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Sehr geehrter Herr Minister, als verantwortungsbewußter Staatsbürger verfolge ich aufmerksam die selbstlosen Bemühungen der Bundesregierung um das Sparen im Rahmen sozialer Gerechtigkeit. Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es vor allem darum, die unter Deutschen leider noch zahlreich vertretenen Sozialschmarotzer wie Rentner, Arbeitslose, Kranke und Sozialhilfeempfänger zu mehr Eigenverantwortung zu erziehen. Dies geschieht vor allem durch höhere Selbstbeteiligung in allen Bereichen sozialen Lebens: Krankenversicherung, Altersvorsorge und Faulheitsprämie (welch letztere häufig leider immer noch als sog. »Arbeitslosengeld« bezeichnet wird). Es soll sogar schon vorgekommen sein, daß sich verstockte Müßiggänger im Dezember oder Januar einen warmen Wintermantel vom Sozialamt erschlichen haben, wo doch ein paar alte Zeitungen in Eigeninitiative unters Hemd gesteckt ebenso gute Dienste leisten würden. Kürzlich ist mir ein Bereich des öffentlichen Lebens aufgefallen, in dem die sonst so erstrebenswerte Selbstbeteiligung Begünstigter leider noch unüblich ist. Ich bin darauf gekommen, als meine Frau – sie erfüllt bei uns auch die Aufgaben einer Sekretärin – und ich, wie bei uns keineswegs unüblich, wieder einmal bis 3.00 Uhr nachts arbeitend am Schreibtisch saßen, zwischendurch gegen Mitternacht eine Pizza vom Bringdienst verzehrten und dabei anstehende Probleme besprachen. Zweifelsfrei ein – wenn auch bescheidenes – Arbeitsessen. Dennoch haben wir es inclusive Trinkgeld für den Fahrer aus eigener Tasche bezahlt und nicht einmal von der Steuer abgesetzt. Nun gibt es jedoch Personengruppen, die sich bei ähnlichen Anlässen auf Kosten der Allgemeinheit durchfüttern lassen. Wie ich den Fernsehnachrichten täglich entnehme, hetzen viele der Besten unseres Volkes, nämlich Spitzen- und vor allem Regierungspolitiker, im Dauerstreß fast ununterbrochen von Arbeitsessen zu Arbeitsessen. Bezahlt wird die Stärkung, wie ich erfahren habe, aus der Staatskasse. Wäre es da nicht angebracht, den unermüdlichen Essern und Trinkern etwa im Rahmen einer Agenda 2011 eine angemessene Selbstbeteiligung aufzuerlegen? Denn wer sich bei solchen Gelegenheiten auf Staatskosten den Bauch vollgeschlagen hat, muß nicht anschließend nochmal daheim essen. Das spart auf die Dauer! Um eine Formulierung des Finanzamtes zu benutzen: Hier verlagert sich die Lebensführung in die Spesen. Selbstverständlich gilt dies vor allem auch für die bunte Folge von Repräsentationsdiners, Staatsbanketten, Kamingesprächen und Polit-Cocktails. Die erwähnte Selbstbeteiligung könnte man notfalls vom jeweiligen Minister- oder Staatssekretärsgehalt abziehen. Soziale Härten würden sich dadurch wohl kaum ergeben. Zumindest jedoch müßte die jeweilige Summe als geldwerter Vermögensvorteil versteuert werden. Bei kostenlosem oder auch nur preisermäßigtem Kantinenessen für weniger gehobene Arbeitnehmer verfährt das Finanzamt schließlich nicht anders. Als Selbstbeteiligungs-Pauschbetrag könnte man analog zur neueingeführten »Praxisgebühr« vielleicht einen »Tafelbeitrag« von 150 Euro pro Essen erheben. Diese Summe erscheint angemessen in Erwägung des Umstandes, daß bei den erwähnten Anlässen in der Regel ein von hochbezahlten Spitzenköchen bereitetes, sehr gehobenes Speisenangebot und wertvolle Spitzenweine von besonders geschultem Personal dezent in stilvollem Ambiente serviert werden. Wenn man bedenkt, Herr Minister, wieviele unserer Obertanen sich tagein tagaus beim Essen und Trinken auf Staatskosten aufopfern, käme jährlich sicher ein schönes Sümmchen zusammen und Sie der Sanierung der Staatsfinanzen ein bißchen näher. Sie wissen doch von Renten- und sonstigen Sozialkürzungen her: Viele Wenig machen ein Viel. Sollte die vorgeschlagene Essens-Selbstbeteiligung für Regierungsmitglieder und sonstige Spitzenpolitiker sozial unzumutbar sein, so bleiben doch immerhin nocht die Suppenküchen der Heilsarmee. Andere Staatsbürger müssen ihre Probleme auch dort besprechen, und für Sie wäre das – vor allem vor geladenen Pressefotografen – doch mal ein exotischer Kick, oder? Dies ist keine Satire. Als quasi Zwangsaktionär der BRD-AG bitte ich nicht nur, sondern fordere aus Gründen sozialer Ausgewogenheit und im Interesse einer sauberen Geschäftsführung: Selbstbeteiligung bei Staatsdiners! Bitte lassen Sie mich hören, was Sie von meinem konstruktiven Vorschlag halten, und verschütten Sie vor Schreck nicht gleich Ihren kostbaren 89er Margeaux! Wir müssen schließlich alle Opfer bringen! Mit freundlichen Spargrüßen Ihr Dietrich Kittner, Kleinrentner
PS.: Sollte es angesichts der finanziellen Notlage unseres Staatshaushalts bei Regierungsbanketten gelegentlich mal des Kanzlers Lieblingsspeise – Currywurst mit ´ner Flasche Bier – geben, könnte man in diesen Fällen die Pauschale ausnahmsweise auf 5,85 Euro incl. Brötchen, Serviette, Pappteller und Mehrwertsteuer ermäßigen.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
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