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Indem Belger vielen Kapiteln Zitate aus oft geheimen Weisungen von Institutionen der UdSSR voranstellt, vermittelt er dem Leser den politisch-historischen Hintergrund des Romans – die Deportation der Wolgadeutschen nach dem Überfall Hitlerdeutschlands 1941 auf die UdSSR und ihre Entrechtung, die auch 1956 andauerte (da endet die Romanhandlung). Selbst als Sechsjähriger in den Strudel der Ereignisse gerissen und mit dem Vater in einen kasachischen Aul (eine Art Dorf) verschlagen, vermittelt Belger dem Leser die Vorgänge auch innerhalb der Fiktion als authentisch. Der Roman des nunmehr fast Achtzigjährigen beweist, welches Trauma der Verlust der Heimat für sein ganzes Leben bedeutet hat; darüber hilft auch nicht hinweg, daß Belger dank seiner Lebensleistung zu einem hochangesehenen Bürger Kasachstans geworden ist, zum Deutsch, Russisch und Kasachisch beherrschenden Schriftsteller, Übersetzer, Literaturwissenschaftler, zum Mitglied des Nationalrats beim Präsidenten Kasachstans, zum Mitbegründer des Kasachischen PEN. Drei Teile bilden den Roman: »David«, »Christian« und »Harry«, die verschiedene Erfahrungen und Sichten miteinander verbinden. David Ehrlich, trotz Mitgliedschaft in der KPdSU kurz vor Kriegsausbruch als Deutscher aus dem Militärdienst entlassen, verliert bei der Deportation Frau und Sohn, weil die Frau, eine Russin, sein Schicksal nicht teilen will. In Kasachstan bekommt er als Feldscher eine Sanitätsstelle für mehrere Siedlungen übertragen. Christian, Davids jüngerer Bruder, war durch die Hölle der »Arbeitsarmee« gegangen, ehe er sich – mehr tot als lebendig – den Walters, einer nach Sibirien deportierten Familie, anschließen konnte, die, weil ein Schmied gebraucht wurde, in Davids Verbannungsort kam. Der sensible Christian bringt die Geschichte der Rußlanddeutschen ein, erinnert an Lieder, die sie zu Hause gesungen haben, und stirbt trotz Davids Bemühungen, ihn zu retten. Harry Walter indessen, der mit besten Ergebnissen die kasachische Grundschule absolviert hat, stößt anschließend gegen all die Barrieren, die den gleich Leibeigenen auf ihr Wohngebiet beschränkten Deutschen jegliche höhere Bildung verwehren. Erst 1956, nach dem Tod des »Schurrbärtigen« in Moskau und dank mutiger Förderer, gelingt ihm die Zulassung zum Studium. Dieser äußere Rahmen verrät aber nichts darüber, wie sich in Belgers Gestaltung für David – der noch das Land an der Wolga, sein Dorf Gnadenflur, das Leben dort vor Augen hat – auf andere Weise farbenprächtig die Natur am Ischim, die Wohnstätten der Kasachen, ihre Bräuche abzeichnen. Wie er bei einer schwierigen Geburtshilfe im Kampf mit dem ungebildeten Scha manen das Vertrauen der Aul-Bewohnerinnen gewinnt. Wie aus der Handlung immer wieder Humor erwächst – so, wenn die Melkerinnen David verdächtigen, seine geplante Hygieneuntersuchung ziele auf ihre weiblichen Reize. Wie Belger – an Romanen aus dem Osten gemessen ungewöhnlich intim und doch keusch – Harrys Zusammensein mit seiner Jugendliebe Bagira gestaltet. Für Harry bleibt es freilich ein Geheimnis, warum Bagira ihn vielleicht für immer verläßt. David heiratet nach langem rührendem Zögern die viel jüngere Olkje Walter. Für ihre Kin der wird das mit Hilfe kasachischer Nachbarn gebaute Haus schon zur Heimat. Völlig offen ist Harrys Zukunft, wenn der Traum von der Wiederherstellung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik mit ihrer Hauptstadt Engels endgültig zerstört sein wird. Soll ich versuchen, aus der Geschichte der Rußlanddeutschen einen Alternativ-Ort für das Zentrum gegen Vertreibungen zu benennen? Wichtiger wäre es, Belgers künstlerisch gelungenen und viele Erkenntnisse vermittelnden Roman deutsch herauszugeben. Was wissen wir schon über die Rußlanddeutschen, von denen jetzt unzählige unter uns leben? Das 2003 russisch in Astana erschienene Original wird für den Übersetzer schon darum zur großen Herausforderung, weil es – getreu der Lebenswahrheit und inhaltlich bereichernd – die Aufnahme russischer und kasachischer Elemente in die Sprache der Rußlanddeutschen spiegelt. Herold Belger: »Dom skitalza«, Verlag Audarma, Astana
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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