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Schröder hat mit diesem Programm zum Abbau des Sozialstaates das äußerste geleistet, was er mit dem von ihm geführten Regierungsblock durchsetzen kann. Dieses »Durchsetzen« ist tatsächlich ein politisches Hängen und Würgen. In den Einzelheiten des gesamten Pakets von der Handwerksordnung und den Minijobs über Renten- und Gesundheitswesen bis zu Hartz III oder IV kennen sich selbst Experten nicht aus, die Bevölkerung ist verstört. Haften blieb der Kernsatz aus Schröders Bundestagsrede am 14. März, mit der er die »Agenda 2010« offiziell vorstellte: »Wir werden Leistungen des Staates kürzen... Alle Kräfte der Gesellschaft werden ihren Beitrag leisten müssen.« Das signalisierte Übles. Schröder hat anders als seine Kollegen in Frankreich, Österreich oder Italien nicht mit Millionen Demonstranten zu tun gehabt oder gar mit einem Generalstreik. Die Bundesrepublik ist ökonomisch und damit auch sozial das wichtigste Land der Europäischen Union. Ansätze zu einer Destabilisierung sind faktisch verboten. Die DGB-Spitze organisierte halbherzig Protest, rief dann eine »Sommer«pause aus, kündigte einen »heißen Herbst« an und war völlig überrascht, als kleine linke Verbände und einzelne DGB-Gliederungen am 1. November in Berlin 100 000 Demonstranten mobilisieren konnten. Zwei Tage zuvor hatte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer in der Leipziger Volkszeitung Demonstrationen noch für unerheblich erklärt. Mit solch einer Gewerkschaftsspitze läßt sich Ruhe im Land organisieren. Diese Ruhe ist aus der Sicht des deutschen Großkapitals, das sich seit August 2003 nach elf Jahren Pause wieder mit dem Titel des Exportweltmeisters schmücken darf, vermutlich das größte Verdienst Schröders. Nach drei Jahren Rezession, die durch die Haushalts- und Sozialpolitik der Bundesregierung bis hin zur Deflationsgefahr verschärft wurde, setzen SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Hebel an alle Säulen der Sozialversicherung. Dem Trippelschritt zur Auflösung der solidarischen Rentenversicherung, der mit der Riesterrente getan wurde, soll nun ein etwas größerer folgen, der das Rentenniveau langfristig auf 40 Prozent der Einkommen absenken wird. Die Kosten der gemeinsam mit CDU/CSU auf den Weg gebrachten sogenannten Gesundheitsreform werden zu 80 Prozent den Patienten auferlegt – in erster Linie ein Geschenk an die Pharmaindustrie. Die Arbeitslosenversicherung wird nach Hartz und den Willkürentscheidungen zur Kürzung und Befristung des Arbeitslosengeldes kaum noch den Namen einer Versicherung verdienen. Sie dient wie auch die anderen Sozialkassen der Politik als Reservefonds für Manipulationen und dem Komfort politischer Funktionäre wie Florian Gerster. So weit so gut aus der Sicht der Herrschenden. Dennoch bleibt ein Manko in Schröders Bilanz. Angela Merkel sagte ihm am 14. März: »Herr Bundeskanzler, der große Wurf für die Bundesrepublik Deutschland war das mit Sicherheit nicht.« Wohl wahr. Das zeigt sich im endlosen Berliner Poker, im Hin und Her der Vermittlungsausschüsse und Gipfeltreffen über die zustimmungspflichtigen Teile des Gesamtpakets. Da wird nicht mehr mit »ruhiger Hand« eines souveränen »Machers« regiert. Was Schröder 1999 mit Leichtigkeit, ausgestattet mit Starfotos und mit Utensilien wie Cohiba und Brioni-Anzug, bewerkstelligte, den Schwenk zum ersten deutschen Krieg sei 1945 und zu Milliardengeschenken fürs Großkapital, was ihm 2000 mit Tricks und Täuschung gelang, das Durchsetzen der Steuerreform und später der Riester-Rente, was 2002 noch einmal klappte mit Sommerflut und Anti-Bush-Attitüde, kommt 2003 nur schleppend voran und bleibt ohne Aussicht auf große Wirkung. Schröders politische Stückwerktechnologie ist am Ende. Worüber sein Vorbild Helmut Schmidt vor 30 Jahren noch philosophierte, nämlich daß es im Sinne der »offenen Gesellschaft« wichtiger sei, mehr gute Krankenhäuser und Schulen zu schaffen statt realsozialistisch ein gutes Gesundheits- oder Bildungswesen, stand bei Schröder ohnehin nicht mehr zur Debatte. Bei ihm ging es darum, ob er für den geforderten Abbau des Sozialstaates auf der einen und die Akkumulation von Kapital per Steuergeschenk und Subvention auf der anderen Seite solche Geräte wie die Abrißbirne oder feineres Instrument benutzt. Von Philosophie oder – sagen wir – wenigstens einer Idee zur Lösung eines Problems, die irgendjemanden, zum Beispiel die SPD-Genossen, hätte motivieren können, gab es da keinen Hauch. Das »sozialpolitische Godesberg«, wie die Zeitschrift Sozialismus die »Agenda 2010« nannte, markiert einmal mehr, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse das Problem sind. Da war selbst mit einer Schröder-SPD kein »großer Wurf« möglich. Wie der aussehen könnte, weiß vielleicht Roland Koch.
Erschienen in Ossietzky 25/2003 |
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