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Busch also ist Schutzpatron junger Menschen, die es auf die Bühne drängt, die sich versuchen wollen an/mit Dichters Worten und Figuren. Ich betrete das Foyer. Seine Büste schaut mich an, wir zwinkern einander zu. »Alles auf Anfang« heißt auch, denke ich, zu erzählen, wer das war: Ernst Busch. Begegnung an seinem 70. Geburtstag. Ich besuche ihn im Auftrag der Weltbühne . »Ich trage eine Fahne, und diese Fahne ist rot!«, höre ich auf dem Wege zum Haustor. Fehlte nicht der musikalische background, man wäre versucht anzunehmen, eine Platte aus seinen »besten Jahren« zu hören, so klar, so jung, so aggressiv und unerbittlich klingt seine Stimme immer noch. Später sitze ich, abwartend, alle Antennen ausgefahren. »Warum fragt sie nichts?«, fragt er seine Frau. Und: »Haben Sie Angst?«, fügt er schmunzelnd hinzu. »Keine«, sage ich. Tage später bringt mir die Post sein Dankeschön für mein Feuilleton ins Haus. Ernst Busch. Dieser Name ist Programm. Nicht »Kunst an sich«, sondern Theater als Aufklärung, als Triebkraft zur Veränderung, als politische Anstalt, daran wollte er beteiligt sein. Lebenslang war Busch ein »Roter«. Werftarbeiter, politisch aktiv schon in jungen Jahren, Arbeitslosigkeit. Zeit für Versuche der anderen Art. Er stellte sich im Kieler Stadttheater vor. Kleine Rollen, großes Talent, eine ganz eigene Sing- und Sprechstimme, alles zusammen brachte ihn über Frankfurt/Oder schnell nach Berlin. Er spielte bei Piscator und Brecht, stand auf den Brettern des Deutschen Theaters, der Volksbühne, des Schiffbauerdamm-Theaters, er sang Eislers Lieder, machte mit Werner Finck Kabarett, filmte mit Slatan Dudow . Busch wurde international bekannt als »Barrikaden-Tauber«, der jedes Forum nutzte, die Verbrechen der Nazis zur Sprache zu bringen, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für alle Menschen zu besingen: den Kommunismus. Die braunen Machthaber nahmen ihn ins Visier. Er floh, kämpfte, singend, in Spanien mit den Internationalen Brigaden gegen die Mordbrenner, agitierte in Belgien, wurde verhaftet, in Südfrankreich interniert, versuchte in die Schweiz zu fliehen, die Gestapo verhaftete ihn. Anklage wegen Hochverrats. Ort des Prozesses: Berlin. Seine Anwälte (Gründgens hatte sie mobilisiert) argumentierten: Einer, dem die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, könne nicht des Hochverrats beschuldigt werden. Bomben fielen auf das Gefängnis in Moabit. Busch erlitt eine schwere Schädelverletzung, man glaubte ihn tot, warf ihn, Pappschild um den Hals, zu den anderen Toten. Ein Kalfaktor entdeckte, daß er lebte, rettete ihn. Der Richter befand, Busch würde nie wieder singen können, und schickte ihn ins Zuchthaus Brandenburg. 1945 befreit, spielte und sang er noch Jahrzehnte in Berlin, produzierte im eigenen Verlag Schallplatten mit Liedern von Eisler, Texten von Tucholsky, Mehring, Brecht und anderen. Er war »Galilei«, »Julius Fucik«, »Azdak«. Eigensinnig, sich stets treu, stritt er für die Sache der Arbeiter, auch gegen Beschlüsse der Partei, die deren eigenen Wahlspruch »Im Mittelpunkt steht der Mensch« Lügen straften. Ernst Busch, lebende Legende, war unantastbar für die Apparatschiks. Zu groß war sein internationales Ansehen, seine Stimme hatte sich ins Bewußtsein der Unterdrückten vieler Länder gesungen. Er gehörte zu der seltenen Spezies, die geliebt wurde von den Menschen. Bitter, bissig, enttäuscht und doch nimmermüde aus tiefer Menschenliebe, hielt er fest an Brechts Worten: »Ändere die Welt, sie braucht es.« Die Hochschule trägt seinen Namen, trotz alledem, trotz der Stimmen nach der »Wende«, die das ändern wollten. Seiner Büste im Foyer, die Studenten, Dozenten, Besucher empfängt, fehlt leider sein schiefes, liebevoll spöttisches Lächeln. Das Lächeln der jungen Jahre, später vertieft durch die einseitige Gesichtslähmung nach der schweren Verletzung. Dieses Lächeln hätte viel über den Mann zu erzählen, dessen Name Markenzeichen der Ausbildungsstätte für junge SchauspielerInnen ist und zu deren Gütezeichen werden sollte. Aufnahmeprüfung. Eine Bewerberin wird gefragt: Warum die Busch-Schule? – Sie soll gut sein. – Ja, aber was sagt Ihnen der Begriff »Busch«-Schule? – Na, sie liegt im Grünen. – Die Absolventen 2004 werden es inzwischen anders gelernt haben. Sie haben heute ihr Intendantenvorspiel. Im Foyer läutet eindringlich eine Schulglocke. Der Raum vor der Wolfgang-Heinz-Bühne – benannt nach dem unter Theaterleuten legendären österreichischen Schauspieler, Regisseur, Intendanten des Deutschen Theaters und auch Direktor dieser Hochschule (von ihm wird noch die Rede sein) – ist überfüllt. Aus allen Teilen Deutschlands sind sie gekommen, die Intendanten, Dramaturgen, Assistenten, Regisseure, Dozenten, Mitarbeiter von ZDF , ARD und Agenturen. Silberköpfe, Brillengesichtige, Zigarrenraucher, Würdevolle, Angeber, Dicke, Dünne, Seriöse, Medientypen auch. Studenten anderer Studienjahre kredenzen Kaffee, bedienen am Buffet, führen Anwesenheitslisten. Die Absolventen bevölkern die Gänge ringsum, trällern Tonleitern, memorieren Texte, bedienen den traditionellen Aberglauben der Theaterleute mit kräftigem Spucken über die Schulter: Toi, toi, toi.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
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