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In der Vergangenheit hatten die beiden C-Parteien den Wahlkreis-Nachfolger Alfred Dreggers gern benutzt, um am rechten Rand Stimmen zu sammeln. Niemandem – und schon gar nicht der Fraktionsspitze – konnte entgehen, wes Ungeistes Kind Martin Hohmann war. Ich habe ihn nach seiner Wahl in den Deutschen Bundestag 1998 vier Jahre lang im Innenausschuß als einen Parlamentarier kennengelernt, der aus seiner Gesinnung nie einen Hehl machte. Oft genug provozierte er mit seinen Äußerungen im Parlament Kopfschütteln, Verwunderung bis hin zu Empörung. Daß er dennoch wichtige Aufgaben in der Unionsfraktion übertragen bekam und 2002 als Direktkandidat in Fulda von der CDU wieder nominiert wurde, hatte Grund und Methode: Auf einen wie ihn, der dieses Wählerklientel bediente, wollte die CDU nicht verzichten. Anlaß zur Distanzierung hätte die Unionsführung in all den Jahren seiner Bundestagszugehörigkeit reichlich gehabt. Ich habe Hohmann als Antikommunisten und klerikal-konservativen Deutschnationalen erlebt. Im persönlichen Umgang war er verbindlich und höflich, inhaltlich aber stets knallhart. In einem relativ großen Gremium wie dem Innenausschuß mit knapp 40 Mitgliedern gibt es einige Wortführer und viele, die sich selten melden und von denen man keinen bleibenden Eindruck erhält. Hohmann war im Ausschuß weder Sprecher noch Obmann seiner Fraktion, aber was er sagte, war auf erschreckende Weise markant und hat sich nicht nur mir lange vor dem 3.10.2003 deutlich eingeprägt. Um Martin Hohmann politisch einzuordnen, genügt ein Blick auf seine Homepage im Internet. Dort ist auch jetzt noch in konzentrierter Form sein fundamentalistisches Gedankengut nachzulesen. Bezeichnend sind zwei Presseerklärungen mit nahezu identischem Titel. Am 17.1.2003 veröffentlichte Hohmann unter der Überschrift »Dank für wertvolle Wegweisung aus Rom« seine Zustimmung zu einer Äußerung von Kardinal Ratzinger (dem Leiter der päpstlichen Glaubenskongregation, also Nachfolger der Inquisitoren). Ratzinger hatte sich »gegen die relativistische Auffassung des Pluralismus« gewandt und damit offenbar Hohmann aus der Seele gesprochen. Am 31.7.2003 betitelte Hohmann eine weitere Presseerklärung mit »Dank für klare Wegweisung aus Rom«. Wieder bezog er sich auf den Vatikan und versprach, entgegen dem »Zeitgeist« die rechtliche Gleichstellung der homosexuellen Lebenspartnerschaften zu bekämpfen. Der »Dreistigkeit« des »organisierten Gruppenegoismus der Homosexuellenlobby« dürfe man nicht nachgeben. Zugleich lobte Hohmann den Papst, weil der mal wieder die Abtreibung verurteilt hatte. »Der Fortbestand der unter Geburtendefizit leidenden Völker der Nordhalbkugel« sei wegen der Zulassung von Schwangerschaftsabbrüchen gefährdet. Das ist typisch für Hohmanns Denken. Aus einer fundamentalistischen Ausprägung des Katholizismus heraus vertritt er Positionen, die nahe an Nationalismus und Rassismus reichen. So beklagte er am 8.11.2002 die Entscheidung des britischen Oberhauses, Homosexuellen die Adoption von Kindern zu gestatten, mit dem Kommentar: »Zweifellos steht die Tolerierung der Homosexualität in kausalem Zusammenhang mit dem größten Problem der deutschen Gesellschaft, ihrem Bevölkerungsrückgang.« Ein anderes Mal nannte er die »rasante Abnahme der deutschen Bevölkerung« die »Zukunftsfrage schlechthin«. Kein Wunder, daß er als politische Hauptziele unter anderem angibt, deutsche Interessen vertreten und einer multikulturellen Gesellschaft entgegentreten zu wollen. Folgerichtig lehnt Hohmann den EU-Beitritt der Türkei nicht etwa wegen der Folterpraxis und Menschenrechtsverletzungen ab, sonder weil die »Kulturen Europas und der Türkei wie Feuer und Wasser« seien ( 5.12.2002 ). Christlicher Fundamentalismus drückt sich oft auch in einem rigiden Verständnis von Strafrecht und Strafverfolgung aus. Als Befürworter der Einschränkung von Grundrechten befand sich Hohmann, ehemals Terrorismus-Bekämpfer im Bundeskriminalamt, im Parlament freilich in starker Gesellschaft nicht nur bei der CDU/CSU, sondern auch bei der rot/grünen Bundesregierung und ihrem Innenminister Otto Schily. Dennoch ist eine Äußerung Hohmanns vom 30.1. 2003 für ihn besonders charakteristisch: Die Forderung nach einem schärferen Sexualstrafrecht begründet er damit, dass man dem »liberalistisch egozentrischen Ansatz der sexuellen Revolution der Achtundsechziger« entgegentreten müsse. Christlich-konservative Strafrechtspolitik mischt sich hier mit Hohmanns Antikommunismus, der mich oft an die Wortwahl aus dem Kalten Krieg erinnert hat. Die große Berliner »Demonstration gegen Rechts« bezeichnete Hohmann als »beschissen«, vor allem auch deshalb, weil die PDS daran mitgewirkt hatte. Dies ließ er die Leser der Jungen Freiheit wissen, einer vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz wegen rechtsextremistischer Tendenzen beobachteten Zeitschrift, in der Hohmann sich oft zu Wort meldete. Dominant bei Martin Hohmann, so wie ich ihn im Parlament erlebt habe, war sein revanchistisches Sinnen und Trachten. Ausgerechnet ihn aber machte die CDU/CSU zum Berichterstatter für Entschädigungsfragen. Als zuständige PDS-Abgeordnete nahm ich gemeinsam mit Hohmann und den Vertretern der anderen Fraktionen an den Verhandlungen über die Zwangsarbeiterentschädigung teil. Fünfzig Jahre nach Kriegsende hatten die Opfer für die von ihnen geleistete Zwangsarbeit in der Nazizeit noch immer keine Entschädigung erhalten. Erst auf Druck der USA kam es zu bescheidenen, symbolischen Zahlungen, da die deutsche Wirtschaft um Exportchancen fürchtete. Hohmanns Mitwirkung an den Verhandlungen konzentrierte sich auf die Sorge, die Zahlungen könnten zu hoch ausfallen. Überhaupt plagte ihn dauernd die Sorge, Deutschland müsse zu viel für die Nazizeit büßen – Schlußstrich-Mentalität. Ständig fühlte er die angemessene Rolle Deutschlands in der Welt bedroht. Er machte einen »Antigermanismus« aus und forderte in einer Ansprache zum 3.10.2002 – also ein Jahr vor der antisemitischen Skandalrede –, diesen Begriff in die politische Diskussion einzuführen und gegen die allseitige antigermanistische Bedrohung in den Kampf zu ziehen. Unvergeßlich bleibt mir seine Rede zur Zwangsarbeiterentschädigung im Bundestagsplenum am 30.5.2001. Sie war an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Hohmann rechnete den Gesamtbetrag der Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik vor und scheute sich nicht, den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern vorzuhalten, daß 90 Prozent von ihnen ohnehin schon – aus anderen Rechtsgründen – »Entschädigungsleistungen aus deutschen Kassen« erhalten hätten. Er wandte sich gegen »übermäßiges Moralisieren« und schloß seine Rede mit einem Appell an den Bundeskanzler: »Haben Sie auch für deutsche Zwangsarbeiter ein Herz!« Distanzierung durch Merkel, Merz und Stoiber nach dieser unerträglichen Rede – Fehlanzeige! Statt dessen – und das blieb mir und vielen anderen unbegreiflich – entsandte die CDU/CSU-Fraktion Martin Hohmann, den entschiedenen Gegner der Zwangsarbeiterentschädigung, der im Parlament als einer der wenigen Abgeordneten mit Nein gestimmt hatte, sogar noch ins Kuratorium der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft«. Dort hatte er die Aufgabe, die Auszahlung der Entschädigungsleistungen zu überwachen. Wenigstens dies ist jetzt zu Ende.
Erschienen in Ossietzky 23/2003 |
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