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Ein düsterer CIA-Bericht, der vor einem Scheitern der gesamten Irak-Mission warnt, stellt die offizielle Propaganda bloß. Der Widerstand wird demnach an Stärke noch zunehmen und in der Bevölkerung weiter Fuß fassen. Bis zu 50 000 Irakerinnen und Iraker – und keinesfalls nur Anhänger des alten Regimes – seien im Widerstand aktiv, so die Einschätzung der Geheimdienstexperten nach umfangreichen Recherchen der 275 CIA-Mitarbeiter im Lande. Die Analyse kommt zu dem Schluß, daß die Irak-Politik der Bush-Administration einen Wendepunkt erreicht habe. Die Unfähigkeit der Besatzungsmacht, den Widerstand zu bezwingen, werde eine wachsende Zahl Iraker zu der Überzeugung bringen, daß sie geschlagen werden kann, und dadurch zur Unterstützung der Guerilla motivieren. Die Bagdader Zentrale der CIA befürchtet, daß auch die schiitische Mehrheit im Zweistromland sich dem Widerstand anschließen wird. Umfragen von Gallup im Irak zufolge glauben nur fünf Prozent der Befragten, daß die USA einmarschiert sind, um »das irakische Volk zu unterstützen”, und nur ein Prozent, daß sie Demokratie einführen wollen . Mit massiven militärischen Vergeltungsaktionen versuchen die Besatzungstruppen die Initiative wieder in die Hand zu bekommen. Neben stillgelegten Fabriken und ähnlichen potentiellen Verstecken der Guerilla werden nach israelischem Vorbild auch Wohnhäuser, in denen Widerstandskämpfer vermutet werden, ohne Vorwarnung bombardiert. Da es den Besatzern aufgrund der feindseligen Einstellung der Bevölkerung bisher kaum gelang, Informationen über ihre Gegner und deren Infrastruktur zu erlangen, ist dies lediglich ein Stochern im Heuhaufen – allerdings auf äußerst brutale Art. Durch die Eskalation des Kampfes gegen die Guerilla und der unvermeidlichen Zunahme unbeteiligter Opfer – so warnt auch die CIA – werden aber immer mehr Iraker an die Seite des bewaffneten Widerstands getrieben . Die Bush-Administration war angesichts der nun auch im eigenen Land rapide sinkenden Akzeptanz ihrer Irak-Politik zum Handeln gezwungen. Bis zur heißen Phase des Wahlkampfs, die im Sommer 2004 beginnt, sollen die Negativschlagzeilen für Präsident Bush aus dem Irak entschärft werden. Als wichtigsten neuen Schritt kündigte Washington nach der Krisensitzung an, die direkte Kontrolle über das Land bis zum Juni nächsten Jahres an eine Übergangsregierung abzugeben. Mit einer Übergabe der Macht im Irak an die Bevölkerung hat dieser taktische Rückzug aber wenig zu tun. Präsident Bush machte klar, daß die Besatzungstruppen auch danach auf unbestimmte Zeit im Land bleiben werden. »Wir werden weiterhin US-Truppen hier haben, aber sie werden keine Besatzer mehr sein, sondern Kräfte, die auf Einladung der irakischen Regierung hier sind”, sagte das führende Mitglied des von Paul Bremer eingesetzten «Regierenden Rates”, Achmed Chalabi, der New York Times . Diese »Einladung” soll sicherheitshalber noch vor Einsetzung der neuen Regierung durch »bilaterale Verträge” fixiert werden, die das »Statut der Koalitionstruppen im Irak definieren sollen”. Mindestens sechs große dauerhafte Militärbasen in verschiedenen Landesteilen sind schon fest eingeplant. Die Übergangsregierung soll mittels regionaler Versammlungen gebildet werden, die der »Regierende Rat” zusammenstellt; die Besatzungsbehörde prüft deren Teilnehmer. Sie wird dadurch im wesentlichen eine Erweiterung dieses Rates durch Einbeziehung zusätzlicher kooperationswilliger Organisationen sein. Auf diese Weise wird Macht in die Hände mancher zwielichtigen Personen und Gruppierungen wandern, zum Beispiel in die des erwähnten, vom Pentagon geförderten Achmed Chalabi. Den Chef des Irakischen Nationalkongresses erwartet in Jordanien wegen Bankbetrugs in Höhe von 288 Millionen US-Dollar eine 22jährige Gefängnisstrafe; seine Leute werden mit organisiertem Verbrechen im Nachkriegsirak in Verbindung gebracht. Der nun angekündigte Zeitplan sieht nach Einsetzung der Übergansregierung die Ausarbeitung einer neuen Verfassung – unter Mithilfe der USA – und nationale Wahlen bis Ende 2005 vor. Doch unabhängig davon, ob dieser Zeitplan ernst gemeint ist und wie die Übergangsregierung zusammengesetzt sein wird, eine Wiederherstellung irakischer Souveränität ist auf diesem Wege ebenso wenig zu erwarten wie eine Besserung der Bedingungen für die Iraker. Der Ausverkauf des Landes hat schon begonnen. »Selbst wenn morgen der letzte Soldat aus dem Golf abgezogen würde und eine souveräne Regierung an die Macht käme,« so die Kanadierin Naomi Klein, die sich in der Antiglobalisierungsbewegung kenntnisreich und kritisch wie wenige mit den Strategien der Globalisierung von Kapitalmacht auseinandersetzt, »bliebe der Irak besetzt: durch Gesetze, die im Interesse eines anderen Landes gemacht wurden, durch ausländische Konzerne, die entscheidende Dienstleistungen des Landes kontrollieren.« Zu den neuen Plänen gehört auch der noch raschere Aufbau irakischer Sicherheitskräfte, die unter US-Kommando verbleiben sollen. Die Ausbildungszeiten der US-loyalen Rekruten wurden hierfür schon zweimal halbiert. Die weitere Kürzung, schlußfolgert aus kanadischer Nähe und Distanz zur Politik Washingtons der Toronto Star , bestätige, daß die USA keine echte irakische Armee wollen, die in der Zukunft womöglich wieder US-Interessen in der Region gefährden könnte, sondern nur Wachleute, Polizisten, Geheimagenten und einfache Fußsoldaten: »irakisches Kanonenfutter«, um die Zahl, der in Leichensäcken zurückkehrenden US-Soldaten zu minimieren. »Dies ist eine echte und erprobte Kolonialmethode.« Sollten die US-Strategen und ihre Verbündeten ihre Pläne verwirklichen können, stünde am Ende nicht die irakische Souveränität, sondern eine US-hörige Diktatur, eine Kolonialregierung mit irakischem Gesicht.
Dieser Tage erscheint »Der Irak – Krieg, Besetzung, Widerstand«, herausgegeben von Rüdiger Göbel, Joachim Guilliard und Michael Schiffmann, PapyRossa Verlag, 277 Seiten, 15.80 €, ISBN 3-89438-270-8.
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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