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Doch sein Irish-Sein bleibt deutlich. Er ist seit 1996, seit der Uraufführung seines ersten Stückes "The Beauty Queen von Leenane", bekannt, beinahe berühmt. In Berlin führte ihn zuerst das "Theater 89" in der Torstraße auf: "Ein Schädel in Connemara" 1999. 2002 folgte Teil I der "Beauty Queen", jüngst Teil III unter dem Titel "Der einsame Westen". Die gewichtigste Inszenierung des Autors in diesem Theater war "Der Krüppel von Inishman". Regisseur war Hans-Joachim Frank mit so gewichtigen Schauspielern wie Christine Gloger, Gabriele Heinz, Heike Jonca und Bernhard Geffke. Es ist, wie auch "Der einsame Westen", ein Volksstück, doch brillant gebaut. Diese Stücke handeln von Enge und entfremdetem Dasein und vom Entstehen und Wirken von Gewalt in solchen sozialen Gruppen, ganz irisch, sehr weit im Norden, oft auf Inseln spielend. Hauptperson in "Der Krüppel von Inishman" ist der elternlos aufgewachsene Billy. Er gerät in die Film-Szene und dadurch - wie so viele Iren - nach Hollywood, doch ihm gelingt nichts. Er kehrt zurück in seine alte soziale Welt und zugleich in die Vorführung des Films mit ihm. Das ist Stoff für Komödien, bittere Komödien, und da zeigt sich auch die Hand O`Caseys, die gute Rollen schrieb, McDonagh hat sie offenbar geerbt. Nach vielen Dürftigkeiten der Gegenwartsdramatik ermutigen dieser Autor und seine szenischen Texte. Das Ensemble von Theater 89 ist auch zu loben für die Entdeckung des Stückes "Der einsame Westen", das von feindlichen Brüdern in einer mörderischen Dorfgemeinde mit einem ewig trunkenen Priester und von einer Liebe zwischen diesem und Girleen handelt. Rudolf Koloc hat es inszeniert. Aber es bleibt der zwiespältige Eindruck, den dieses Theater in seinen finsteren Fabrikräumen immer macht: das Ge- bis Zerquälte, Überanstrengte, oft Laute. Da fehlen Schauspieler wie einst Elsa Grube-Deister und Dieter Franke, die in O`Caseys letzte Gründe eintauchen konnten, sie spielerisch offenlegten. Einen ähnlichen Eindruck erhält man in "The Pillowmen" ("Der Kissenmann") des gleichen Autors in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, einst Spielstätte für Shaw und O`Casey. Wieder begegnet man zwei Brüdern (Katurian und Michal, gespielt von Frank Seppeler und Peter Ehrlich), genau genommen zwei Bruderpaaren, denn Tupolski und Ariel sind geistige Brüder (Sebastian Blomberg und Timo Dierkes). Der geschändete Michal, seelisch von seinen Eltern gemordet, schändet und tötet zwei Kinder mit Kissen. Hier bedient McDonagh, obzwar er nach wie vor aus irisch-irdischer Realität herausgreift, auch die Sensationsgier seines bürgerlichen Publikums. Man muß schon ein Meister sein wie der 33jährige, damit aus dem Schauerstoff Kunst wird und sich Möglichkeiten zum Widerstand andeuten. Die wenig jüngere Regisseurin Tina Lanik, früher in Stuttgart, Wien und München, hat offensichtlich bei ihrem Lehrer Luc Bondy so viel Ästhetik gelernt, daß sie auch das Licht der Hoffnung leuchten lassen konnte in allem Dunkel der Verderbnis. * Die Schaubühne, früher fast Daueraufenthaltsort des Verfassers, ästhetische Universität für Menschheits- und Weltfragen, ist heuer eher ein Tummelplatz unfertiger Kinder, die einen ewigen lautstarken Aufstand proben, freilich nur im Sandkasten. Es gab "Der Würgeengel" des Niederländers Karst Woudstra. Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle - so hieß ein Stück des vor einem Vierteljahrhundert ganz interessanten Botho Strauß. Damals fand man es neu und aggressiv. Heute ist diese Sammlung von Typen müde, verbraucht, langweilig. Eine Schicki-Micki-Szene, die sich stets um sich selbst dreht, d.h. im wesentlichen um Geld und Sex. Das Vorbild des Stückes ist ein Szenarium des Bunuel-Films gleichen Namens von 1962. Die 15 Personen treffen sich nach einem Besuch der Verdi-Oper "Otello" in der Potsdamer Villa eines Politikers namens Wallrabe. Diese Gesellschaft wird entlarvt beziehungsweise ist vom Autor so geführt, daß sie sich selbst entlarvt. Nur: Diese Zeitung bringt nichts Neues. Regisseur Thomas Ostermeier machte aus dem Schauerspiel über das Elend einer Gesellschaft, von dem jeder weiß, eine Comedy, offenbar der einzig mögliche Zugang, damit es nicht allzu peinlich wurde. Er versuchte sich an schwarzem Humor, doch all die vielen Gags (über manche konnte man sogar lachen) wurden zur Klamotte. Selbst eine Schauspielerin von Rang wie Anne Tismer vermochte ihre Martha nicht über den flachen Boden zu heben - und wenn doch, hatte sie gleich jeden Boden verloren, schwebte im luftleeren Raum. Von Bunuel war nur der Titel geblieben. Der Verfasser sehnte sich zu Martin McDonagh zurück und ins Deutsche Theater.
Erschienen in Ossietzky 1/2004 |
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