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Abschiebe-Tours lädt ein
Kirsten Hofmann
Sonnenbrille, Fotoapparat, Lunchpaket – alles dabei! Die etwa 50 Fahrgäste
sind allerdings nicht gekommen, um sich Fischmarkt, Michel oder die noblen Villengegenden
Hamburgs anzusehen. Ziele der Stadtrundfahrt sind Orte ganz anderer Art wie
das Schiff »Bibby Altona«, eine Außenstelle der Ausländerbehörde.
Neuangekommene Flüchtlinge werden hier erkennungsdienstlich behandelt und
verhört. Da die Behörde den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen
in über 90 Prozent der Fälle das von ihnen angegebene Alter nicht
glaubt, begutachten SachbearbeiterInnen die körperliche Entwicklung der
Jugendlichen, zum Beispiel Körpergröße, Bartwuchs und Zähne.
Wenn Weisheitszähne vorhanden sind, wird das Alter der Jugendlichen willkürlich
hochgesetzt, meist auf 18 Jahre. Zweck dieser sogenannten Altersfeststellung:
Wenn Flüchtlinge älter als 16 Jahre sind, kosten sie den Staat weniger
Geld, da sie aus dem System der Jugendhilfe herausfallen. Außerdem verlieren
sie ihr Recht auf Schulbesuch und können in andere Bundesländer umverteilt
werden, wo sie ihren Asylantrag allein, ohne Unterstützung, stellen müssen.
Auf dem Containerschiff werden Flüchtlinge aber auch untergebracht, leben
also Tür an Tür mit ihren Abschiebern, jederzeit der Möglichkeit
polizeilicher Kontrollen, Durchsuchungen und Verhöre ausgesetzt. Der Hamburger
Senat will mit alledem den Druck auf Flüchtlinge erhöhen, um in diesem
Jahr die »Schallmauer von 3000 Abschiebungen« zu durchbrechen, wie
der Nachfolger des gestürzten Innensenators Schill, Dirk Nockemann (Schill-Partei),
verkündete.
Eine weitere Etappe der Stadtrundfahrt ist das Institut für Rechtsmedizin.
Hier starb vor zwei Jahren der nigerianische Flüchtling Achidi John, nachdem
ihm eine Ärztin mit Hilfe mehrerer Polizisten gewaltsam Brechmittel eingeflößt
hatte. Mit dieser Methode will das im Universitätsklinikum Eppendorf ansässige
Institut dazu beitragen, angebliche Drogendealer zu überführen. Auch
nach dem Tod Achidi Johns gehen die Brechmitteleinsätze weiter.
Mit der Bustour zu Orten der Hamburger Abschiebepolitik protestiert der Hamburger
Flüchtlingsrat gegen die Politik des CDU/FDP/Schill-Senats, der seit zwei
Jahren in Hamburg regiert. Dessen neuester Coup ist ein Programm, mit dem er
afghanische Flüchtlinge zur Rückkehr bewegen will. Während in
weiten Teilen Afghanistans schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung
sind und täglich von Scharmützeln zwischen ausländischen Truppen
und afghanischen Milizen berichtet wird, macht die Behörde für Soziales
und Familie folgende Kosten-Nutzen-Rechnung auf: Ein mittelloser Asylbewerber
koste die Stadt monatlich 550 Euro. Wenn man nun mit der Zahlung von 800 bis
1000 Euro einen wirksamen Anreiz zur Rückkehr gebe, werde sich das bereits
nach einigen Wochen rentieren. Gleichzeitig kündigt die Ausländerbehörde
an, diejenigen, die das Angebot nicht annehmen, Anfang nächsten Jahres
abzuschieben. Diese Drohung ist insofern rechtswidrig, als die Innenministerkonferenz
über einen Zeitpunkt für Abschiebungen nach Afghanistan noch nicht
entschieden hat. Nichtsdestotrotz hat die Hamburger Innenbehörde bereits
einen afghanischen Flüchtling abgeschoben – am 20. Juni, dem Internationalen
Tag des Flüchtlings.
Erschienen in Ossietzky 22/2003
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