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Nicht die angeblich so krassen Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen sind das Problem, sondern deren tatsächlich zu geringe Einnahmen. Wegen der schwachen Beschäftigung werden diejenigen, die Beiträge leisten können, immer weniger. Sollten ihre Abgaben ausreichen, um die Rechnungen für die Kranken zu bezahlen, müßten sie erhöht werden. Damit werden die Abzüge für die Beschäftigten ärgerlicher, und die Unternehmer klagen über die profitschmälernden Lohnnebenkosten. Abhilfe könnten die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehung aller Einkommen in die gesetzliche Versicherung bringen. Man kann nicht sagen, daß diese Wahrheit totgeschwiegen wird, sie findet sich dann und wann in der Zeitung. Aber die Mehrzahl der Kommentatoren spricht unverändert von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen, gegen die es nur ein Mittel gebe: Senkung der Leistungen und private Zuzahlungen. Ähnlich ist es mit der Rente. Die Arbeitsproduktivität ist so hoch, daß eine immer kleiner werdende Zahl von Beschäftigten durchaus im Stande wäre, immer mehr Alte zu ernähren. Aber es wird zu wenig in die Rentenkassen eingezahlt, denn die Arbeitslosigkeit steigt. Auch hier könnte – neben einer jobfördernden Wirtschaftspolitik, die auf die Nachfrage setzt – eine Verallgemeinerung der Versicherungspflicht helfen. Dann gibt es mehr Einzahler. Werden die Leistungen von der Beitragshöhe abgekoppelt, entsteht ein Plus, obwohl es dann ja auch mehr Anspruchsberechtigte gibt. Auch das wissen im Grunde alle. Die zuständige Ministerin aber sagt, die Leistungen müßten gesenkt werden. Wer mehr wolle, solle sich zusätzlich privat versichern. Drittes Beispiel: Die Staatsschulden sollen gesenkt werden – gleichzeitig aber auch die Steuern. Offenkundig geht das nicht. Dennoch wird beides gefordert. Der Kommentator im Fernsehen verlangt: »Steuern runter!« Umfragen bestätigen, daß er eine Mehrheit hinter sich hat. Wie kommt dieser Widerspruch zwischen dem empirisch und logisch Unverkennbaren einerseits und dem Meinungs-Mainstream andererseits zustande? Die Verbreitung von gesellschaftlichen Ansichten liegt in den Händen eines Oligopols. Es besteht aus den politischen und medialen Eliten. Beginnen wir mit letzteren. Die großen Medien sind entweder gewinnorientierte Unternehmen oder – wenn sie öffentlich-rechtlich sind – konkurrieren mit diesen nach deren Kriterien. Ihre wichtigste Auftraggeberin ist die werbende Wirtschaft. Senkung der Lohnnebenkosten und der Steuern liegt in deren Interesse: Der Nettogewinn ist dann größer. Wir müssen nicht annehmen, die Journalist(inn)en, die für diese Medien arbeiten, folgten dem Diktat ihrer Beschäftiger. Deren Interessen bilden zwar die Grenze der inneren Pressefreiheit, aber die werden kaum einmal berührt. Journalistinen der höheren Einkommensklasse sind heute entweder freie Mitarbeiter(innen), oder ihre Gehälter liegen – wenn sie bei einem einflußreichen Blatt oder Sender fest angestellt sind – oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Die öffentlich-rechtlichen sozialen Sicherungssysteme sind für sie nicht attraktiv. Als Selbständige haben sie von staatlichen Transfers nichts zu erwarten, Steuern sind für sie deshalb hinausgeworfenes Geld. Auf der anderen Seite der Verdienstskala im Mediengewerbe stehen die armen Teufel. Sie sind nicht sozialversichert und haben verständlicherweise nichts für die traditionellen Kassen übrig. Vielleicht sind sogar die besserverdienenden Meinungsmacher, trotz ihres zum Teil hohen Einkommens, insofern nicht gut dran, als die soziale Sicherheit, die sie sich mit Hilfe ihrer Finanzdienstleister zu kaufen suchen, prekär ist – und handele es sich nur um jene Phantomangst vor einem letztlich unwahrscheinlichen Absturz. Dies erklärt vielleicht auch die Aggressivität, mit der sie die Angelegenheiten von Menschengruppen abhandeln, denen sie nicht angehören: Rentner, Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, angeblich anspruchsvolle Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, Lohnabhängige mit – noch – Kündigungsschutz. Auch die politischen Eliten sind ausschließlich Urheber, niemals Objekte der Kürzungsvorschläge. Der zuweilen zelebrierte demonstrative Verzicht auf Gehaltserhöhungen für Kabinettsmitglieder ist insofern demagogisch, als diese Menschen nicht nur von ihrem monatlichen Gehältern oder Diäten leben müssen. Wer nämlich nach wie vor nur einen kleinen Teil seines Einkommens zu konsumieren imstande ist, wird das Übrige in der einen oder anderen Weise anlegen. Die Vermehrung dieser Mittel folgt den Gesetzen der Finanzmärkte und ist von öffentlich-rechtlichen Verteilungsmaßnahmen unabhängig. Es handelt sich also um einen Fall von medialer Fremdbestimmung. Man könnte auch sagen: Gehirnwäsche.
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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