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Daß die Regierenden aller Couleur nichts gegen die Arbeitslosigkeit getan haben und auch jetzt nichts tun, sondern ihren Kampf vor allem gegen die Arbeitslosen führen, spricht sich allmählich herum. Ratlosigkeit allenthalben. Angst um die eigene Zukunft oder die der Kinder, Fatalismus und Politikverdrossenheit breiten sich aus. Was die Bosse von Kapital und Kabinett aber nicht stört. Im Gegenteil, wenn Menschen sich um den Arbeitsplatz sorgen, kann man, ohne auf starken Widerstand zu stoßen, ihren Reallohn senken, die Arbeitszeit ohne Lohn verlängern, die Arbeit intensivieren, das Kranksein verbieten, die Sozialleistungen zusammenstreichen. Auf daß die deutsche Exportwirtschaft noch höhere Überschüsse einfährt, die Gewinne für die oberen zehn Prozent weiter sprudeln und das Anlage- und Vermögenskapital neue Rekordmarken erreicht. Allein das Geldvermögen der Reichen hierzulande hat sich in nur zehn Jahren mehr als verdoppelt, exakt von 1605 Milliarden Euro 1991 auf 3653 Milliarden Euro 2001. Denn aus Kapital muß mehr Kapital werden, sonst verlöre es seine Macht. Akkumulieren um der Akkumulation willen heißt das Gesetz, und wenn eine Volkswirtschaft an Wachstumsgrenzen stößt, verlangt das Kapital, daß ihm trotzdem Wachstum gewährt wird – auf Kosten der abhängig Beschäftigten. Gutwillige, sich als links verstehende Wissenschaftler, durchaus nicht dem neoliberalen Dogma erlegen, vergessen gern die ehernen Gesetze kapitalistischer Gesellschaften. Sie suchen Wege, die aus der Misere mit immer mehr Arbeitslosen und sozialer Verelendung herausführen, und halten es für klug und realistisch, wenn ihre Vorschläge systemimmanent bleiben, also den Kapitalismus nicht in Frage stellen. Ein Beispiel hierfür boten die Professoren Peter Grottian, Wolf-Dieter Narr und Roland Roth in der Frankfurter Rundschau vom 29. 11. 03. Unter der Überschrift »Sich selbst eine Arbeit geben« fordern sie lauter schöne Sachen: eine »menschenrechtsgemäße Grundsicherung« für jede Person, »erheblich über dem gegenwärtigen Sozialhilfesatz«, »unabhängig von der öffentlichen Kassenlage« – woher allerdings das Geld dann kommen soll, wird nicht mitgeteilt. Erwerbswillige sollen sich selbst einen Arbeitsplatz suchen können, zum Beispiel als »Betreuer von Alten, von Schülern, von Behinderten und Kindern«, als »Fußball-Fan-Club-Begleiterin« oder auch als »City-Cleaner«. Dafür soll es einen Verdienst geben, der mindestens 15 000 Euro über der Sozialhilfe liegt. Die Tarifparteien werden aufgefordert, die Arbeit aller umzuverteilen und hierfür auch einen Teil der »Tarifangebote« (gibt's die? ohne Forderungen?) in neue Arbeitsplätze umzuwandeln… Verführerischer ist Vorschlag des Osnabrücker Hochschullehrers Mohssen Massarrat nehmen, der im Attac-Reader Nr. 2 erschienen ist und den die FR ebenfalls dokumentieren will. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen empfiehlt Massarrat EU-weit eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden mit entsprechenden Lohnabschlägen; die Unteren sollen allerdings einen vom Staat zu organisierenden Ausgleich erhalten. Weil das Programm für die Unternehmer kostenneutral wäre, würden sie mitziehen, meint er. Von den oberen Einkommensgruppen erhofft er, daß sie bereit sind, hierfür »einen Preis zu zahlen und ihre Partikularinteressen in einer ganzheitlichen Perspektive neu zu bewerten«. Massarrat will damit erstens erreichen, daß die Gewerkschaften, nicht mehr gelähmt durch hohe Arbeitslosigkeit, aus ihrer gegenwärtigen Defensive herauskommen (mit Lohnsenkungen von 25 Prozent für die Hälfte der Beschäftigten?). Zweitens glaubt er, daß nur so das Ziel der »Nachhaltigkeit« erreicht werden könne, die sich sowieso nicht mit weiterem Wachstum in den Industrieländern auf Kosten der Umwelt und der Dritten Welt vertrage. Und drittens hätten die Leute endlich mehr Zeit, sich in Projekten der »Zivilgesellschaft« oder auch im öffentlichen Sektor ehrenamtlich zu betätigen. Daß die Kapitalseite Arbeitszeitverkürzungen mit Lohnsenkungen je nach Auftragslage sehr gut für ihre Strategien der Gewinnstabilisierung gebrauchen kann (vgl. das VW-Modell oder aktuelle Überlegungen bei Ford und Opel), scheint Massarrat nicht weiter anzufechten. Daß die Produktivität durch Arbeitszeitverdichtung und höhere Anforderungen in der kürzeren Zeit noch einmal nach oben schnellen würde, zumindest im industriellen Bereich, die Inlandsnachfrage aber infolge eingefrorener oder gar sinkender Lohnrate weiter einbräche, sieht er ebenfalls nicht. Wie man »Nachhaltigkeit« mit »Nullwachstum« im Kapitalismus erreichen könnte, ohne die Gewinnraten anzugreifen, bleibt ein Rätsel. Und daß die Schwärmerei für ehrenamtliches Engagement die neoliberalen Staatsverschlanker geradezu ermutigen muß, eine geordnete Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Pflege, Jugendhilfe, Kultur zu zerstören, wird ebenfalls – wie schon von der Dreiergruppe um Grottian – in Kauf genommen. Die Geißel Arbeitslosigkeit wäre tatsächlich leicht aus der Welt zu schaffen: durch Arbeitszeitverkürzung. Da die Volkswirtschaft mit verbesserter Apparatur und Organisation jedes Jahr mehr produzieren kann, genügt weniger Arbeitszeit zur Herstellung der nötigen Güter und Dienstleistungen. Wir brauchen aber zumindest den gleichen Lohn, um das Produzierte kaufen zu können und nicht zu verarmen. Außerdem müßten wir viel Arbeit und Arbeitszeit für den Wiederaufbau und die Verbesserung der von den Neoliberalen zerstörten öffentlichen, gemeinwirtschaftlichen Dienste aufwenden. Aber unter der Herrschaft des Kapitalismus bestimmen nicht wir über das Produzieren und Verteilen. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland laut Grundgesetz ein »demokratischer und sozialer Bundesstaat« (Art. 20.1) sein soll, lassen wir uns von Politikern regieren, die den Opferdienst an der Kapitalakkumulation über alle anderen Pflichten stellen. Dieses oberste Gesetz fordert weltweit Menschenopfer in unvorstellbarer Zahl, schlimmer als jede antike Gottheit, und zerstört inzwischen auch in den Industrieländern das soziale Gefüge. Dagegen sind gutgemeinte Vorschläge mit Bitten und Erwartungen nicht nur wirkungslos; sie werden gefährlich, wenn sie den Opferpriestern nicht in den Arm fallen und jenen Organisationen Ausreden bieten, die berufen wären, die Kapitalherrschaft zurückzudrängen, den Gewerkschaften.
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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