Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Deutschland auf Platz 13Volker Bräutigam Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. d as Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) hat trotzdem wieder einen angestellt, nämlich die wirtschaftlichen Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeiten von 102 Staaten dieser Welt gegeneinander abgewogen. Wie jeden Herbst seit 1979 liefert es auch in seinem diesjährigen »Global Competitiveness Report« den Regierungen Stichworte und Anstöße zu fortgesetztem Sozialabbau und zum Abbau demokratischer Rechte. Alles zugunsten des »Standorts«, der »Wettbewerbsfähigkeit« und was derlei Schlagworte sonst noch sind. Das in Genf residierende WEF ist laut Selbstdarstellung eine »unabhängige Organisation zur Verbesserung des Zustands dieser Welt ... getreu unseren Grundsätzen und Werten, indem wir den Führern der Welt einen Rahmen zum Gedankenaustausch über internationale Angelegenheiten bieten, das Unternehmertum im globalen öffentlichen Interesse fördern ...« Aha. Die theoretischen Grundlagen der WEF-Studie sind problematisch, die angewendeten Methoden zweifelhaft, manche Daten wissenschaftlich kaum überprüfbar. Aber der Report offenbart die Denkwelt des Big Business . Die Studie unterscheidet zwischen der wirtschaftlichen Wachstums- und Leistungsfähigkeit eines Landes und der Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen. In beiden Kategorien erreicht Finnland Platz 1. Gründe: geordnete Staatsfinanzen, effektiver öffentlicher Dienst, geringste Korruptionsrate, hervorragendes Bildungssystem, sehr gut ausgestattete Schulen (Finnland hat mit fast zwei Dritteln den weltweit höchsten Bevölkerungsanteil mit Hochschulabschluß), enges und effektives Zusammenspiel zwischen Universitäten und Betrieben. Die WEF-Studie verschweigt: Das hervorragende finnische Bildungssystem ist dem der DDR nachgebildet. »Peinlich für die USA«, vermerkt das Wirtschaftsblatt Economist , daß die Supermacht auf Platz 2 gerutscht ist. Selbst dort steht sie nur noch wegen ihrer technologischen Überlegenheit. Maroder Staatshaushalt sowie negative Handels- und Leistungsbilanzen gefährden auch diese Position. Die Ursachen der Defizite (Kriegswirtschaft beispielsweise) sind in der Studie nicht benannt. Deutschland steht auf Platz 13. Nur wegen des Lochs im Staatshaushalt kam es nicht auf einen der ersten zehn Plätze. Speziell beim Vergleich der s taatsverschuldung fiel es auf Platz 54 (USA: 50), seine Wachstumsperspektiven werden eher ungünstig beurteilt. WEF-Chefökonom Lopez-Claros erhob den Vorwurf, daß die Bundesregierung «... das Geld nicht für vernünftige Zwecke ausgibt, sondern es verschwendet«. Hätten die deutschen Betriebe mit ihrer Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit nicht Platz 5 erobert, sähe die nationale Position wesentlich schlechter aus. Rückschluß: Unternehmern in d eutschland geht es hervorragend. Wie es der Mehrzahl der Menschen geht, schert das WEF nicht. Außer Finnland rangieren auch Schweden (3) Dänemark (4) und Norwegen (9) vor Deutschland, außerdem drei asiatische Staaten: Taiwan (5), Singapur (6), und Japan (11). Indien erscheint an 56., Vietnam an 60. Stelle. Und China, das volkreichste Land der Erde? In Peking fand vor einigen Tagen die WEF-Tagung »China-Geschäft« statt. Im nächsten WEF-Report wird man sehen, inwieweit diese Konferenz für das Gastland hilfreich war. In der aktuellen Studie ist die VR China in der Kategorie »nationale Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumskraft« von Platz 38 auf 44 gefallen. Hauptgründe: zuviel Einwirkung aus der Politik, unsichere Geschäftsgrundlagen, Korruption, behördliche Inkompetenz, mangelhaftes Bildungssystem. Ich meine: Als schädlich für China erweist sich der Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO), weil es sich damit Weltmarktregeln unterworfen hat, die nicht zu seinen Strukturen passen und die es nicht mitbestimmen kann. Die Kritik an der Volksrepublik China lenkt meine a ufmerksamkeit zurück auf Taiwan und seinen Rang 5. Welche Vorzüge der »Republik China« veranlaßten die WEF, das Land so weit oben zu plazieren? Die Studie weist auf überragende technologische Leistungsfähigkeit in der IT-Branche (Mikrochips, Computer und anderes) hin. Aber kommt es darauf so entscheidend an? Wird dadurch das viele Negative aufgewogen? Ich habe lange in Taiwan gelebt und meine das Land halbwegs zu kennen. t rotz aktuellen Wirtschaftswachstums von mehr als vier Prozent nimmt die Arbeitslosigkeit ständig weiter zu (aufmerken, Wolfgang Clement!). d ie krassen sozialen Gegensätze sind unübersehbar (vom reichen Herrn Wang und dem armen Onkel Hu habe ich schon in Ossietzky 8/01 erzählt). Verkehrssysteme: veraltet und überlastet. Energie- und Wasserversorgung: ma-rode. Umweltverschmutzung auf Rekordhöhe (nur fünf Prozent der Abwässer durchlaufen Kläranlagen). Das b ildungssystem nannte ein zeitweilig dafür zuständiger Minister verächtlich einen »schwärenden Moloch«. Und Schwerstverbrechen sind nur in New York City häufiger als in Taiwan. Eine fragwürdige Studie. Fragwürdig wie das WEF selber, das gegenwärtig 1007 Mitgliedsorganisationen zählt, darunter 430 europäische und 262 nordamerikanische (zusammen 68,7 Prozent). Afrika ist nur mit einer Handvoll Mitgliedern (1,8 Prozent) dabei. In Asien und Lateinamerika leben zwar drei Viertel der Menschheit, aber nur rund ein Viertel der WEF-Mitglieder kommt von dort. Fast alle Mitgliedsverbände repräsentieren wirtschaftliche Eliten. Kaum ein Dutzend Gewerkschaftsverbände sind dabei. Die Repräsentanten der ärmsten Länder dieser Welt müssen ganz draußen bleiben, wenn das WEF zusammenkommt. Mit ihren 102 Vergleichsländern erfaßt die Studie 98 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts. Die restlichen zwei Prozent entfallen auf 88 Staaten, die so arm und schwach sind, daß das WEF es gar nicht für wert erachtete, sie in die Betrachtung einzubeziehen. Können wir Deutschen nun doch etwas daraus lernen? In wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Debatten ist ja das Argument »Wettbewerbsfähigkeit« immer gleich zur Stelle. Kapital und Kabinett hauen es uns bei jeder Gelegenheit um die Ohren. Kanzler Schröder gründete einst ein »Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit«, und einige Gewerkschafter waren sehr stolz, daran mitwirken zu dürfen. Doch statt mehr Arbeit kam höhere Arbeitslosigkeit heraus. Die Zahl der Ausbildungsplätze wurde knapper (die Pisa-Studie stellte dem ganzen deutschen Bildungswesen ein schlechtes Zeugnis aus). Und die Wettbewerbsfähigkeit stagniert. Sie droht sich zu verschlechtern, wenn Deutschland den Parolen des Neoliberalismus folgt wie Großbritannien unter Thatcher und Blair. Die Privatisierung der öffentlichen Dienste dort führte laut WEF-Studie zu großen Effektivitätsmängeln. Wegen seiner Infrastrukturdefizite stürzte Großbritannien (gemessen an der vorjährigen Bewertung) von Platz 11 auf 15.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |