Wolfram Weimer, Chefredakteur in spe. - Für den Schweizer Verlag Ringier, der die Boulevardzeitung Blick herausbringt und schon mal mit Springer (Bild) fusionieren wollte, bereiten Sie ein neues Monatsmagazin "für politische Kultur" vor, das Cicero heißen soll. Sie bringen dafür Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei der FAZ und als früherer Chefredakteur der Welt ein. Die Ressorttitel in der nichtöffentlichen Nullnummer lauten: "Berliner Republik", "Kapital", "Salon" und - "Weltbühne". Mit der letztgenannten Bezeichnung sei eine "Verneigung vor dem Berliner Magazin der 20er Jahre" beabsichtigt, heißt es in einem Bericht von Ulrike Simon im Tagesspiegel. Höflichkeit in Ehren, aber höflicher wäre es, wenn Sie unterschiedliche politische Kulturen respektieren und auf diese "Verneigung" verzichten würden.

Joseph Ratzinger, Kurienkardinal.- Zum Jahreswechsel haben Sie Urlaub vom Vatikan genommen und im Regensburger Dom gepredigt. An einem katechetischen Wort zum Kopftuchstreit durfte es dabei nicht fehlen, und so sagten Sie denn, den Laienprediger Johannes Rau milde kritisierend: "Ich würde keiner muslemischen Frau das Kopftuch verbieten, aber noch weniger lassen wir uns das Kreuz als öffentliches Zeichen einer Kultur der Versöhnung verbieten." Sie sind ein Feingeist - über das "noch weniger" dürfen wir nun intensiv nachdenken, um zu verstehen, was Sie mit "Versöhnung" meinen.

Heinrich Heine,. - Danke, daß Sie schon vor über 150 Jahren in Ihrem "Romanzero" (1851) einen lyrischen Kommentar zur Reformpolitik unserer Tage gegeben haben, der weiterer Verbreitung wert ist:
Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazubekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das wenige genommen. -
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben.
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur, die etwas haben.

Erschienen in Ossietzky 1/2004