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Die Neue Zürcher Zeitung , Leib- und Magenblatt der schweizerischen Hochfinanz, brachte ihr freilich nur scheinbar widersprüchliches Verhalten unlängst auf den Punkt: »Stellen Sie sich vor, es hagelt gute Konjunkturnachrichten – und keinen Börsianer interessiert es. Die Beschreibung dieses Verhaltens, was vor einem Jahr noch undenkbar gewesen wäre, ist zwar etwas überzeichnet, trifft aber durchaus auf die abgelaufene Handelswoche zu. Vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika kamen reihenweise hervorragende Nachrichten von der Wirtschaftsentwicklung nach Europa…«, dennoch »...bremste ein erneuter Schwächeanfall des Dollars die europäischen Aktienindizes nicht nur, sondern zog sie im Tagesverlauf auch noch deutlich ins Minus. Am Freitag erreichte der Euro gegenüber dem Dollar mit 1.2015 erneut einen Rekordwert.« Ungefähr dieselbe Abwertung mußte die Welt-Leitwährung auch gegenüber dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken hinnehmen, und dies auch noch ausgerechnet in der Woche, da Präsident Bush in Bagdad ein paar hundert handverlesenen GI's den Thankgivings-Turkey, die Erntedank-Pute, servierte! Was war geschehen? Was hatte die Börsianer veranlaßt, statt sich von positiven Wirtschaftsdaten leiten zu lassen, wie hypnotisiert auf die Devisenkurse zu starren? Auch darüber wußte die NZZ Bescheid. Am 1. Dezember 2003 doppelte sie nach: »Die Abwertung wurde an den Kapitalmärkten fast einhellig als Signal dafür interpretiert, daß die Anleger das große US-Handelsbilanzdefizit nun endlich nicht mehr ignorieren, sondern sich zunehmend die Frage nach dessen künftiger Finanzierung stellen. Jüngste Statistiken zeigen, daß der Appetit internationaler Anleger auf US-Wertpapiere abgenommen hat und deutlich weniger amerikanische Bonds und Aktien von Ausländern gekauft werden. Wenn diese Entwicklung anhält, wird der Druck auf den Dollar noch zunehmen. Marktteilnehmer vermuten, daß es genau diese Überlegungen waren, die das Vertrauen in den Dollar geschmälert haben.« Über die schwindelerregende Höhe und das unaufhaltsame Anwachsen des nordamerikanischen Leistungsbilanzdefizits hatte sich das Zentralorgan der schweizerischen Großbanken bereits in seiner Wochenendausgabe vom 8./9. November 2003 erstaunlich kritisch ausgelassen. Es müsse bezweifelt werden, meinte man in Zürich, daß die positiven neueren Wirtschaftszahlen »nachhaltig« seien. In Wahrheit drohe dem weiteren Konjunkturverlauf erhebliche Gefahr nicht nur seitens des US-Leistungsbilanzdefizits, sondern ebenso vom zunehmenden Defizit des nordamerikanischen Staatshaushalts. »Weil die Warenimporte regelmäßig die Exporte übersteigen«, stecke die größte Volkswirtschaft der Welt seit gut 20 Jahren praktisch ununterbrochen in den roten Zahlen. Besonders bedenklich sei, »daß sich der Negativsaldo in den letzten Jahren sukzessive auf über 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhte…« und daß die Netto-Auslandsverschuldung der USA bis Ende 2002 auf 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anschwoll. Solch hohe Defizite seien besonders in Phasen wirtschaftlicher Erholung extrem riskant. Verschärften sie doch erfahrungsgemäß das Ungleichgewicht der Leistungsbilanz bei einem Aufschwung, da dann die amerikanische Nachfrage nach ausländischen Gütern noch stärker steige als die internationale Nachfrage nach US-Exporten. Schon jetzt überträfen die Fehlbeträge der Handelsbilanz »mit 45 Milliarden $ pro Monat die Vergleichswerte der Phase der vorangegangenen Hochkonjunktur deutlich«. Daraus ergibt sich für die merklich besorgte NZZ die heikle Frage, »bis zu welchem Punkt die internationalen Investoren bereit« seien, »durch den Kauf von US-Vermögenswerten die laufenden Fehlbeträge zu finanzieren«. Den kritischen Schwellenwert kenne im Falle der USA zwar niemand, doch bei anderen Industrieländern gälten als Grenzwert Leistungsbilanzdefizite in der Höhe von fünf Prozent. Auf jeden Fall müsse davon ausgegangen werden, daß ein solches Limit auch für die USA existiere. Sollte es überschritten werden, würden die Investoren das Risiko ihrer Dollar-Anlagen unvermeidlich neu verteilen wollen. Originalton NZZ von Anfang November: »Schon seit einiger Zeit hält die ausländische Nachfrage nach US-Anlagen mit dem Angebot nicht mehr Schritt, was sich in der deutlichen realen Abwertung des Dollars um 10 Prozent (handelsgewichtet) seit dem letzten Höhepunkt im Februar 2002 äußert.« Problematisch sei übrigens nicht nur die Höhe, sondern auch die derzeitige Struktur des US-Leistungsbilanzdefizits. Bis in die 90er Jahre hinein seien internationale Gelder praktisch ausschließlich als Direktinvestitionen oder Aktienanlagen ins Land geflossen. Heute würden dagegen vermehrt Zins-Papiere gekauft, mit denen die öffentliche Hand ihren wachsenden Verbrauch finanziere. Was langfristig die Finanzierbarkeit des Leistungsbilanzdefizits verschlechtere. Zum einen, weil »damit sehr stark privater und öffentlicher Konsum finanziert wird…«, zum andern, weil der höhere Anteil von Anleihen und Krediten die USA gegenüber Zinserhöhungen verletzlicher werden lasse. Anders als bei Direktinvestitionen und Aktienengagements würde hier mehr Geld für den Schuldendienst benötigt, zumal steigende Zinsen auch eine unvermeidliche Begleiterscheinung nachhaltiger Konjunkturerholung seien. Drückten aber »hohe Zinsen im weltgrößten Absatzmarkt (USA) auf die Nachfrage …, tangiert dies auch den Rest der Welt.« Hier eine ergänzende Information zur Größenordnung der Summen. Sie ist kein Geheimnis. Wer will, kann ihren aktuellen Stand jederzeit auf der Home-page des »Bureau of the public dept«, einer Institution des Schatzamtes der US-Regierung, abrufen. Ihr zufolge belief sich die öffentliche US-Verschuldung am 4. Dezember 2003 auf 6,939 Billionen Dollar, einen Betrag, der den normalen Lohn-, Gehalts-, Arbeitslosengeld- oder Rentenempfängern auch dann nicht vorstellbar wird, wenn man hinzufügt, daß er voll ausgeschrieben nicht weniger als zwölf Stellen hinter dem Komma für sich beansprucht. Bei Bushs Amtsantritt hatte der US-amerikanische Schuldenpegel bei 5,674 Billionen Dollar gestanden. Angesichts der exorbitanten Zinsdienste, die solch eine Last erzwingt, schätzt die NZZ die weiteren Aussichten des bis Anfang Dezember gegenüber dem Euro inzwischen bereits um mehr als 17 Prozent abgewerteten Greenback als wenig rosig ein. Sie verweist auf die Investmentbank Goldman-Sachs, deren Manager einen massenhaften Rückzug währungsmäßig nicht mehr abgesicherter US-Investitionen von Ausländern befürchten: »Je stärker sich die Erwartung einer weiteren Dollar-Schwäche verbreitet, desto stärker wird die Bereitschaft der Investoren zum Kauf von amerikanischen Wertpapieren abnehmen. Bei Goldman Sachs wittert man bereits den Geruch der Kapitalflucht...« Zur Zeit rechnen US-Finanzkreise denn auch in der Tat mit einer solchen und halten als deren Begleiterscheinung eine weitere Entwertung des Dollars um fünf bis zehn Prozent für absehbar. Was aber, wenn dessen nächster Schwächeanfall wesentlich größere Dimensionen annimmt? Eine Vorstellung immerhin, die angesichts des beschleunigt weiter wachsenden US-Schuldenbergs und der zusehends unberechenbar werdenden US-Außenpolitik und nicht zuletzt in Anbetracht des zunehmend brutaler werdenden Kampfes der G 8 um Weltmarkt-Anteile kaum mehr einfach als Spinnerei abgetan werden kann! Wo fänden dann die aus dem Dollar flüchtenden Spekulationsmilliarden oder gar -billionen neue profitable Unterkunft? Fänden sie überhaupt noch eine? Und wenn nicht? Wie reagierten dann erst die Börsen der Welt? Mit einem Blackout?
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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