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sollen ein einziger anonymer Bekenneranruf und die angeblich unverkennbare
Handschrift, die perfekte Organisation ausreichen, um den Urheber auszumachen:
den Hauptfeind im weltweiten Jahrhundertkrieg gegen den Terror. Eine grandiose
Verschwörungstheorie. Eberhard Schultz FreedomJürgen Elsässer hat kürzlich darauf hingewiesen ( Ossietzky 22/03), daß die Bundeswehr, nachdem sie nun ins nördliche Afghanistan kommandiert worden ist, dort die Opiumproduktion abzusichern haben wird. »Enduring Freedom« für die Drogenbarone. Dazu paßt die Nachricht, daß die afghanische Frauenrechtlerin
Zarmina Fokhi – bei der Konferenz in Bad Honnef 2001, wo die deutsche Außenpolitik
den Weg in ein »ziviles Afghanistan« zu bereiten versprach, war
sie Delegierte des afghanischen »Women-Network« – in Bremen Asyl
beantragt hat. In Afghanistan, so ihr Anwalt, sei sie an Leib und Leben gefährdet,
weil sie sich dort für die Menschenrechte der Frauen eingesetzt habe. »Enduring
Freedom« gilt eben nicht für alle. Peter Söhren DemocracyHat Schewardnadse, Genschers lieber Freund, die Wahl gefälscht? Wir würden uns nicht für ihn verbürgen. Aber daß er abtreten mußte, war längst klar, bevor die Wahllokale geöffnet wurden. Im Internet konnte man Mitte Oktober unter www.antiwar.com lesen, die USA seien der Regierung Schewardnadse überdrüssig, denn sie erscheine ihnen zu rußlandfreundlich, besonders nach der Übernahme der georgischen Elektrizitätsgesellschaft durch den russischen Konzern EES. Hilfsgelder für Georgien wurden gestrichen, und die USA nutzten ihren Einfluß, damit sich der Internationale Währungsfonds und die Weltbank an diesem Vorgehen beteiligten. Eine US-Delegation unter Leitung des republikanischen Senators John McCain bemühte sich nach Georgien, um den Menschen dort Demokratie beizubringen. Davon verstehen die USA nämlich besonders viel, wie wir spätestens seit ihrer letzten Präsidentenwahl wissen. Als in Tbilisi nach der Wahl Oppositionelle das Parlament besetzten (alles schon x-mal anderswo erprobt), rief Schewardnadse vergeblich nach dem Militär, um den Putsch zu unterbinden. Die Generalität hatte schon die Seiten gewechselt. Merke: Militär garantiert keine Sicherheit. Arnold Venn Helme zu Kopftüchern!Der Kampf ums Kopftuch geht weiter – vom Bundesverfassungsgericht in die Landtage. Und er tobt in den Leser-briefspalten. Als wären uns Kopfbe-deckungsvorschriften einzelner Bevöl-kerungsgruppen bislang völlig fremd. Wieso tolerieren wir seit eh und je den nur Gesicht und Hände freilassenden Ornat katholischer Ordensschwestern – nicht allein in deren Freizeit, sondern auch im Dienst: in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern? Der wahre Impuls der Kämpfer gegen das Kopftuch ist offenbar ein christlicher Monopolanspruch. Den Eiferern scheint nicht geläufig zu sein, daß das Grundgesetz keine Staatskirche vorsieht. Mehr als Kopftücher beunruhigen mich Barette und Helme. Offiziere der
Bundeswehr streben überall in die Schulen – uniformiert. Scheußlich.
Und offenkundig in der Absicht zu indoktrinieren. Das sollte verboten werden. E.
S. Anti-antideutsches BrevierWährend der großen Demonstrationen gegen den Afghanistan- und den letzten Irak-Krieg machten die »Antideutschen« von sich reden, die sich unter der Losung »Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder!« den Friedensdemonstranten mit Israel- und USA-Fahnen entgegenstellten und die gesamte Friedensbewegung als »organisierten faschistischen Mob« zu beschimpften. Robert Kurz hat sich in seinem neuen Buch mit dieser Gruppe und ihrer Ideologie befaßt. Ihre Ursprünge sieht er im Beginn der neunziger Jahre: Der Zerfall des realsozialistischen Systems und der nationalen Befreiungsbewegungen sowie der neoliberale Schwenk der Reste der 68er Bewegung beraubten damals viele (west-) deutsche Linke ihrer positiven Identifikationen. Daraufhin entfernten sich mehrere theoretische Vordenker der »Antideutschen« von der traditionellen Analyse des Faschismus als besonders barbarischer Erscheinungsform der kapitalistischen Gesellschaft. Indem sie die Nazidiktatur als »negativ aufgehobenen Kapitalismus« charakterisierten, schnitten sie den Faschismus von seinen ökonomischen Wurzeln ab. Bein manchen jungen Linken fiel dieser verkürzte Faschismus-Begriff auf fruchtbaren Boden. Bald galt Kapitalismuskritik bei den »Antideutschen« generell als antisemitisch. In den letzten Jahren machten sie die von ihnen als völkisch und damit antisemitisch charakterisierte globalisierungskritische Bewegung als »Hauptfeind« aus; im Widerstand gegen reale Neonazis sind sie kaum mehr zu finden. Ihre Argumente folgen, wie Kurz zeigt, einer dürftigen Logik: Deutschland ist böse, also sind die USA, weil sie gegen Deutschland gekämpft haben, gut; Attac kritisiert die US-Politik, also sind Globalisierungsgegner gleich Nazis. Ein Beispiel für die üblichen Kurzschlüsse von »Antideutschen«: Wenn die rechtsradikalen »Republikaner« nach dem Motto »Deutsche zuerst« Zahnersatz für Asylbewerber ablehnen, so folgern die »Antideutschen« daraus, daß sozialer Widerstand gegen medizinische Restriktionen vom Grundsatz her völkisch und antisemitisch sei. Die zahlungsunfähigen Opfer neoliberaler Kürzungsorgien im Gesundheitswesen sollen dann für den Rest ihres Lebens mit verwüsteten Gebissen herumlaufen. Da man derzeit keine durch Europa ziehenden SS-Divisionen herbeihalluzinieren kann, treten islamische Staaten an die Stelle des deutschen Faschismus. Nach dem Motto »Nazis gegen Juden, Araber gegen Israel, also Araber = Nazis« setzen die »Antideutschen« den Terror islamistischer Gruppen gegen die israelische Bevölkerung mit dem planmäßigen Massenmord von Auschwitz gleich, wobei sie die Bevölkerung arabischer Staaten undifferenziert als faschistisch einstufen. Der Schulterschluß mit den rechtsgerichteten Regierungen der USA und Israels hat dann zur Folge, daß Friedensdemonstranten in Washington und Tel Aviv als Handlanger einer faschistoiden Terrorzentrale erscheinen. Robert Kurz vermutet, daß die »Antideutschen« niemals in der Lage sein werden, nennenswerte Bevölkerungs-gruppen zu mobilisieren. Über Blätter wie Jungle World hinaus, wo sie Einfluß gewonnen haben, finden ihre abstrusen Gleichsetzungen jedoch Eingang in den medialen Mainstream. Insofern wird man weiterhin – und Kurz' Buch ist dafür eine wichtige Hilfe – mit der »antideutschen Ideologie« zu kämpfen haben. Gerd Bedszent Robert Kurz: »Die antideutsche Ideologie – Vom Antifaschismus zum
Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen
theoretischen Propheten«, Unrast- Verlag, 307 Seiten, 16 € Antifaschismus im Kalten Krieg»Antifa-Geschichten« mag jeder seine eigenen haben: Wie ich an der Hand meiner großen Schwester zur Begrüßung der befreiten Buchenwaldhäftlinge am Straßenrand stand und dem besten Freund meines Vaters zuwinkte. Der eine nun endlich zu Hause, der andere noch in Kriegsgefangenschaft... Wie niemand von den Kindern auf der Straße mit mir »Partisan« spielen wollte... Die Schüler aller Klassen unserer Schule im Kino. Wir sehen den Thälmann-Film. Ich sitze mit einer Freundin ganz hinten, damit die anderen nicht sehen, daß wir uns bei den zu erwartenden Folterszenen die Augen zuhalten... Die Tränen bei der Lektüre von »Soja und Schura«. Und dann wurde Anne Frank auf Platz 1 meiner allerbesten Freundinnen gesetzt und bei jeder Entscheidung insgeheim geprüft: Wie hätte sie entschieden? Oder die Spanien-Abende im Oberschulinternat: Buschs Stimme, und ein wenig fühlte man sich beim Mitsingen als Mitglied der Internationalen Brigaden.... Daß es mit dem Antifaschismus und den Antifaschisten in der DDR nicht immer ganz einfach war, wurde zur Erfahrung des Erwachsenwerdens. Da gab es Auseinandersetzungen über einzelne Darstellungen in Geschichtsbüchern und Belletristik. Da entschied letztendlich ein parteiamtliches »Standardwerk«, wie es gewesen zu sein hatte. Da spürte man Mut und Kühnheit, wenn ein neues Buch oder ein neuer Film mit Klischees brach. Simone Barck ist solchen Geschichten und der Geschichte in den 50er und 60er Jahren nachgegangen und präsentiert jetzt ein Buch, das mich aufregt wie selten eins. Sie berichtet von ständiger Auseinandersetzung über den »richtigen Antifaschismus«, von einem Hauen und Stechen, das noch nach 1945 Antifaschisten zur Strecke brachte – physisch und moralisch. Manche wurden der Ergebnisse jahrelanger Forschung oder sogar der eigenen Erlebnisse beraubt. Menschen, die dem Faschismus tapfer widerstanden hatten, wurden verbogen, andere zu Heroen verklärt, wieder andere »kaltgestellt«. Was Simone Barck in immenser Kleinarbeit aus den tiefsten Winkeln der Archive geborgen hat, zeigt, wie kompliziert es mit dem Antifaschismus war und ist, was für Schicksale hinter den Auseinandersetzungen standen, wie tief der Streit in der Geschichte der Arbeiterparteien verwurzelt war. Einen Beitrag zur »Kultur des Antifaschismus« zu leisten, ist das Ziel von Simone Barck, und sie versteht darunter ein breites Spektrum unterschiedlichster Haltungen und Lebensmöglichkeiten im Widerstand gegen Faschismus und Neofaschismus. Wie lebendig halten wir eine solche »Kultur«? War sie bisher nicht immer gefährdet und mißbraucht, weil ideologisch und politisch instrumentalisiert? Die Erfüllung des Auftrags, den Ricarda Huch nach 1945 an Günther Weisenborn weitergab, die Schicksale der antifaschistischen Widerstandskämpfer aller Couleur zu sammeln und zu publizieren, geriet schnell zwischen die Fronten des Kalten Krieges, und so sah man auf der einen Seite Weisenborns Sammlung »Der lautlose Aufstand« als zu »linkslastig«, auf der anderen Seite vermißte man die Führungsrolle der KPD. Solche Maßgaben an den Antifaschismus verfehlten, beeinträchtigten und verfälschten über Jahre sowohl die wissenschaftlichen Darstellungen als auch die künstlerischen. In der DDR mußten Widerstandskämpfer lange Zeit Ritter ohne Furcht und Tadel sein, immer geleitet von einer »Zentrale«. Verschwiegen wurde, wie viele der Opfer durch Verrat aus den eigenen Reihen oder gar Dummheiten einer mit den Gegebenheiten nicht vertrauten Leitung umgekommen sind. Simone Barck hat bekannte und viele unbekannte Fälle herausgegriffen und genau verfolgt, was da geschah – beispielsweise mit Nico Rosts »Goethe in Dachau«, Hedda Zinners »Ravensbrücker Ballade« und Peter Weiss' »Ästhetik des Widerstands«. Alle drei Autoren stießen mit ihren Arbeiten auf Besserwisser, die nicht selten aus den Organisationen ehemaliger Häftlinge und Widerstandskämpfer kamen. Schicksale von Antifaschistinnen wie Lilo Herrmann, Hilde Coppi, Erika Buchmann, Erna Eifler, Lotte Bischoff lagen der Autorin besonders am Herzen. Aber auch das Erkunden der Täter gehört zur »Kultur des Antifaschismus«. Welche Hürden da zu überwinden waren, zeigt die Autorin am Beispiel von Stephan Hermlins Erzählung »Die Kommandeuse« und Robert Merles »Der Tod ist mein Beruf«. Simone Barck schreibt über all die aufgedeckten Widersprüche und Fehler ohne Häme und gibt damit selber ein Beipiel für die »Kultur des Antifaschismus«. Christel Berger Simone Barck: »Antifa-Geschichte(n). Eine literarische Spurensuche
in der DDR der 1950er und 1960er Jahre«, Böhlau Verlag, 275 Seiten,
34.90 € Wegen nichtsIn dieses Buch muß man eintauchen, hineinspringen wie in ein kaltes unbe-kanntes Gewässer – mir fiel es schwer. Die vielen Namen und Familienkon-stellationen verwirrten. »Klaras Nein« ist kein Roman, eine Tagebuch-Erzäh-lung, aus dem Französischen von Grete Osterwald übersetzt. Jorge Semprun schrieb das Vorwort. Die Autorin, Soazig Aaron, 1949 in Rennes geboren, also eine Nachgeborene, schreibt das fiktive Tagebuch von Lika, der Freundin und Schwägerin Klaras, die im Sommer 1945 in Paris auftaucht, nachdem sie in Europas Städten umhergeirrt ist, zurückgekehrt aus Auschwitz. Zurückgekehrt – aber nicht angekommen. Normal fände sie es, »dorthin« zurückzukehren. Sie war 29 Monate »da unten«, wie sie diesen Ort nennt, mit dem polnischen Namen Oswiecim. Eine Welt ohne Wörter, in der selbst die Peiniger Codes benutzten, um nicht zu benennen. Klara hat eine kleine Tochter, Victoire - von Lika und Alban wie ihr eigenes Kind behandelt –, die sie nicht sehen will. Victoire, die einmal Vera hieß, Klara meint, sich dem Kind nicht zumuten zu können. Es soll ohne diesen Schock aufwachsen, glauben, die Mutter sei in Polen gestorben. Klara, die in Berlin als Deutsche geboren wurde, dann nach Paris emigrierte, lehnt es ab, deutsch zu sprechen. Lika notiert Klaras Worte: »Ich werde den Rest meines Lebens nicht damit fertig werden, diese Sprache in mir zu töten.« Sie habe Angst, daß diese Sprache ihr »plötzlich ins Gesicht bellt«, die in ihrem Innersten »weint«. Denn sie habe sie »prostituiert«, ja, die Muttersprache als Hure benutzt, um ihre Haut zu retten. Darum will sie eine tote Sprache lernen, »tote Sprachen bellen nicht mehr«. Aber sie ahnt, daß selbst die Juden »auf hebräisch bellen« werden, »du wirst sehen, sie werden bellen in dieser seit zweitausend Jahren geschützten Sprache«. Daß auch Klara Jüdin sei, Lika erinnert sie daran. Klara, die aus Gründen, die unbekannt bleiben, 1941 in Frankreich zur Volkszählung ging, zum ersten und letzen mal Ja sagte, nicht ihren Namen änderte wie Lika, die sich nun Solange Blanc nennt. Klara wurde abgeholt, weil sie Jüdin war, obwohl sie es lange Zeit selbst gar nicht wahrnahm. Die später in Krakau wieder darauf gestoßen wird, als man sie fragt, warum sie im Lager war. »Wegen nichts«, sagt Klara – »…weil sie gefunden haben, ich sei Jüdin…« Die Frau in Krakau: »Es war eben doch wegen etwas, niemand ist unschuldig.« Klaras Nein heißt, daß sie sich wehrt, der Frau den Tee ins Gesicht schüttet. »Mit einem Ja wäre ich tot, physisch tot.« Das Erschütterndste: um des Überlebens willen zu »Komplizen« gemacht zu werden. Ihre Stimme spricht »bedächtig von brennenden Dingen, die erkaltet aus ihr herauskommen« notiert Lika im Tagebuch, und »wahrscheinlich weiß sie nicht, welche Gewalt sie uns antut.« Uns, den Zuhörern, Lesern – wollen wir noch zuhören? Im Sommer 1945, in Berlin, in der großen Wohnung von Klaras Mutter. Die Nachbarn, die sich dort breitgemacht haben, würden die Wohnung auch Klara verkaufen, für einen hohen Aufpreis natürlich. Sie erzählen, was sie durchgemacht haben im Krieg – diese Opfer, denen die feindlichen Bomben beinahe zerstört hätten, was sie der Mutter geraubt hatten. Was mit der Mutter geschah – Klara beginnt es zu begreifen, als von Selbstmord die Rede ist, von einer Kugel. Sie weiß, daß die Mutter niemals eine Waffe in die Hand genommen hätte. Als Klara »Sarah« genannt wird, ganz nebenbei, tut sie, was die Mutter niemals getan hätte. Klara sagt Nein auch zu Europa, will nach New York auswandern und nun ihren Namen ändern in ein unauffälliges Mary. Sie will nicht mehr abhängig sein »von der Verrücktheit eines Gefreiten, der Idiotie eines Volkes und von all diesen Wörtern wie Fahne, Nationen, Krieg, Geschichte. Nie mehr.« Nie mehr? Ist das möglich? In den USA? Monika Köhler Soazig Aaron: »Klaras Nein«, Friedenauer Presse, 188 Seiten, 19.50 €
Falschwörterbuch»Deregulierung«, »Flexibilisierung«, »Privatisierung«, »Unternehmensphilosophie«, »Lohnnebenkosten« – mit
solchen Schlägerworten setzt sich »Das Falschwörterbuch« von
Klaus Dera und Harald Kolbe auseinander (mit Beiträgen von Ivan Nagel
und Eckart Spoo), das die IG Metall Niedersachsen/Sachsen Anhalt (Otto-Brenner-Straße
7, 30159 Hannover) herausgegeben hat. Red. Kunst-KnackerDas alternative »Theaterhaus« in Stuttgart präsentiert das russische Nationalballett mit Tschaikowskis »Nußknacker« und einem bemerkenswerten Rahmenprogramm – all inclusive ab 42,80 Euro: zuerst ein Empfang mit russischen Spezialitäten, dazu Livemusik einer russischen Band, nach der Ballettaufführung eine »After Show Party«, wozu die Band nochmals aufspielen muß, diesmal aber zum gemeinsamen Tanz und Plausch mit den Tänzerinnen und Tänzern, deren Engagement also in die Nacht hinein verlängert wurde. Über den »Nußknacker« lesen wir: »Die Geschichte führt den Zuschauer in das Zauberreich, wo das Gute und das Schöne herrschen und wohin man auch als Erwachsener immer wieder zurückkehren möchte.« Wohin führt aber dieser Abend zurück? Da hätte ich einen alternativen, also vorwärts zurück weisenden Sparvorschlag für das Theater: Zu Heinrich Heines Zeiten, nachzulesen in der »Lutezia«, bekamen die Schauspielerinnen kein Gehalt; im Gegenteil, sie mußten noch dafür zahlen, daß sie auf die Bühne durften. Warum das nicht wieder einführen? Damit könnte viel Geld gespart werden. Die Tänzerinnen und Tänzer dürften bei der »After Show Party«, wie in jener guten alten Zeit, die Verabredungen treffen, die ihnen ihr Auskommen sichern. Auch für die Sponsoren dieses alternativen Theaterhauses, das unter anderem von dem alternativen Autohersteller DaimlerChrysler gefördert wird, würden sich neue Perspektiven bei Sekt und russischen Häppchen eröffnen. Und die Firmen, die diesen Abend sponserten und damit zuerst ihren Kunst- und danach ihren Künstlerinnen-sachverstand demonstrierten, kämen ihren alternativen Kunden doch gleich ganz anders vor: Nichts Menschliches wäre ihnen fremd. Jene Zeit, in der das Gute und Schöne herrschen, wir kommen ihr mit jedem Sparvorschlag, und daran ist kein Mangel, einen Schritt näher. Warum sollten nicht auch Kunst und Kultur dahin gehen, wo die anderen schon
sind: auf den Markt, der nur ein Strich ist. Wolfgang Haible Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar. Press-KohlEin Film kann was erleben: »Die Geschichte vom kleinen Muck, der erste Defa-Film in Farbe, erlebte bei seiner Uraufführung 1953 mehr als 13 Millionen Zuschauer« ( Berliner Zeitung vom 6. November). Mehr als 13 Millionen Zuschauer! Ich wußte gar nicht, daß es in der DDR dermaßen große Uraufführungskinos gab. * Klaus Bellin beschäftigte sich ausführlich mit dem Erinnerungsband »Unruhestifter« von Fritz J. Raddatz (»Revoluzzer im Maßanzug«, Neues Deutschland ) und rühmte das Buch auch mit den Worten: »Es ist streitbar, trotzig und schäumend...« Streitbare und trotzige Bücher lesen viele Leute gern. Ein schäumendes Werk wäre mir vielleicht zu feucht. Apropos: »Extra feucht« ist eine Notiz überschrieben, die Freund Dietrich aus dem Gewerkschaftsblatt ver.di publik ausgeschnitten hat: »Lösen Sie unsere Rätselfragen, und ver.di publik macht Sie zum Unterwassertaucher mit Fotoapparat.« Dietrich kommentiert: »Überwassertaucher heißen nämlich: Luftflieger.« * Die Bundesverwaltung der Gewerkschaft ver.di weist in einem Rundschreiben die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di nochmals darauf hin, was die Mitglieder, falls sie nicht auf dem Mond oder hinterm Ofen leben, vielleicht schon wußten: »Lieber Kollege, allen Einwänden und Protesten zum Trotz: Im Zuge der sog. Gesundheitsreform werden die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen erheblich gekürzt. Unter anderem sollen die Sterbegeldzahlungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen ganz entfallen.« Die Gewerkschaft, welche um das Wohlergehen ihrer Mitglieder bemüht ist und ihnen beispielsweise im Mitteilungsblatt spezielle wasserdichte Jacken zum Kauf anbietet, möchte auch mich nun über den Fortfall der Sterbegeldzahlungen trösten, indem sie mir durch die Mitgliederservice-Referatsleiterin Luise Peper rät, meinen Beitritt zu einer Gruppensterbegeldversicherung zu erklären. Noch zögere ich, da mir lange vorschwebte, einzeln zu sterben. Bei kollektivem Ableben im bombardierten Luftschutzkeller könnte sich freilich eine Gruppensterbegeldversicherung empfehlen; falls ich mal nach Stuttgart komme, werde ich mit der Kollegin Luise Peper ein diesbezügliches Gespräch führen. * »An einem einsamen Strand im Südosten Schwedens«, berichtete AFP , »hat ein Schweizer Tourist eine Flaschenpost aus dem Jahre 1943 gefunden. Darin fragte eine Estin namens Maja Westermann in kindlichem Englisch, ob der Zweite Weltkrieg schon zu Ende sei. Der Finder will Maja Westermann via Internet suchen.« Um ihr – je nach dem Internet-Tempo – mitzuteilen, daß der Zweite Weltkrieg schon zu Ende sei oder daß der Dritte Weltkrieg soeben begonnen hat, zumindest in manchen Washingtoner Köpfen. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 24/2003 |
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