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Oberfeldwebel unserer Bundeswehr soll er gewesen sein. Ein Dutzend Jahre. Fiel da beim Zapfenstreich keinem auf, wenn ein Rekrut fehlte? Vielleicht zählte der Herr Kannibale selber ab. Was übrigens ist daran so schlimm, daß einer seinen Nächsten zum Fressen gern hat, wenn der sich dazu anbietet? Man muß die Feste feiern, wie sie fallen. Technisch gesehen handelt es sich um optimierte Organspende. Statt des einzelnen Herzens oder Gehirns gibt's das Ganze samt Innereien. Mag sein, die Kirchen kriegen Bedenken wegen der Seelenverdoppelung. Trägt der Mensch, hat er einen anderen verspachtelt, zwei Seelen in der Brust? Die Priester bekommen das sicher hin, interpretatorisch, am Beginn ihres Glaubens stehen Menschenopfer. Märtyrertum zählt zur edelsten Kirchengeschichte. Unsere Bundeswehr freilich leidet sowieso an Personalmangel. Das hätte sich der hessische Ex-Feldwebel, bevor er die Nahrungsfrage radikal humanisierte, überlegen müssen. Für den Soldaten im Krieg vereinfachte sich die Gefechtslage. Warum den Feind totschießen und liegenlassen, bis er verdirbt? Töten und aufessen erleichtert die Transport- und Nachschubfrage. Feldküchen werden eingespart. Auf frische Tat hin gibt's Frischfleisch. Die Mannen des Dschingis-Khan ritten das Fleisch zwischen Arsch und Sattel weich. Aus Pferden wurden Panzer. Notfalls ein bißchen drübergerollt und gar ist das Tatar. Das sei Zukunftsmusik? Unseren Soldaten in Afghanistan schafft man ihr Hühnerfrikassee samt Salat aus Neu-Isenburg bei Frankfurt/Main per teurem Flieger hin, Verpflegung aus dem Hessenland also, wo unser Kannibale wuchs und gedieh. Die Richter in Kassel sollten die Geographie beachten, bevor sie das Lukullische beurteilen. Der Angeklagte hatte Ärger mit seiner Mama. Wenn alle muttergestreßten Söhne zu Menschenfressern werden, schrumpft die Bevölkerung noch schneller als von den Demographen vorausgesagt. Wäre es nicht nützlicher, man gäbe die viel zu große Rentnerschar zum Verzehr frei? Und wie ist das mit den Kosten? Der Mensch steht hoch über dem Tier, steigert das den Preis pro Kilo? Schade, daß der tüchtige Militärbischof Dyba Richtung Himmel entschwand, er könnte gewiß guten Rat erteilen. Und was meint Kardinal Ratzinger in Rom dazu? Oder die grüne Landwirtschaftsfee Künast? Die Preisgestaltung gehört eher in Clements Wirtschaftsressort. Soll das neue Lebensmittel erschwinglich bleiben für Arbeitslose und Sozialfälle, oder erhebt man es per Steuer zum Luxusgut wie Kaviar, das brächte dem Staat hohe Einnahmen. Da doch heute hochdotierte Beraterverträge an der Tagesordnung sind, bieten wir Minister Struck einige Hinweise zum militärischen Kannibalismus an. Laut Bundeswehrprofessor Franz W. Seidler fraßen sich sowjetische Kriegsgefangene in deutschen Lagern gegenseitig auf, weshalb sie leider erschossen werden mußten. Daß deutsche Soldaten in Gefangenschaft Kannibalen wurden, verschweigt der Professor vornehm. Sie wurden ja von den Bolschewiken nicht exekutiert. Wir sind bereit, bei unserer Bundeswehr vorsorglich aufklärend zu wirken. Wie steht es um die Freiwilligkeit der Schlachtmenschen? Hat unser Vaterland genügend Masochisten? Soll man das Angebot künstlich verknappen, um den Preis zu steigern? Wie wird der Wert im einzelnen kalkuliert? Wer kriegt Leber, Nieren, Zunge, wer den Arsch? Kommen Rentner ins Sonderangebot, die keiner fressen will, aber jeder übrig hat? Vielleicht eignen sich Graue Panther gut als Sülze mit hessischer Grüner Soße. Die vielen TV-Spitzenköche werden das richtige Rezept finden. Daß ein Hesse einen Berliner verspeiste, nicht aber umgekehrt, klingt beruhigend. Die Hauptstadt kommt das Land eh zu teuer. Gestern abend war wieder Talk bei Christiansen - vielleicht sollte sie den derzeit weltweit berühmtesten Hessen einladen. Nein, nicht was Sie denken. Miß Christiansen wird noch gebraucht, wer sollte sonst die ministeriellen Monologisierer zügeln. Kriegt der kannibalische Extrem-Sportvöllerer im sonntäglichen Fernseh-Panoptikum der öden Dauergäste erst richtig Appetit, erledigte sich die Frage von selbst, und wir bekämen jeden Sonntagabend frische unverbrauchte Talker serviert. Möglich auch, das futuristische Verfahren würde dem Bundeskanzler von der Beraterfirma Roland Berger unterbreitet zwecks eleganter Ablösung untauglicher Minister. Was könnte Stolpe, Eichel & Co Besseres passieren, als aus lauter Lust und (Vaterlands-) Liebe genachtmahlt zu werden. Natürlich läßt sich das alles nicht ganz ohne Druck realisieren. Den nützlichsten Ratschlag zum Thema fanden wir im FAZ-Leitartikel zum 22. 12. 03, wonach "das Zuckerbrot erst dann seine ganze verlockende Wirkung entfaltet, wenn im Hintergrund einer die Peitsche schwingt". Ein letzter Tip noch zur Speisekarte: Tutti Frutti, Schlesisches Himmelreich, Königsberger Klopse, Frankfurter Würstchen, Leipziger Allerlei, Schwäbische Spätzle sowie als hessische Spezialität Handkäs mit Musik. An der Kasse bei Lidl beklagten sich gestern zwei rüstige Rentnerinnen wegen der Agenda 2010. Die fressen einem noch das letzte Haar vom Kopf, rief die eine der anderen zu. Ja, ja, dachte ich, so fängt die moderne Menschenfresserei an.
Erschienen in Ossietzky 1/2004 |
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