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In der Büchnerpreisrede erwähnte Celan dann seinen »wiedergefundenen Landsmann Karl Emil Franzos«, dem er auf der Suche nach dem Ort seiner »eigenen Herkunft« begegnet war und als erstem Herausgeber der Werke Georg Büchners (1879). Mit Franzos begann die lange Reihe von Autoren, die aus Ostgalizien, genauer: aus Czernowitz gekommen sind und die Palette der deutschsprachigen Literatur bereichert haben. Für den im Revolutionsjahr 1848 geborenen Franzos war dieser freiwillig eingeschlagene deutsche Weg zu Beginn ein Erfolgsweg. Er konnte als Journalist und Autor von der Publikation seiner Geschichten und Berichte aus »Halb-Asien« bereits als junger Mann leben. An der Universität Graz soll er der erste Student jüdischer Abstammung gewesen sein. Wie schon sein »germanophiler« Vater schloß er sich einer deutschen Burschenschaft an und verkündete den Segen der deutschen Kultur für seine Landsleute, die nach seiner Ansicht im »Sumpf« ihrer Ghettoexistenz zu verkommen drohten. Er sah sich stets als (späten) Aufklärer, als Lichtbringer. Er verließ das sich antisemitisch gebärdende Wien seiner Zeit und zog 1887 nach Berlin, wo sich aber bald Ernüchterung bei ihm einstellte. »Welches Volk... soll auf Dauer gesund bleiben, wenn ihm unablässig dieses Hurrahgeschrei von seiner eigenen Herrlichkeit und der Erbärmlichkeit aller anderen Völker die Ohren füllt?!« notierte im Berlin der 90er Jahre der auch hier sich fremd fühlende Dichter, Schriftsteller, Journalist und Herausgeber Karl Emil Franzos und traf damit die vorherrschende Tonlage des Kaiserreichs. Als etwa Vierzigjähriger war er dort angekommen, wohin er als junger Mann schon immer gewollt hatte: ins vermeintliche »Paradies Deutschland«. Wie viele Ostjuden zwischen Don und Donau hatte er von dem Deutschland der Geistesritter Schiller, Goethe und Lessing geträumt. Franzos, dessen Vorfahren, spaniolische Juden, vor der Inquisition geflohen und über Holland und Frankreich nach Ostgalizien gekommen waren, besuchte in Czernowitz das deutsche Gymnasium und wurde in einem heute kaum nachvollziehbaren »Gefühlspluralismus« groß. »Du bist deiner Nationalität nach kein Pole, kein Ruthene, kein Jude – du bist ein Deutscher,« prägte der Vater dem Sohn Karl Emil ein, als der noch keine drei Käse hoch war, und fügte hinzu: »aber deinem Glauben nach bist du ein Jude.« Diese vertrackte, jegliche Identität aufhebende Dialektik bestimmte das Leben des Schriftstellers K.E. Franzos, der zu den (fast) vergessenen deutschsprachigen Autoren des 19. Jahrhunderts zählt. Auf ihn hinzuweisen, seine Arbeit zu würdigen, zumindest seinen besten Roman »Der Pojaz« zu entdecken, dazu sollte sein 100. Todestag, der 28. Januar 2004 , Anlaß genug sein. Neben Victor Klemperer, der den Roman sehr schätzte, finden sich etliche Liebhaber dieser »Geschichte aus dem Osten«, zum Beispiel Peter Härtling, der den »Pojaz« als einen »Entwicklungsroman gegen das übliche Muster« empfiehlt : »Der Pojaz strebt nicht, wie Anton Reiser, ins bürgerliche Leben, erhöht nicht, wie der Bürgersohn Wilhelm, durch Heirat seinen Stand. Er entwickelt sich allein aus einem Widerstand, den er sich ›Stück für Stück‹ auslegt und mit dem er sich unentwegt ›aufs Spiel‹ setzt... er meistert mehr als Wilhelm. Er bleibt bei sich, obwohl er sich verläßt.« Es ist ein früher Roman des eigentlichen Scheiterns der erhofften jüdisch-deutschen Kultursymbiose. Der Bildungsgang der Aufklärung, den Sender Glatteis (der Pojaz) geht, ist von vornherein verflochten mit tödlichen Bedrohungen. »Da hab ich da einen bunten Flecken auf meinen Kaftan geheftet und dort einen – wie ich sie eben bekommen konnte, aber ein deutscher Rock ist es nicht geworden...«, läßt er seinen Pojaz sagen und sagt es im Grunde auch sich selber, dem überall Fremden. »Er hat sich nie recht den Berlinern assimiliert. Er tauchte in der Berliner Schriftstellerwelt selten auf,« heißt es in einem Nachruf, »war nie zu sehen, wo das literarische tout Berlin sich versammelte.« Franzos, der schon als Jura Student in Graz und Wien einer großdeutschen Lösung anhing, distanzierte sich schließlich von seinen Aktivitäten in dieser Hinsicht, auch als Publizist; seine Zeitschrift Deutsche Dichtung bezog Stellung gegen die sich breit machende Deutschtümelei und deutschen Chauvinismus. Er lebte fast 20 Jahre in Berlin, unterstützte in den letzten Lebensjahren die von Pogromen ausgetriebenen russischen Juden und starb in der Reichshauptstadt, wo der blühende Salon-Antisemitismus des Kaiserreichs den Ton angab und den Weg in eine Richtung wies, dessen Konsequenz Franzos erspart blieb. Sein Grab findet sich unversehrt auf dem wohl größten jüdischen Friedhof Europas in Berlin-Weißensee. Gemeinsam mit dem Klarinettisten Theo Jörgensmann wird Oskar Ansull den »Pojaz« und dessen Autor Karl Emil Franzos in den nächsten Tagen und Wochen an vielen Orten vorstellen: 24.1., 20 Uhr Hannover (Kanapee), 25.1., 19 Uhr Celle (Synagoge), 26.1., 20 Uhr Berlin (Jüdisches Museum), 27.1., 19.30 Uhr Braunschweig (Dominikanerkloster), 28.1., 20 Uhr Hamburg (Kammerspiele), 31.1., 19 Uhr Berlin (Jüdischer Kulturverein), 1.2., 17 Uhr Berlin (Hackesches HofTheater), 2.2, 19.30 Uhr Berlin (Janusz-Korczak-Stadtbibliothek, Pankow), 3.2. und 4.2., jeweils 20 Uhr Berlin (Hackesches HofTheater), 9.2., 20 Uhr Wuppertal (Else-Lasker-Schüler-Haus), 10.2., 20 Uhr Osnabrück (Felix- Nussbaum-Haus), 12.2., 20 Uhr Halberstadt (Moses Mendelssohn Akademie), 15.2. 11 Uhr Düsseldorf (Heinrich-Heine-Institut), 16.2., 19.30 Uhr Wiesbaden (Aktives Museum @ Literaturhaus)
Erschienen in Ossietzky 2/2004 |
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