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Ein Persilschein vom WDR
Andreas Vogel
Hitler spricht vor dem Industrieclub in Düsseldorf. Wann war das? Die
Geschichtsschreibung läßt keinen Zweifel: im Januar 1932, ein Jahr
bevor die Nazis an die Macht kamen.
Doch jetzt haben wir umzulernen. Das Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks berichtet
über die Waschmittelfabrikanten-Dynastie Henkel. In dieser Sendung von
Lothar Schröder, ausgestrahlt am 10. Oktober 2003, erfahren wir: »1933
tritt Hugos Sohn Jost in den Betrieb ein... Die Nazis sind jetzt an der Macht,
und man beschließt, mit ihnen auszukommen. Jost Henkel wird schnell aktiv,
lädt Hitler zur Diskussion in den Industrieclub. Kontakte knüpfen,
gut Wetter machen.«
Es ist also alles ganz anders gewesen. Denn es darf einfach nicht sein, daß
Henkel bereits vor der »Machtergreifung« auf Hitler zugegangen ist.
Sonst könnten aufmerksame Zuschauer den Schluß ziehen, daß
Henkel zu denen gehörte, die Hitler an die Macht bringen wollten. Und das
wäre das Letzte, was in einer Sendung über den Erfolg der Waschmittel
aus dem Hause Henkel (»Die Henkel-Saga – Ein Leben für Persil«)
vermittelt werden dürfte.
Über die Rolle zu sprechen, die Industrielle auf Hitlers Weg zur Macht
spielten, ist auch heute noch generell verpönt. Also drehe man die Reihenfolge
der Ereignisse einfach um. Aus 1933 mache man 1932, und aus 1932 lasse man 1933
werden. Schon sind Ursache und Wirkung vertauscht. Und jegliche Verantwortung
für das Nazi-Regime und seine Verbrechen ist getilgt.
Immerhin gesteht die WDR-Sendung zu, daß Jost Henkel Hitler in den Industrieclub
eingeladen hat. Diese Information ist bisher kaum verbreitet. Wir müssen
lange suchen, bis wir auf diesen Sachverhalt stoßen. »Die Industriellen,
die hier (im Industrieclub; A.V.) im Jahre 1932 versammelt waren, machten bei
Hitler Karriere. Sie verdienten an Rüstung und Krieg. Viele von ihnen wurden
Wehrwirtschaftsführer. So zum Beispiel der Düsseldorfer Waschmittelfabrikant
Jost Henkel. Er hatte, als Präsident des Industrieclubs, Hitler zum Vortrag
eingeladen.« Das entnehmen wir einer Rede, die Jupp Angenfort, Landesvorsitzender
der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten
in Nordrhein-Westfalen, vor zwei Jahren vor dem Industrieclub gehalten hat.
Wir müssen dem WDR für die Bestätigung dankbar sein. Einem Kommunisten
würde man ja nicht so ohne weiteres glauben.
Und weiter Jupp Angenfort: »Hier im Industrieclub trafen am 26. Januar
1932 Hitler, Göring und Röhm mit Großindustriellen und Bankiers
zusammen. Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach, den
Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten
und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen,
aufzurüsten und ›Lebensraum im Osten‹ zu erobern. Industrielle
und Bankiers dankten, wie Presse und Augenzeugen berichteten, ›mit lang
anhaltendem Dauerbeifall‹. Von nun an flossen riesige Spenden an die Nazipartei.«
Was aber sagt uns nun der WDR über den Fortgang der Geschichte? Wir erfahren,
wie es Henkel im Krieg erging: »... die Arbeitskräfte werden knapp.
Ausländische Zwangsarbeiter treten an die Stelle.« Lothar Schröder
versteht es, uns die Zwänge zu vermitteln, in denen Industrielle in schweren
Zeiten stecken.
»Vater Hugo bleibt auf kritischer Distanz. Zwar weiß er, daß
ihm als Unternehmer der Eintritt in die Partei nicht erspart bleibt, läßt
aber keinen Zweifel an seiner Gesinnung.« Auf kritischer Distanz zu wem?
Zu den Nazis, zu den Gewerkschaften oder zu was? Daß Hugo Henkel keinen
Zweifel an seiner Gesinnung läßt, trifft zu: Schon am 1. Mai 1933
wird er Mitglied der NSDAP, Mitgliedsnummer 2266961. Das erfahren wir aber nicht
aus der Sendung. Wir müssen es den Ermittlungsergebnissen der US-Militärregierung
für Deutschland aus den Jahren 1946/47 entnehmen.
Aber auch nach 1945 geht alles seinen geregelten Gang. 1958 erhält Jost
Henkel das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik.
Das lesen wir im Munzinger-Archiv. Und Konrad Henkel, ein weiterer Sohn des
NSDAP-Mitglieds 2266961, sagt: »Ob wir heute anders sind, als wir 1933
waren? Ich glaube es nicht, daß wir jemals so schlecht waren, wie Sie
meinen... Wir waren nicht für die Nazis, sondern gegen die Kommunisten...
Als uns Hitler 1932 erklärte, daß er mit den Kommunisten aufräumen
werde, entschlossen wir uns, ihn zu unterstützen.« Das lesen wir
bei Bernt Engelmann und Günter Wallraff in »Ihr da oben, wir da unten«.
Die Weißwäscher-Sendung des WDR schweigt darüber.
In der Nachkriegszeit sprach man von »Persilscheinen«, wenn sich
alte Nazis gegenseitig zur Vorlage bei den Entnazifizierungsbehörden bescheinigten
oder von wirtschaftlich Abhängigen bescheinigen ließen, keine Nazis
gewesen zu sein. Persil ist Persil geblieben.
Erschienen in Ossietzky 22/2003
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