Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Die Streiks werden wilderSusanna Böhme-Kuby Zum Jahreswechsel 2003/2004 haben sich die innenpolitischen Spannungen in Italien verschärft. Soziale und ökonomische Krisenerscheinungen häufen sich und verunsichern viele Menschen. Der fast flehentliche Aufruf von Staatspräsident Ciampi in seiner Neujahrsansprache, doch bitte Vertrauen für eine bessere Zukunft, für den wirtschaftlichen Aufschwung aufzubringen, wirkte unbeholfen, um nicht zu sagen ratlos. Vertrauen worauf, zu wem? fragt man sich. Der Zusammenbruch des Parmalat-Konzerns, seit Dezember allabendlich das Hauptthema der Fernseh-Nachrichten, hat sich inzwischen zum größten Finanzskandal Europas ausgeweitet, sein Ende ist noch nicht abzusehen. Finanzkontrolleure und Banken, die zu den größten der Welt gehören, hängen mit drin. Die Expansion des Finanzkapitals scheint unkontrollierbar zu sein. Wie aber reagiert nun Finanz- und Wirtschaftsminister Tremonti? Er sieht die günstige Gelegenheit, die seinen Machtambitionen im Wege stehende unabhängige Stellung der italienischen Staatsbank auszuhebeln, deren Gouverneur Fazio zu entmachten und neue Instanzen zu schaffen, die angeblich die Sparer besser schützen sollen, vor allem aber die Befugnisse seines Amtes ausweiten werden. Mehr als 800 000 Sparer sehen sich betrogen. Viele hatten ihre kapitalisierte Rente, die ihnen von Gesetz wegen bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgezahlt wird, in Wertpapieren verschiedener Emittenten (Cirio, Banca 121, Finmatica, Staat Argentinien u. a.) angelegt und waren hereingefallen. Parmalat ist nicht das einzige Unternehmen, das als Spekulationsblase platzt – in Italien wie anderswo. Ein Barometer für wachsende Spannungen sind die eskalierenden Streiks im Verkehrssektor. Wiederholt legten Proteste gegen Privatisierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse den Flugverkehr teilweise lahm. Lohnkämpfe brachten schon in der Vorweihnachtszeit landesweit den städtischen Nahverkehr zum Erliegen; im Januar wurde die Geduld der Fahrgäste weiter strapaziert, aber die meisten solidarisierten sich mit den Streikenden. Die Transportarbeiter bilden die Vorhut in den Kämpfen um die Anpassung der Tariflöhne, die infolge der Inflation seit Jahren hinter den Preisen zurückgeblieben sind. Jetzt könnten die Lohnkämpfe den großen Gewerkschaften entgleiten. Die radikalen Basisgewerkschaften in den Betrieben finden starken Zulauf; nicht einmal die den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst angedrohten Zwangsverpflichtungen und andere Sanktionen lassen sie vor sogenannten wilden Streiks zurückschrecken. Tarifverhandlungen beginnen in Italien meistens nicht direkt nach Auslaufen der Tarifverträge, vielmehr muß deren Erneuerung jeweils erst durch Streiks erkämpft werden, und die Gewerkschaften zahlen kein Streikgeld. Es dauert Monate, wenn nicht Jahre (wie zur Zeit im Nahverkehr), bis sich die »Tarifpartner« an den Verhandlungstisch setzen und schließlich Lohnnachbesserungen aushandeln, die oft schon dann, wenn sie ausgezahlt werden, von der Inflationsrate wieder überholt sind. Seit Jahren werden die Einkommen zugunsten der Unternehmergewinne umverteilt: Die Lohnquote am Bruttosozialprodukt sank von 36 Prozent im Jahre 1982 auf 30 Prozent im Jahre 2002, während der Anteil der Einkommen von Unternehmern und Selbständigen im gleichen Zeitraum um mehr als fünf Prozentpunkte auf fast 32 Prozent kletterte. Die Arbeitsproduktivität stieg im letzten Jahrzehnt um 18,7 Prozent, doch die reale Kaufkraft der Löhne und Gehälter ging zurück. Auf die Euro-Einführung folgte dann eine Spekulationswelle, die zu kräftigen Preiserhöhungen vor allem bei Waren des täglichen Bedarfs führte; zum Beispiel kostet ein Liter Milch in Norditalien jetzt 1,35 Euro, wesentlich mehr als in einem deutschen Supermarkt. Inzwischen geht es in Millionen italienischen Haushalten ans Eingemachte. »Sechs Millionen Arbeiter an der Armutsgrenze« titelte zum Jahresbeginn die große römische Tageszeitung La Repubblica , d. h. sie verfügen über nicht mehr als 600 bis 1000 Euro netto im Monat. Betroffen sind nicht nur Menschen in »flexiblen Arbeitsverhältnissen«, sondern auch solche mit festem Arbeitsplatz (»working poor«). Das hohe Preisniveau und der Abbau von Sozialleistungen, die sowieso schon knapper bemessen sind als in Deutschland, führen in eine gefährliche Situation. »Italien 2004: Notstand Armut«, lautete Anfang Januar eine Schlagzeile der Unità, und Wochenmagazine wie L'Espresso ermittelten Engpässe nicht nur bei Lohn-, sondern auch bei bessergestellten Gehaltsempfängern, die seit jeher ein Drittel weniger verdienen als ihre Kollegen in Deutschland. Zu alledem schwieg Berlusconi einen ganzen Monat lang. Derweil tanzten die Mäuse auf der Regierungsbank. Die Lega Nord drohte, die Koalition aufzukündigen, und rüttelte mit ihrer Forderung nach mehr Föderalismus an der nationalen Solidarität mit dem ärmeren Süden, Die ehemaligen Faschisten der Alleanza Nazionale hielten dagegen und forderten mehr Gewicht in der Regierung; die kleineren Partner, Abspaltungen der ehemaligen Christdemokraten, tun es ihnen nach. Rechtzeitig zur pompösen Feier des zehnten Geburtstags seiner Forza Italia am 24. Januar erschien Berlusconi wieder auf der Bildfläche. Abgespeckt und geliftet, wie es einige auch für die Regierung erhoffen, verkündete er mit neujugendlichem Elan: »Ich bin ganz zuversichtlich. Nächste Woche werden wir alles in Ordnung bringen.« Viel einfacher wäre das Regieren allerdings, wenn die Italiener seiner Forza Italia gleich die absolute Mehrheit gegeben hätten, ließ er Journalisten wissen. Daß dem nicht so sei, liege am überkommenen Wahlsystem, das er bald ändern werde. Den Parmalat-Betrug nannte er »in seiner Bosheit genial und ein regelrechtes Kunstwerk«. Gegen so etwas könne man sich nicht durch vermehrte Kontrollen schützen. Das Strafmaß für betrügerischen Bankrott sei ohnehin schon hoch genug. Solche verständnisvollen Worte konnten diejenigen nicht überraschen, die sich daran erinnerten, daß eines der ersten Gesetze dieser Regierung im Sommer 2001 darauf zielte, den Straftatbestand Bilanzfälschung zu entschärfen. Doch die Medien, die Berlusconi gehören, scheuen solche Erinnerungen. Statt dessen helfen sie dem Regieungschef, den Volkszorn über die Teuerungen auf den Euro und die Vorgänger-Regierung Prodi abzuschieben. Eine Meinungsumfrage am 22. Januar ergab: Auf die Frage, ob Berlusconis Entscheidung im Jahre 1994, in die Politik zu gehen, gut gewesen sei, antworteten 55 Prozent mit Nein, 34 Prozent mit Ja, 11 Prozent waren unentschieden. Einer anderen Umfrage zufolge sind zwei von drei Italienern von der Regierung enttäuscht. Aber die Opposition ist uneinig. Das ist Berlusconis Stärke. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 3/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |