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Deutschland ist das erste Land, in dem die Politiker entgegen allen Gutachten und Empfehlungen von Bibliotheks- und Bildungskommissionen, ungeachtet aller internationalen Erfahrung Grundmauern des Bibliothekswesens – wie die universitäre Aus- und Fortbildung der Bibliothekare und die regelmäßige Aktualisierung der Bestände an Büchern, Zeitschriften und elektronischen Informationsangeboten – einreißen, so daß früher oder später das ganze Gebäude einstürzen muß. Der Staat braucht eben Geld, um zweifelhafte Friedensmissionen und modernes Kriegsgerät zu finanzieren. Schmerzlich macht sich bemerkbar, daß Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nicht über ein Bibliotheksgesetz verfügt, das den Staat verpflichtet, Bibliotheken einzurichten, zu erhalten und auszubauen. Die westdeutschen Politiker waren 1990 nicht bereit, zumindest Elemente des Bibliotheksgesetzes der DDR zu übernehmen. Es ist paradox, daß jede Kommune in eigener Verantwortung darüber entscheiden kann, wie sie kulturelle Mittel verwendet – ob für Touristenattraktionen oder für attraktive moderne Büchereien. Nur Schulen muß sie betreiben. Dazu ist sie per Gesetz verpflichtet. Das führt zu der unhaltbaren Situation, daß von den fast 15 000 selbständigen Gemeinden nur 3000 über Bibliotheken verfügen. Im Jahr 2003 erklärten die Politiker mit einschneidenden Maßnahmen die Bibliotheken zum Auslaufmodell. Eine dieser Maßnahmen war die Auflösung des 1978 in West-Berlin gegründeten Deutschen Bibliotheksinstituts zum 30. Juni. Eine bundesweite Bibliotheksplanung und -betreuung ist nun nicht mehr möglich, die Anwendung internationaler Normen in deutschen Bibliotheken gefährdet. die internationale Kooperation erschwert. Das 1955 an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin gegründete Institut für Bibliothekswissenschaft wird ebenfalls geschlossen, schrittweise. Es garantierte als einzige Anstalt in Deutschland die universitäre Fachausbildung. Hier wurden drei Generationen von Wissenschaftlern aus- und fortgebildet und befähigt, Bibliotheken zu leiten. In der DDR war es eine anerkannte Einrichtung mit Promotions- und Habilitationsrecht und galt auch über die Grenzen hinaus als vorbildlich. Da die Politiker in der BRD es in 40 Jahren nicht geschafft hatten, Vergleichbares zu schaffen, wurde das Institut zu Wendezeiten ein Objekt westdeutscher Begierde. Die Mitarbeiter wurden mehrfach evaluiert und gedemütigt, ein Teil von ihnen wurde entlassen, ein Direktor aus Westdeutschland übernahm das Kommando, Etat und Stellen wurden wesentlich gekürzt. Aber das Institut blieb wenigstens erhalten und konnte sich aus der Tradition heraus neu orientieren. Das Interesse an den Direkt- und Fernstudienangeboten war nicht nur im Inland groß. Vor einigen Monaten würdigte ein internationales Gutachter-Gremium seine Leistungen und plädierte für den Fortbestand. Nun wird das Institut Opfer der Sparpolitik des Berliner Senats. Vielleicht gehen Interessenten am bibliothekarischen Beruf künftig zur universitären Ausbildung und Promotion in die USA, dort können sie zwischen den Angeboten an 50 Universitäten wählen. Die Sparbeschlüsse auf kommunaler und Landesebene sowie innerhalb der autonomen Universitäten führen dazu, daß die Bibliotheken viele Grundleistungen nicht mehr erbringen können. An die Anschaffung neuer Bücher und Zeitschriften und die Erhaltung der Bestände ist kaum noch zu denken. »Die vom Bundeskabinett vorangetriebene Zerstörung der Kommunen« (Otto Meyer im Ossietzky 22/03) wirkt sich – bei aller Aufgeschlossenheit einzelner Bürgermeister – so aus, daß neue Bibliotheken kaum noch gebaut, alte nicht mehr renoviert, einige sogar geschlossen werden. Im Haushalt des Landes Berlin ist für das kommende Jahr die Streichung der letzten zehn Bibliotheksstellen für berufsbildende Schulen vorgesehen und damit die Schließung der Bibliotheken an Berliner Oberstufenzentren vorprogrammiert. Das von der Bundesregierung propagierte Prinzip, allen Bürgern jedweder ethnischer, religiöser, kultureller oder sprachlicher Herkunft den gleichen Grad an Medienangebot und Dienstleistungen zu bieten, kann von den Bibliotheken nicht unterstützt werden. Aber vielleicht denkt unsere Regierung, diesem Gleichheitsgrundsatz sei Genüge getan, wenn wir alle das Fernsehen einschalten und die gleichen Programme sehen dürfen … Im August dieses Jahres fand in Berlin der Weltkongreß der Bibliothekare statt. An ihm nahmen über 4000 Experten aus 125 Ländern teil. Im Mittelpunkt standen die Bibliotheken als Portale, die Zugang zu Bildung, zum Wissen, zu Informationen und zu den Kulturen der Welt verschaffen können. Eindrucksvoll, was andere Länder leisten. Längst haben sie Deutschland übertroffen. Es sind die gleichen, die in der PISA-Studie die ersten Plätze einnehmen.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
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