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war, obwohl man doch kaltes Blut bewahren soll. Was nützt aber einem toten
Soldaten kaltes Blut, das hat er ja sowieso schon. Romantisch wurde mir, weil
ich mich meiner Kindheit erinnerte. Die Mädchen und Jungen gingen am Sonn- Als die sechzehn Holzkreuze da, wo der Weg nach Roccasecca abbiegt, eingesteckt waren, ließ der Italienische Himmel eine Handvoll Tränen darüber fallen, denn er hatte gerade seine Regenzeit. Ein leichter Windstoß klopfte an die sechzehn Helme und schaukelte sie sanft hin und her, als wollte er sagen: Na, das hätten wir ja geschafft! Die Kompanie aber zog weiter mit ihren Kreuzen, und der Herr Kammerunteroffizier mußte viel schreiben, denn es war ein lebhafter Geschäftsbetrieb. * Jahrelang standen unsere sechzehn Kreuze dort, linker Hand, wo der staubige Weg nach dem hochgelegenen Roccasecca abbiegt. Das deutsche Wirtschaftswunder schickte viele Fahrzeuge vorüber und gedachte nicht seiner toten Pioniere, denn lichtsuchende italientrinkende Augen mögen wohl Schönheit, nicht aber am Wegrand stehende morsche Holzkreuze mit verrosteten, zerbeulten Stahlhelmen, die daran baumeln, als nickten die Totenköpfe grinsend herüber. Und wer schließlich die Zeugen vergangener Schlachten besichtigen möchte, der fährt zu den richtigen Heldenfriedhöfen, die deutsche Ordnungsliebe in der Zwischenzeit geschaffen hat, wo der Eindruck erhebender ist und die deutsche Größe deutlicher. So stehen die sechzehn Holzkreuze seit einigen Jahren nicht mehr dort am Weg nach Roccasecca an der Via Casilina. In kalten Wintern hatten frierende Anwohner das Holz für bessere Zwecke geholt, und danach wurden die Knochen direkt auf den zuständigen Heldenfriedhof Cairo in Cassino gebracht. Dort reiht sich Grab an Grab, gerade und exakt wie eine angetretene Kompanie. Ich fordere meine heutigen Kameraden auf, sich an uns ein Vorbild zu nehmen. Was sind schon die zwei toten US-Army-Helden und ein Dutzend Zivilisten pro Tag im Irak. Wir brachten es im Zweiten Weltkrieg auf ca. 50 Millionen in ca. 50 Monaten, das sind täglich ca. 30 000 Leichen. Wenn das keine Leistung ist. So gilt denn: Frisch ans Werk, Kameraden, es gibt viel zu tun. Dies ist mein Wunsch zur diesjährigen Trauerwoche im schönen November – es lebe die Triade Volkstrauertag, Bußtag, Totensonntag. Denn süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben, und ewig währt der Toten Tatenruhm.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
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