Symbole und Symptome noch präsent. Kasernennamen der neuen Bundeswehrmacht sind die alten »aus großer Zeit«; sie ehren Kolonialisten, Verfassungsfeinde und Putschisten, von Hitlers »Ehrengeneral« Lettow-Vorbeck (Hamburg, Bad Segeberg, Bremen und Leer) über von Mackensen (Hildesheim, Bergzabern, Karlsruhe) bis zu Rommel (Augustdorf, Dornstadt und Osterode). So hat es bisher allen Verteidigungsministern gefallen. Und die bestimmenden Deutschen in Namibia, der einstigen deutschen Kolonie Südwestafrika, haben Windhuk zu einer Ruhmeshalle für koloniale »Kultur« ausgebaut. In der Bundesrepublik gibt es kaum eine größere Stadt, die nicht Straßen und Plätze nach Carl Peters und Konsorten benannt hat, mancherorts stehen auch Denkmäler zu ihren Ehren. Der DDR war solche Traditionspflege fremd. Bis1989. Gleich nach dem Anschluß begann die Aufholjagd der neuen Bundesländer. Zum Beispiel in Neuhaus an der Elbe, Carl Peters' Geburtsort. 1945 hatten Kommunisten einen Gedenkstein für Peters in den Dorfteich befördert. Erster Beitrag der örtlichen CDU zur Einheit: Sie barg den Stein, polierte ihn und stellte ihn in der Ortsmitte auf, mit nächtlicher Beleuchtung. Im »Altreich« gibt es Städte mit ganzen Vierteln zum revanchistischen Gedenken an die einstigen Kolonien und Kolonialherren. So München-Waldtrudering, wo an Tsingtau, Samoa, Swakopmund, Usambara, Dar-es-Salam, Sansibar, Togo, Kibo, Windhuk, Kamerun, Waterberg, Groß-Nabas, Anecho, Duala, von Gravenreuth, von Erckert und von Trotha erinnert wird. Keinen der sozialdemokratischen Oberbürgermeister hat dieser Kult je gestört. Wiedergutmachung? Nicht für Buschneger und Hottentotten. Kein Bundeskanzler hat sich bis heute um solche Lappalien gekümmert. Auf seiner Afrikareise im Januar 2004 machte der wendige Kanzler Schröder einen weiten Bogen um Namibia. Kein Bundespräsident äußerte sich zum deutschen Völkermord in Afrika. Bis auf Herzog. Bei einem Besuch Namibias 1998 fand er das Verhalten der »Schutztruppe« zwar »nicht in Ordnung«, weigerte sich aber, mit einem Vertreter der Hereros zu sprechen, und lehnte jeden Gedanken an Entschuldigung oder Entschädigung ab. Dafür freute er sich über das »in Namibia noch lebendige deutsche Erbe«. Hart und klar dann die Abfuhr durch Außenminister Fischer bei einer Stippvisite mit einem großen Troß von Unternehmern im Oktober 2003: »Wir sind uns unserer geschichtlichen Verantwortung in jeder Hinsicht bewußt, sind aber auch keine Geiseln der Geschichte. Deshalb wird es eine entschädigungsrelevante Entschuldigung nicht geben.« Eine Leserbriefschreiberin der Süddeutschen Zeitung fand es im Januar 2004 »ungut, was in Namibia im August 1904 geschehen ist«, barmte aber zugleich um Mitgefühl für einen Leutnant Werner Schenck von Stauffenberg, der Schweres erleiden mußte, als er die Hereros zum Tod durch Verdursten in die Wüste trieb: »Er ist an Entbehrungen und am Typhus gestorben.« Sie hatte wohl in ihrer BDM-Jugend nicht aufgepaßt, als »Volk ohne Raum« dran war. Ich habe den Satz nicht vergessen: »Leutnant sein heißt seinen Leuten vorleben, das Vorsterben ist dann wohl mal ein Teil davon.«
Erschienen in Ossietzky 3/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |